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Zwei Medizinstudentinnen wollen Lecktücher sexy machen

Die meisten Menschen finden die Vorstellung, jemanden durch eine Latexfolie oral zu befriedigen, nicht sonderlich ansprechend. Dabei ist ungeschützter Oralverkehr nicht ungefährlich.

Wann hast du das letzte Mal ein Lecktuch verwendet?

Wenn du dich jetzt fragst: "Was zur Hölle soll das überhaupt sein?" Keine Sorge. Den meisten Menschen geht es da nicht anders. In meinem Freundeskreis reichten die Reaktionen von "Gibt es die noch immer?" bis zu "Ich habe noch nie im Leben ein Lecktuch gesehen".

Ein Kofferdam, oder auch Lecktuch genannt, ist ein kleines, geschmacksneutrales Latextuch, das man über die Genitalien legen kann, während man den anderen leckt. Wenn du generell keine Lust auf Oralsex hast, ist wahrscheinlich auch dein Bedarf an Lecktüchern eher gering. Doch selbst unter Cunnilingus-Enthusiasten hält sich die Begeisterung in Grenzen.

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"Meine Ex-Freundin und ich haben mal spaßeshalber eines ausprobiert, aber ich finde es ziemlich abtörnend, ein Latextuch über die Genitalien meiner Partnerin zu legen", sagt Susie. "Ich habe mal gehört, dass man daran saugen kann, sodass kleine Bläschen unter dem Latex entstehen. Das hat sich zwar nicht schlecht angefühlt, aber ich fand es eher komisch als erotisch. Wir haben es dann auch wieder sein gelassen."

Andere Frauen finden deutlichere Worte. "Schrecklich!", sagt Gryph. "Ich kann behaupten, dass ich immer großen Wert auf Safer Sex lege, aber bei Lecktüchern hört es dann doch auf. Kondome kann man noch irgendwie spaßig einbinden, Handschuhe auch – aber ein Latextuch, das aussieht, als sei es aus der Mülltonne einer Verbrennungsanlage gefallen? Nein, danke."

Die Zahnmedizinstudentin Aisha Gupta vom Londoner King's College überraschen solche Reaktionen kein bisschen. Gemeinsam mit ihrer Kommilitonin Carly Billing arbeitet sie daran, eine verbesserte und attraktivere Variante des Lecktuchs zu entwerfen. Inspiriert wurden die beiden durch die taiwanesische Künstlerin und Zahnärztin Kuang-Yi Ku, die einen kieferorthopädischen Retainer entwickelt hat, um Blowjobs angenehmer zu gestalten.

"Das größte Problem ist, dass sie unpraktisch und unhandlich sind", erklärt sie mir. "Die meisten Menschen finden sie ziemlich unsexy, was vor allem an ihrem Geschmack und ihrer Textur liegt. Sie verrutschen aber auch ständig und man braucht beide Hände, um sie festzuhalten. Außerdem muss man sie immer wieder zurechtrücken. Das kann die Stimmung ziemlich schnell kaputt machen."

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Lila arbeitet als Sexarbeiterin und benutzt Lecktücher vor allem für Rimjobs mit ihren Kunden ("Weil ich ihnen nicht traue, dass sie sich gründlich genug waschen!"). Auch sie findet die Handhabung vergleichsweise kompliziert. "Wenn man nicht aufpasst, dass es nicht verrutscht, kann es schnell passieren, dass man mit dem Gesicht direkt im Arsch des Kunden landet."

Guptas und Billings Lecktuch kann deshalb wie ein Mundschutz getragen werden. Außerdem haben sie versucht, die Sache durch verschiedene Texturen und Materialien zusätzlich noch ein bisschen spannender zu machen. "In unserem letzten Entwurf haben wir Latex mit Noppen verwendet, den wir aus einer rosaroten Badekappe ausgeschnitten haben", erklärt Gupta.

Bei den Designs handelt es sich bisher nur um Entwürfe. Im nächsten Schritt wollen sie nun Prototypen erstellen, die auf im Hinblick auf ihre Funktion und Sicherheit getestet werden können. Anschließend könnten sie noch einmal an ihren Designs und Materialien feilen und anfangen, ihre Lecktücher zu vermarkten.

Das klingt alles ebenso ambitioniert wie – in Sachen Safer Sex –– unterstützenswert. Doch würden sie überhaupt Abnehmer finden? Wo kann man Lecktücher denn sonst überhaupt kaufen?

