Florence Pugh in Don't Worry Darling. Einmittelmäßiger Film den Incels lieben werden
Große Liebe | Bild: IMAGO / ZUMA Press 
Popkultur

Auf den Harry-Styles-Film 'Don’t Worry Darling' können sich schmuddelige Incels einen runterholen

Und so manche Frau ihren Crush auf den Teenie-Star verlieren.

Jack und Alice sind zu horny, um zu essen. Die Sonne steht schon tief, der blumige Sonnenuntergang scheint durch die frisch geputzten Scheiben des Einfamilienhauses einer amerikanischen Vorstadtsiedlung, als ein blendend aussehender Harry Styles durch die Haustür tritt.

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Alice, gespielt von Florence Pugh, hat gekocht, es gibt einen Braten, Kartoffeln, jede Menge Gemüse und der Tisch wirkt wie das Bankett anlässlich eines hohen Staatsbesuches. Aber Harry und Florence sind halt sehr geil und es bleibt nicht beim Küsschen zum Hallo. Nach wenigen Sekunden machen die beiden richtig rum, bis Florence auf dem Esstisch liegt, Harry seinen Kopf zwischen ihren Beinen auf und ab bewegt. Sie verliert mehr und mehr die Kontrolle über ihren Körper, bis sich auch die letzte Schüssel voll Essen auf den Teppich entleert.

In Don’t Worry Darling geht es um dieses junge Ehepaar, Alice und Jack, das sehr verliebt in einer Welt der gesättigten Farben lebt, irgendwo in einer Wüstenoase, wo stets die Sonne scheint und die Cocktails in braun gebrannte Kehlen fließen. Vor allem für Alice scheint das Leben paradiesisch: So richtig arbeiten muss sie nicht. Sie ballert stattdessen den ganzen Tag mit den Frauen der anderen Männer, während die Männer auf Arbeit sind. 

Denn darum geht es hier: Eine Welt für Männer von Männern, in der es Frauen gut geht, so lange sie nichts hinterfragen. Und mir, als männlichem Zuschauer, wird derweil immer wieder der Spiegel vorgehalten. 

Jack, gespielt vom alten Teenie-Schwarm Harry Styles, macht genau das: den ganzen Tag lang arbeiten. Und findet es ganz geil, als Versorger der Familie zu dienen. Ein male bread winner, der nicht zu hinterfragen scheint und selbst nicht hinterfragt wird. Dafür fährt er morgens über ein ewig großes Wüstenplateau, bis sein Wagen am Horizont verschwindet. Alice weiß nicht, was Jack dort tut, bei diesem “Victory Project”, für das er morgens die kleine Siedlung verlässt. Die scheint sein Arbeitgeber extra errichtet zu haben. Abends kehrt er dann zurück zum prächtig gedeckten Tisch und den willigen Schenkeln seiner Frau.

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Denn, wow, sind die beiden verliebt. So viel Leidenschaft und Zuneigung, Vertrauen und Zärtlichkeit, das wünscht sich wohl jeder Mensch von einer Beziehung. Dass das Leben der beiden komplett unterschiedlich ist – er arbeitet, sie kocht und chillt mit den anderen Girls, deren Boys den ganzen Tag schuften – stört beide nicht, denn das Setting ist die Vorstadtidylle der Fünfziger, wie man sie aus Filmen kennt wie Pleasantville – Zu schön, um wahr zu sein oder teilweise auch Mad Men – das natürlich in den Sechzigern spielt, aber eine ähnliche Gesellschaft zeigt: Frauen haben halt nichts zu tun außer Haushalt und Familie und Orgasmus. 

Natürlich ist es bei Don’t Worry Darling genauso wie bei Pleasantville und Mad Men. Irgendwann schlüpfen erste Ungereimtheiten, Geheimnisse und Verschwörungstheorien in die Welt der Alice. 

Sie kriecht immer tiefer in den Kaninchenbau, in dem Flugzeuge im Nirgendwo abstürzen, die Nachbarin plötzlich Verschwörungstheorien verbreitet und sich dann die Kehle durchschneidet, oder der Chef ihres Mannes, gespielt von Chris Pine, die beiden beim Sex beobachtet. 

