Diese Fotos zeigen, wie absurd moderne Kriege sind

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Diese Fotos zeigen, wie absurd moderne Kriege sind

Jahrelang berichtete der Kriegsfotograf Christoph Bangerts über den Horror von internationalen Konflikten. Jetzt zeigt er, wie grotesk Kriege auch aussehen können.

Alle Fotos: bereitgestellt von Christoph Bangert (Laif/Camera Press)

Christoph Bangerts letztes Buch War Porn zeigt schreckliche Bilder. Einige sind sogar so brutal, dass man die jeweiligen Seiten an perforierten Stellen auftrennen muss, um sie betrachten zu können. Bangerts will zeigen, wie viele Aspekte bei der medialen Berichterstattung aus Kriegsgebieten weggelassen oder beschönigt werden.

Aber auch in seinem neuesten Werk beschäftigt sich der Fotograf wieder mit der dunkleren Seite der Kriegsberichterstattung und unserer Vorstellung von Konflikten. Aber in Hello Camel beleuchtet er die surreale und fast schon absurd komisch anmutende Seite der heutigen Kriege —ein Aspekt, der Bangert zufolge genauso wichtig ist und vernachlässigt wird wie der Horror, den er in War Porn dokumentierte.

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VICE: Wie sind die Bilder von Hello Camel zustande gekommen?
Christoph Bangert: Anfangs habe ich viele der Fotos eher noch zufällig bzw. im Vorbeigehen geschossen. Immer wenn ich in irgendwelche komischen oder absurden Situationen geriet, habe ich halt einfach auf den Auslöser gedrückt. Nach einer Weile bemerkte ich, wie es immer mehr Fotos wurden, und deswegen fing ich schließlich damit an, bewusst nach solchen Situationen Ausschau zu halten—also Situationen, die meine Vorstellung von dieser Absurdität der modernen Kriegsführung verkörperten.

Die meisten deiner anderen Fotos entsprechen ja doch eher dem Bild, das viele Leute im Kopf haben, wenn sie an Krieg denken. Auf die fast schon skurrilen Bilder in deinem neuen Buch trifft das jedoch nicht zu. Wann hast du dich dazu entschieden, diese Seite der Konflikte bewusst aufzuzeigen?
Das war nach der Veröffentlichung meines letzten Buches War Porn, in dem es quasi nur um den Horror unserer Kriege geht. Mir wurde klar, dass es bei jedem Konflikt zwei sehr wichtige Aspekte gibt, die oftmals vernachlässigt werden: Zum einen der eben erwähnte Horror, der in vielen veröffentlichten Fotos keinen Platz hat, und zum anderen die genauso wichtige absurde Seite. Das Zweitgenannte wird oft hinten angestellt, weil der Betrachter der Bilder dadurch verwirrt werden könnte.

Außerdem bewegt man sich mit solchen Fotos auf ganz dünnem Eis, weil sich natürlich kein Verlag mit dem Vorwurf konfrontiert sehen will, sich über das Kriegsthema lustig zu machen. Das ist selbstverständlich auch nicht mein Ziel. Der Wahnsinn und der Horror sind allerdings genauso real wie das Bizarre und das Absurde. Leider ist es nicht gerade einfach, all diese Aspekte in etwas zu verwandeln, das auch normale Menschen ohne jegliche Kriegserfahrung nachvollziehen können. So gesehen sind sowohl War Porn als auch Hello Camel gefährlich, weil solche Konzepte unter Umständen schnell nach hinten losgehen.

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Stimmt, es ist sicherlich ziemlich nervenaufreibend, ein Buch herauszubringen, das man schnell falsch auffassen könnte. Hast du sehr viel Wert darauf gelegt, dass man dir keine Trivialität vorwerfen kann?
Ich habe mir natürlich Gedanken darüber gemacht, was passiert, wenn genau dieser Fall eintritt und die Leute das Gefühl haben, ich würde dieses unglaublich ernste Thema trivialisieren. Ich bin jedoch schon der Meinung, dass die Leser mein Buch verstehen werden, wenn sie sich ausreichend damit beschäftigen. Und bisher sind die Reaktionen auch dementsprechend ausgefallen. Den Leuten ist bewusst, dass ich mich nicht über den Krieg lustig machen oder einfach nur ein paar witzige Fotos schießen will. Nein, meine Intention ist viel tiefgründiger.

Krieg ist für uns leider zu einer alltäglichen Angelegenheit geworden, die eben passiert und traurigerweise nichts Besonderes mehr darstellt. Dieser Umstand macht das Ganze jedoch nicht weniger schrecklich. Eigentlich ist eher das genaue Gegenteil der Fall—und das wollte ich rüberbringen. Ich glaube, dass die Leute das auch verstehen. Es ist auch gar nicht mein Ziel, irgendjemandem meine Denkweise aufzuzwingen. Ich will jedoch Denkanstöße liefern. Das ist ja sowieso das Tolle an der Fotografie: Das Ganze ist ein mehrdeutiges Feld und wenn ich verschiedenen Leuten meine Arbeiten zeige, dann bekomme ich auch verschiedene Reaktionen.

