Es darf uns nicht egal sein, dass 675 Leichen im Mittelmeer geborgen wurden

Die italienische Marine hat 675 Leichen aus einem Schiffswrack geborgen. Es war Anfang Juli vom Meeresgrund gehoben worden, nachdem es am 18. April 2015 vor der Küste Libyens gesunken war. 28 Menschen hatten das Unglück überlebt, ein Bruchteil der Personen an Bord. 170 Leichen waren direkt nach der Katastrophe geborgen worden.

Nachdem das Schiff letztes Jahr unterging, hatte Italiens Regierungschef Matteo Renzi gesagt: “Wir werden an den Meeresgrund gehen und dieses Boot bergen. (…) Die ganze Welt soll sehen, was geschehen ist.” Nun wissen wir: insgesamt 845 Menschen sind gestorben.

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Es ist schwer, diese Zahl zu begreifen. Schon der Tod eines einzigen Menschen ist schwer zu verstehen. Das Unglück ist über ein Jahr her und die Hornhaut nach so vielen Meldungen dieser Art ist dick. Aber dass wir nicht mehr unseren Morgenkaffe ausspucken, wenn wir solche Nachrichten lesen, sollte uns darüber nachdenken lassen, was zu Normalität geworden ist.

Die Leichen werden in Sizilien obduziert, möglichst viele der toten Menschen sollen identifiziert werden. Persönliche Gegenstände und Dokumente zeigten bereits, dass sie aus Äthiopien, Eritrea, Bangladesch, dem Sudan, Somalia, Mali, Gambia, dem Senegal, der Elfenbeinküste und Guinea kamen.

“Ich kenne mich im Nahen Osten nicht so gut aus” oder “Ich checke schon längst nicht mehr, was in Syrien abgeht” waren noch nie eine gute Ausrede dafür, sich nicht mit dem zu beschäftigen, was direkt vor uns passiert. Wir gewöhnen uns an Meldungen, die Katastrophen sind. Es darf uns nicht egal sein, warum diese Menschen fliehen und warum sie gestorben sind. Erst recht nicht heute.