Und was ist dran an der Verschwörungstheorie? Warum sind die Eierschalen leer, mit denen Alice morgens Spiegelei braten will? Warum brüllen die Victory-Project-Männer auf der Betriebsfeier immer wieder “Who’s world is this? – Ours!”? Wohin verschwinden die Männer da jeden Morgen und warum wacht Alice abends ohne Erinnerung auf, als sie der Firmenzentrale einmal zu nah kam?

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Peu a peu findet sie all das heraus. Und klar ist das alles sehr viel düsterer als das gute Wetter uns zuvor weismachen wollte. Und klar gibt es einen Twist und klar ist das schon irgendwie eine platte Allegorie auf den Emanzipationskampf von Frauen damals wie heute, wenn sie ihre heile Welt als goldenen Käfig und das freundliche Lächeln ihres Ehemannes als besitzergreifende Fratze enttarnt. Gleichzeitig ist es auch eine Orgie für Männer, denen ein solches Gesellschaftskonzept zusagt. 

Florence Pugh, das muss an der Stelle einmal gesagt werden, ist nämlich wahnsinnig attraktiv, wenn sie nur mit einem durchsichtigen Nachthemd bekleidet dem männlichen Blick ausgeliefert wird. Nicht nur zu Beginn des Films, vor allem nämlich zum Schluss, fragt man sich, warum sie überhaupt mit so einem Lappen wie Harry Styles rumhängt, ihn sogar heiratet und bumst. 

Eine solche Welt ist die Welt, in der ein Incel sich pudelwohl fühlen würde und zwar weil es eine Welt für Hunde ist. Allerdings nicht die Welt der süßen Kuschelhunde voller Liebe für die Menschheit, sondern die der verlausten, räudigen Schmuddelhunde, die einander die Kehle blutig beißen für einen Napf voll Trockenfutter. Diese fiktive 50er-Jahre-Utopie ist eine Welt von und für Incels

Was ist das, ein schmuddeliger Incel? Zuerst sei erwähnt, dass ein jeder Incel schmuddelig ist. Ein Pleonasmus also, ein rhetorisches Mittel, das die Bedeutung eines Wortes verdoppelt: nasses Wasser, heißes Feuer, schmuddeliger Incel. 

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Incels, das sind Männer, die keinen Sex haben und denken, Frauen wären daran Schuld. Das Wort steht für “unvoluntary celibates”, also Männer, die unfreiwillig im Zölibat leben. Frauen stünden nur auf dominante Männer mit Muskeln, Geld und großen Penissen. Incels glauben, nichts davon zu haben. Und sie glauben, das sei ein guter Grund, sich in ihre Minderwertigkeitskomplexe hineinzusteigern. Ihre Komplexe projizieren sie wiederum auf Frauen und entwickeln daraus einen gefährlichen Hass. Ein trauriges, schmuddeliges Dasein ohne Sex .

Regisseurin des Films ist Olivia Wilde. Sie ist vor allem als Schauspielerin bekannt, zum Beispiel in TRON: Legacy, hat aber auch den Film Booksmart gedreht. Und wer über Don’t Worry Darling spricht, kommt nicht umhin, die juicy Produktionsgeschichte zu erwähnen. 

Zur Pressevorführung dürfen Journalisten und Journalistinnen eine Begleitperson mitbringen und während viele mit Partnerinnen und Partnern aufschlagen, komme ich mit meiner Kollegin Alexandra Theis. Sie ist komplett up to date, was den Hollywood-Gossip betrifft und freut sich zu Beginn vor allem auf Harry Styles, in den sie ein bisschen verknallt ist. Sie erklärt mir auch, wo der Skandal herkommt. Dass Harry Styles Chris Pine angespuckt haben soll und Olivia Wilde von Florence Pugh nur als Miss Pugh spricht und dass die sich weigere, an der Promotion des Films mitzuwirken. Wer unbedingt mehr zum gesamten Skandal wissen will, findet ganz am Schluss noch einen Absatz mit dem ganzen geilen Schmutz.

