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Eine Dankesrede an den Typen, der mich auf Facebook als „linken Dreck“ anprangert

Gestern hat ein rechter Wutbürger eine Namensliste mit „linkem Dreck" auf Facebook veröffentlicht. Unser Autor ist auch darauf. Eine Dankesrede.
Fotomontage von VICE CEE

Liebe Anwesende,
liebe Freunde,
liebe Academy … äh … liebe Facebook-Gruppe „SVP-weil uns die Schweiz am Herzen liegt!", Holy Sh**! Holy … Danke! Danke für die Ehre, einer von 475 (irgendwie) illustren Namen zu sein, die ihr als „linken Dreck" auserwählt habt. Das kommt jetzt überraschend. Ich bin überwältigt und weiss gar nicht so richtig, was ich sagen soll. Ihr habt meinen Tag, der ansonsten äusserst langweilig war, wirklich gerettet und habt damit sogar die morgendliche Dusche unter dem leuchtenden LED-Duschkopf übertrumpft, den mein Mitbewohner dankenswerterweise installiert hat.

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Wenn man so einen Preis erhält, dann kommt man natürlich nicht darum herum, sich zu fragen: Womit habe ich das bloss verdient? Liegt es an den Plakaten gegen die Durchsetzungsinitiative, die wir vor einigen Tagen in meiner Bar aufgehängt haben und von denen unser Vermieter jenes an der Eingangstüre schon wieder abgehängt hat? An den ausgewogenen Artikeln über kümmerliche PEGIDA-Demonstrationen, recht(sextrem)e Stammtisch-Treffen und Kindersoldaten in spe? Weil ich vergangenes Jahr auf der Sozi-Liste für den Nationalrat kandidiert habe? Oder zählt etwa doch nur der eine Like, den ich irgendwann mal bei der Facebook-Seite „Perlen aus Blocheristan" gesetzt habe?

Den Machern dieser Seite möchte ich auf jeden Fall zu allererst danken. Ohne euch wäre das alles nicht möglich gewesen. Tag für Tag setzt ihr euch den menschenverachtenden Postings besorgter Bürger aus, die die „Ich bin ja kein Rassist, aber … "-Rechtfertigung schon längst aufgegeben haben und teilt eure Funde mit uns. Ein tragikomischer Einblick in die rechte Seele der Eidgenossenschaft ist das, so unterhaltsam wie entsetzlich und wenn ihr euch die Sache vielleicht manchmal auch etwas zu einfach macht—Häme und Spott über Auswüchse, anstatt sich zu fragen, worin der Grund fürs Übel liegt—so ist eure realsatirische Arbeit doch richtig und wichtig. Auch und gerade weil ihr damit all jenen, deren selbstgefälligen, menschenverachtenden Rassismus ihr schonungslos aufdeckt, so gehörig auf den Sack zu gehen scheint.

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Foto von Nicolas Nova | Flickr | CC BY 2.0

Und so möchte ich an dieser Stelle auch der Facebook-Gruppe „SVP-weil uns die Schweiz am Herzen liegt!" danken—allen voran ihrem Mitglied Herrn Siegfried W., der sich über die Perlen-Seite so sehr aufgeregt zu haben scheint, dass er sich dachte: „Jetzt setze ich mich mal hin und nenne das Pack beim Namen."

Danke lieber Sigi, dass du dir die Mühe gemacht hast, 475 Namen—einen nach dem anderen—in ein Text-Dokument zu tippen (oder zu copy-pasten). Meinen Stolz zurückstellend muss ich aber anmerken: So ganz stringent und nachvollziehbar hast du die Liste nicht verfasst. Abgesehen davon, dass laut einigen Kommentatoren auch Rechte aufgelistet seien, welche die Perlen-Seite im Auge behalten und hin und wieder gehässige Kommentare hinterlassen, und manche Namen doppelt draufstehen: Nur schon unter meinen Freunden gibt es so viel „linken Dreck", dem die Ehre mehr gebührt hätte als mir.

Einem Facebook-Freund zum Beispiel, der rechter Hetze in Kommentarspalten nicht nur aus Spass die Stirn bietet, sondern aus der Überzeugung, dass hanebüchene Behauptungen und Gewaltaufrufe nicht unbeantwortet gelassen werden dürfen. Oder der Zürcher Musiker, der auch schon mal spontan einen Song gegen braune Stammtisch-Argumente einspielt. Oder die ehemalige linke Jungpolitikerin, die mittlerweile einen Doktor in Jus und Jobs beim Bundesamt für Migration (und Gleichstellung) hinter sich hat. Sie alle haben die „Perlen" ebenfalls geliked, fehlen aber auf der Liste.

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Klar: Über die Auswahl der Jury (oder eines einzelnen, empört-verbitterten Herren, der gleich auch noch alle Personen zu blockieren scheint, die er auf seine Liste packt) kann man immer streiten. Wahrscheinlich ist auch diese Liste nicht weniger weiss als die Oscars (auf die ich mich trotzdem freue). Während Letztere aber kreiert wurden, um das Filmschaffen zu ehren (und die Verkäufe anzukurbeln), fragt man sich beim „linker Dreck"-Award: Was will Herr W. mit dieser Liste bezwecken?

Hier haben wir eine Liste von Leuten, die auf der Seite „Perlen von Blocheristan" schreiben und Leute in den Dreck ziehen. Da sie meinen Namen veröffentlichen erlaube wir uns ihre Namen zu veröffentlichen. Damit ihr sehen könnt wer alles zu dem Linken Dreck gehört!"

Will er seine geliebte, geschlossene Facebook-Gruppe in Zukunft von linken Spionen rein halten? Würde es ihn freuen, wenn ich und die 474 anderen mit Hass-Mails zugeballert würden? Oder gar richtig weggeballert? Manche, oftmals im geschützten Raum geschlossener Gruppen erstellte Posts, die „Perlen aus Blocheristan" der Öffentlichkeit zugänglich macht, rufen jedenfalls unverhohlen zu Waffengewalt gegen Regierung, Politiker, Asylanten und eben „linken Dreck" auf (wobei da in der Schweiz schon andere vorgeprescht sind).

Aber ich schweife ab. Dies hier ist eine Dankesrede und bevor gleich die Musik eingespielt wird und mich jemand höflich aber bestimmt von der Bühne verweist, muss ich schliesslich noch meinen Eltern danken. Dafür, dass sie mich eigenständiges Denken, Offenheit, Toleranz und Anstand gelehrt haben. Meinen Lehrern, dass sie mir Rechtschreibung beigebracht haben (die mir noch heute wenigstens als Richtwert gilt). Meinem Arbeitgeber, dass er das mit dem Dreck nicht so eng sieht und meinem letzthin gekauften Staubsaug-Roboter, der mich davon bewahrt, im ganzen linken Dreck unterzugehen. Dieser Preis ist für euch!

Daniel wartet immer noch auf einen Oscar und zwar auf Twitter: @kissi_dk

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