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Wenn man sich so durch dein neues Buch blättert, bekommt man den Eindruck, dass sich auch die abgebildeten Personen der Absurdität der ganzen Situation bewusst sind. War das denn wirklich so?
Auf jeden Fall. Es gibt eine Sache, die kriegserfahrene Leute von den Menschen ohne wirkliche Kriegserfahrung unterscheidet: Die "normalen" Leute gehen davon aus, dass Krieg ein total dramatisches Ereignis, den ultimativen Kampf zwischen Gut und Böse oder eine Mischung aus Ehre und Elend darstellt. Diese Vorstellung entspricht natürlich nicht der Realität, denn Krieg ist entweder ziemlich schrecklich oder ziemlich absurd. Krieg ist komisch, überraschend und vielschichtig.

Oftmals glaubt man zu wissen, was abgeht. In Wahrheit hat man jedoch keine Ahnung. Viele der in meinem Buch dargestellten Soldaten und Zivilisten waren sich im Klaren darüber, dass sie da gerade nicht nur die schwierigste, sondern auch die absurdeste Zeit ihres Lebens durchmachten. Nichts hat irgendwie Sinn ergeben.

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Wie denkst du über die heutige Rolle der Kriegsfotografie?
Ich glaube, dass der Hauptgrund, warum man als ausländischer Fotograf in Kriegsgebiete reist, gleich geblieben ist. Unser Job ist es, das zu dokumentieren, was wir wir sehen, und bei dieser Dokumentation immer ehrlich und gründlich vorzugehen. Objektivität gibt es nicht, aber wir sollten dennoch versuchen, in Bezug auf die Ereignisse, die wir beobachten, nichts Falsches zu vermitteln. An diesen journalistischen Idealen der alten Schule hat sich bis heute nichts geändert.

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Wir müssen jedoch auch eine Bildsprache finden, die interessant ist und die Neugier der Leute weckt, denn wenn wir immer nur die gleichen dramatischen Fotos von AK-47 abfeuernden Menschen oder Explosionen zeigen, dann stumpft das den Betrachter irgendwann ab. Und was soll man aus solchen Bildern denn überhaupt lernen? Wir müssen einen Blickwinkel etablieren, der zum einen überrascht und anders ist, zum anderen aber auch die Bedeutung der Geschehnisse sowie das Gesamtbild aufzeigt—selbst dann, wenn dieses Bild beunruhigend, kompliziert oder vielschichtig anmutet. Und manchmal braucht es eben ein ganzes Buch, um genau das rüberzubringen. Ein einzelner Facebook-Post reicht da nicht aus.

Ein afghanischer Zivilangestellter des US-Militärs hilft während der Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag bei der Durchführung von Partyspielen für die Soldaten und zivilen Streitkräfte. Ausländische Armeen sind auf örtliche Angestellte angewiesen, die als Übersetzer, Bauarbeiter oder Putzkräfte fungieren. Diese Angestellten riskieren dabei ihr Leben und werden aufgrund ihrer Tätigkeit oft von aufständischen Gruppierungen bedroht (4. Juli 2013, Dschalalabad, Nangarhar, Afghanistan)

Diese Papptoilette wurde von deutschen Soldaten der mechanisierten Infanterie in der Nähe einer temporären Gefechtsstation aufgebaut. Die Bundeswehr ist wohl die einzige Armee der Welt, die ihre Toiletten zum Kampf mitbringt (28. September 2011, Nawabad, Kunduz,Afghanistan)

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Fertig ausgebildete Soldaten der irakischen Armee bilden während der Abschlusszeremonie eine menschliche Pyramide. Schätzungen zufolge haben die USA der irakischen Armee zwischen 2004 und 2014 25 Milliarden Dollar in Form von Ausbildung und Equipment zur Verfügung gestellt. (3. Mai 2005, Kirkusch, Diyala, Irak)

Dieses Foto zeigt die ausschweifenden Hochzeitsfeierlichkeiten im Alwiyah Club von Bagdad. Organisiert wurde das Ganze von May Nuri, einem professionellen Hochzeitsplaner. Selbst in den schlimmsten Zeiten, die von Autobomben und religiös motivierter Gewalt geprägt waren, gehörten große Hochzeiten und Festlichkeiten in Bagdad zum Alltag einfach dazu (30. September 2005, Bagdad, Irak)

Generalmajor Joseph J. Taluto, der Kommandant der 42. Infanteriedivision, hält im Zuge einer Gedenkfeier zum 11. September vor Saddam Husseins Palast eine Rede. Die 42. Infanteriedivision der US-Armee wurde im Jahr 1917 von General Douglas MacArthur ins Leben gerufen. Da sie sich damals aus Nationalgarde-Einheiten aus 26 verschiedenen US-Bundesstaaten zusammensetzte, meinte MacArthur, dass sich die Division wie ein Regenbogen über das Land erstrecken würde (11. September 2005, Forward Operating Base Danger, Tikrit, Irak)