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Olivia Wilde hat also beim Film Regie geführt und es dabei geschafft, eine feministische Geschichte zu erzählen, die Männer trotzdem ein bisschen horny macht. Und genau dadurch funktioniert die heile 50er-Jahre Welt voller Reichtum und Schönheit als Spiegel für die kleinen Schmuddelkinder, die sich Frauen entweder am Herd oder nackt auf dem Esstisch wünschen. Don’t Worry Darling ist ihre Welt. Bis zum Schluss.

Die Kritiken zum Film sind nun nicht besonders gut. Aber mit mittelmäßigen Filmen ist es so wie mit Familienfeiern. Je weniger man erwartet, desto geiler werden sie. Klar weißt du schon vorher, dass der langweilige Opa nach der ersten Ansprache auf dem Platz neben dir auftauchen und dir schmerzhaft lange erzählen wird, wie süß du als kleines Kind warst, ohne einmal zu fragen, wie es dir geht. Aber wer weiß, vielleicht wirst du währenddessen genervt Sekt mit Erdbeeren darin trinken, danach angeschallert mit deinen Cousinen auf dem Parkplatz einen Joint rauchen und anschließend mit deiner Tante knutschen. Filme, wie Familienfeiern, sind auch nur so schlecht wie deine Erwartungen daran.

Und Don’t Worry Darling hat wirklich Spaß gemacht. Klar zieht er sich auch mal, aber man weiß immer, warum man dranbleibt. Man will ja wissen, wie das große Mysterium aufgelöst wird. Das Hauptargument ist aber: Florence Pugh spielt wahnsinnig stark. Jede Emotion, jedes Verlangen sieht man ihrem Gesicht und Körper an. Man spürt es, wenn sie spricht, wenn sie sich bewegt oder die Augen zusammenkneift. Florence Pugh trägt diesen Film vom Anfang bis zum Ende und wer weiß, womöglich habe auch ich mich ein klitzekleines Bisschen in sie verliebt.

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Außerdem ist der Film selbst super schön. Die Bilder, die Kamerafahrten, die Kontraste, Kostüme und Ausstattung. Und auch wenn der Twist zum Schluss nicht alles und jeden wegknallen dürfte – irgendwohin muss der ganze Mystery-Kram ja führen – ist er doch überraschend.

Und auch Harry Styles als liebender übergriffiger Ehemann spielt gut. Sein Incel-Schauspiel liegt irgendwo zwischen weinerlichem Kind und smoothem Kavalier und ist fast so überzeugend wie Pughs. Auch wenn meine Kollegin Alexandra nach der Vorführung meint, jetzt sei sie von ihrer Liebe zu Harry geheilt. 

Der Skandal:

Bei den Dreharbeiten sollen sich Harry Styles und Olivia Wilde ineinander verguckt haben. Ständig soll man sie knutschend am Set gesehen haben. Wilde soll sogar ihren Mann verlassen haben, den Schauspieler Jason Sudeikis, den man von Saturday Night Live kennt oder auch aus der Serie Ted Lasso, in der er Ted Lasso spielt. Florence Pugh soll sich geweigert haben, den Film zu bewerben, auch weil Wilde ursprünglich Shia LaBoeuf in der Hauptrolle sehen wollte, der dann aber abgesagt hat, weil er keine Zeit zu proben gehabt habe. Wilde behauptete aber, sie habe ihn gefeuert, weil er sich sexuell übergriffig verhalten habe. Später soll Styles dann Chris Pine angespuckt haben. Pine hat später dementiert, dass er angespuckt wurde, während Styles sich bei einem Konzert darüber lustig gemacht hat. In Interviews hat Wilde außerdem immer wieder betont, wie wichtig ihr die Sexszenen seien, weil diese weniger die männliche Lust in den Mittelpunkt stellten. Pugh gab selbst Interviews, in denen sie die Sexszenen herunterspielte und sagte, dass es Quatsch sei, den Film darauf zu reduzieren, weil er mehr sei, was Wilde natürlich vor den Kopf stoßen musste. Und, um es kurz zu machen: Es ist noch so viel, viel mehr passiert. Wer es ganz genau wissen möchte, muss leider meine Kollegin Alexandra Theis fragen.

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