Die Zeichnung eines Prototyps.

Lila sagt, dass sie Lecktücher bisher in Kliniken geschenkt bekommen hat, die spezielle Gesundheitsleistungen für Sexarbeiterinnen anbieten. "Außerhalb der Arbeit habe ich aber noch nie eins benutzt und mir hat auch noch kein Gynäkologen dazu geraten." Das können alle anderen, mit denen ich mich unterhalten habe, nur bestätigen.

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"Es ist bestimmt zehn Jahre her, dass ich das letzte Mal von Lecktüchern gehört habe", erzählt mir eine Freundin. "Damals wurden sie noch ihm Rahmen einer Gay Pride Parade verteilt. Ich kenne aber niemanden, der sie 'in der freien Wildbahn' verwendet."

Das Risiko, sich über Cunnilingus mit HIV zu infizieren, ist relativ gering. Andere sexuell übertragbare Krankheiten können dagegen durchaus auch durch Oralsex übertragen werden. Hierzu zählen neben Genitalwarzen und Herpes vor allem auch humane Papillomaviren (HPV). Eine Studie, die 2016 in der medizinischen Zeitschrift JAMA Oncology erschien, konnte zeigen, dass sich das Risiko, an Rachenkrebs zu erkranken, um das 22-fache erhöht, wenn bestimmte HPV-Typen in den Mundraum gelangen. Oralsex (insbesondere Cunnilingus) stellt in diesem Fall die Hauptübertragungsursache dar. Eine weitere Studie, die 2013 im Journal of Clinical Oncology veröffentlicht wurde, brachte ein Drittel aller Kopf-Hals-Tumoren mit HPV in Verbindung.

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"Als Zahnärztinnen wollen wir unsere Patienten auch über Mundgesundheit aufklären", sagt Gupta. "Dazu gehört nicht nur der Konsum von Alkohol und Zigaretten, sondern auch die zunehmende Gefahr, sich mit humanen Pappilomaviren zu infizieren."

Gupta ist selbst bisexuell und musste durch ihre Arbeit im Gesundheitssystem schon häufiger feststellen, dass die sexuelle Gesundheit von lesbischen und bisexuellen Frauen oft unter den Teppich gekehrt wird. "Die meisten Beratungsangebote richten sich an heterosexuelle Paare oder homosexuelle Männer. Wir haben unsere Lecktücher bewusst feminin gestaltet, um dem entgegenzuwirken."

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Emma Fletcher teilt den Eindruck, dass sich die meisten Beratungsangebote auf penetrativen Geschlechtsverkehr konzentrieren. Sie arbeitet für den britischen Online-Sexualberatungsdienst SH:24 und ist als Krankenschwester auf das Thema sexuelle Gesundheit spezialisiert. "Das Risiko, sich durch Oralsex mit einer sexuell übertragbaren Krankheit anzustecken, ist zwar gering. Ich betone aber auch immer, dass das nicht bedeutet, dass kein Risiko besteht", sagt sie. "Mit den meisten Leuten, die mir erzählen, dass sie regelmäßig Cunnilingus und Anilingus haben, spreche ich auch über Lecktücher."

Auch Gupta ist klar, dass die meisten Menschen die Risiken von ungeschütztem Oralsex nicht ernst genug nehmen, um ein Lecktuch zu verwenden. Sie hofft aber, dass sich das ändern lässt, indem man dem Lecktuch ein wenig mehr Sex-Appeal verleiht. "Natürlich würden wir unsere Lecktücher gerne als Medizinprodukt registrieren lassen. Aus medizinischer Sicht wäre das optimal. Vermutlich ließe es sich als Sexspielzeug aber besser vermarkten."

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Lila hält es für eine "großartige Idee, sie hübscher und bunter zu gestalten." Ein deutlich wichtigerer Punkt sei für sie allerdings die Textur – und da gibt es ihrer Meinung nach noch Nachholbedarf. "Vielleicht könnte man Lecktücher in Kombination mit Gleitgel verkaufen, um das feuchte Gefühl der Zunge nachzuahmen?"

Gryph ist insbesondere von der Tatsache begeistert, dass man sie wie einen Mundschutz tragen kann, hat aber ebenfalls einen Einwand: "Sie brauchen einen neuen Namen. 'Lecktuch' hört sich furchtbar an. Wie wäre es mit Muschi-Maske?"

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