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​Dieses Start-up hilft Vermietern und Arbeitgebern, deine privaten Profile auszuspähen

Sowas solltest du aber eh nicht mehr im Profil haben | Foto: VICE Media

Stell dir vor, du willst eine Wohnung in Wien, Salzburg oder Graz mieten, und der Vermieter verlangt von dir dein Facebook-Passwort, damit er eben mal deine kompletten privaten Chats durchlesen kann. Klingt wahnsinnig? Könnte aber bald Realität sein, wenn es nach einem britischen Start-up geht.

Wer in beliebten Großstädten eine Wohnung mieten will, muss in der Regel jetzt schon Einkommensnachweise und eine Schufa-Auskunft vorlegen. Dazu könnte aber bald noch eine Art “Social Score” kommen: Ein Wert, den ein Algorithmus errechnet, nachdem du ihm freiwillig Zugang zu all deinen Privat-Accounts in den sozialen Medien gegeben hast. Warum du das tun solltest? Weil alle anderen Mitbewerber es auch tun, und du die Wohnung oder den Job sonst automatisch vergessen kannst.

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Das ist die Vision von Score Assured. Das Start-up aus dem mittelenglischen Cannock hat ein Tool entwickelt, um “tief in private Social-Media-Profile einzutauchen”, wie der Mitgründer Steve Thornhill der Washington Post stolz erklärt hat. Der Algorithmus zieht sich nämlich nicht nur die Eckdaten wie Alter oder Freundeszahl aus deinen Facebook-, Twitter-, Instagram- und LinkedIn-Accounts, sondern durchforstet auch deine privaten Nachrichten.

Basierend auf bestimmten Schlagwörtern beurteilt das System dann zum Beispiel, wie viel “financial stress” du wahrscheinlich hast. Dazu zieht es aber nicht nur in Betracht, wie oft du “Kredit” oder “pleite” in deinen Nachrichten erwähnst—sondern auch “Logins bei Online-Retailern und die Häufigkeit von sozialen Logins bei Freizeitaktivitäten”. Das bedeutet konkret: Wenn du zu oft auf Zalando und der Fusion-Facebook-Seite rumgehangen hast, stuft dich das System möglicherweise als Finanzrisiko ein.

Screenshot via Washington Post

Damit ist es aber noch lange nicht getan, denn im Grunde verbindet dieses Tool so ziemlich jeden Albtraum, den Daten- und Verbraucherschützer seit der Erfindung des Internets je gehabt haben. Für zukünftige Arbeitgeber sucht das Ding schon mal raus, wie oft du das Wort “schwanger” in deiner Kommunikation benutzt hast—schließlich will man niemanden einstellen, der dann gleich in Mutterschutz geht. Dass es in vielen Ländern verboten ist, Bewerberinnen nach einer Schwangerschaft zu fragen, ist den findigen Programmierern von Score Assured offenbar egal.

Aber auch für Leute ohne Gebärmutter hat die Software noch ein paar unangenehme Überraschungen auf Lager: Zum Beispiel erstellt es basierend auf dem Big-Five-Modell ein komplettes Persönlichkeitsprofil des Bewerbers. Auf den Screenshots der Webseite tenant assured, die man im Washington-Post-Artikel sehen kann, wird dem wissbegierigen Vermieter auch gleich erklärt, wie diese Persönlichkeitsmuster sich auf deine Eignung als Mieter auswirken könnten. Zum Beispiel zum Charakterzug “Offenheit”:

Offenheit steht in positiver Relation zur Mieter-Rotation. Wer hier hoch punktet, neigt dazu, öfter umzuziehen… Jemand, der hier niedriger punktet, ist typischerweise eher reserviert und wird sich seltener beim Vermieter beschweren.”

Natürlich kennt jetzt schon jeder Geschichten von Arbeitgebern, die Bewerber erstmal gründlich auf Facebook stalken. Das Tool von Score Assured geht aber viel weiter: Wenn sich dieses (oder ein ähnliches) System durchsetzen sollte, müsste man sein komplettes digitales Leben einem Algorithmus ausliefern, um für einen Job überhaupt in Frage zu kommen. “Wenn du ein normales Leben lebst”, tönt Gründer Thornhill in der Washington Post: “Dann musst du dir um nichts Sorgen machen.”

Screenshot via Washington Post

Aber eben nur, solange nicht zu deinem normalen Leben gehört, schwanger zu werden. Als “nicht normal” zählt es übrigens auch, kein Twitter- oder Facebook-Profil zu haben—das wertet der Algorithmus nämlich von vorneherein als asozial und irgendwie verdächtig, also gibt es Punkteabzug.

Im Moment befinden sich noch beide Produkte der Firma, tenant assured und recruit assured, in der Testphase. Wenn das System ausgereift ist, kann man eigentlich nur noch hoffen, dass Vermieter und Arbeitgeber das Richtige tun und aus ethischen Gründen darauf verzichten. Wenn nicht, könnten wir bald in die Situation kommen, dass wir die Wahl zwischen unserer Privatsphäre und einem Dach über dem Kopf haben. Thornhill ist sich jedenfalls jetzt schon sicher, wofür wir uns entscheiden: “Leute werden ihre Privatsphäre aufgeben, um etwas zu bekommen, das sie wollen.”