​Warum es schwerer ist, eine schlechte Freundschaft zu beenden als eine schlechte Beziehung

Ich habe vor Kurzem eine sehr intensive und jahrelange Freundschaft beenden müssen und unweigerlich bin ich ein dramatisches Trennungsszenario gerutscht, das seinesgleichen sucht. Ich habe schon die ein oder andere schlimme Trennung hinter mir und würde lügen, wenn ich behaupte, dass dabei immer alles erwachsen und fair abgelaufen ist. Trotzdem hat es mich überrascht, als ich feststellen musste, dass nichts mehr weh tut, als den Menschen zu verlieren, mit dem man Jahr für Jahr jeden Scheiß durchgestanden hat.

Natürlich fiel mir das nicht leicht, aber im Nachhinein betrachtet war es das Beste, was ich tun konnte. Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass die Person unehrlich und manipulativ ist—sogar den Leuten gegenüber, die ihr am nächsten standen. Und dass sie, um ihren Willen zu bekommen, über Leichen gehen würde. Auch über meine. Ich habe einige Zeit gebraucht, um zu verarbeiten, was da eigentlich passiert ist. Mittlerweile habe ich verstanden, dass ich anscheinend mit meinem Freund Schluss gemacht habe. Der meine beste Freundin war. Mit der ich nie Sex hatte. Verrückt.

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Wir alle haben oder hatten zumindest mal einen besten Freund oder eine beste Freundin oder—wenn wir dann irgendwann die Volksschule hinter uns gelassen haben—einfach jemanden, mit dem wir uns am besten von allen unseren Freunden und Bekannten verstehen. Das äußert sich dann durch stundenlange Telefonate, regelmäßige Treffen, gemeinsame Urlaube, brüderliche Besäufnisse, Freundschaftsarmbänder, Partnersocken, kitschige Fotoautomaten-Schnappschüsse und was einem mit einer Flasche Sekt in der Hand noch so einfällt.

Das sind die Menschen, auf die wir uns immer verlassen können. Denen wir erzählen, wer uns aufregt und die sich dann doppelt so sehr über diese Menschen aufregen. Mit denen wir lachen und weinen, streiten und uns vertragen und die jede Liebesbeziehung, Affäre und Ex-Ehepartner, die zwischendurch in unser Leben treten, überlebt haben. Diese Freundschaften basieren auf vollstem Vertrauen, blinder Zuneigung und Loyalität, man fühlt sich wie die coolste Zwei-Mann-Armee der Welt und kann und will sich eigentlich ein Leben ohne diese Person nicht mehr vorstellen. Und anders als bei der wahnwitzigen romantischen Liebe, die unbeständig ist wie Frisurentrends und Chartplatzierungen, sind wir mit fast schon kindlicher Naivität davon überzeugt, dass wahre Freundschaft bleibt. Für immer. Bis dass der Tod uns scheidet und noch danach. Falls es ein Danach gibt.

Tja. Manche von uns müssen diese Überzeugung früher oder später aufgeben und es bleibt nur die Hoffnung darauf, dass man daraus irgendetwas lernt. Fürs nächste Mal. Immerhin habe ich eine Sache aus dieser ganzen Situation mitgenommen: Wie jeder emotional zerstörende psychologische Prozess lässt sich auch die Trennung von euren besten Freunden in mehrere Stufen unterteilen.

Der Moment, in dem euch bewusst wird, wie abhängig ihr wirklich von einer Freundschaft seid

Der Unterschied zwischen Freundschaft und Partnerschaft ist, abgesehen vom sexuellen Aspekt, somit eigentlich gar nicht so schwer zu erkennen. Wenn eine Liebesbeziehung für eine gewisse Zeit nicht im Leben vorhanden ist oder wegbricht, dann ist das in den meisten Fällen nicht so schlimm, dass man ins Kloster auswandert und sein Leben Gott verschreibt. Schließlich hat man immer noch seine Freunde. Aber wenn wirklich relevante Freundschaften zu Bruch gehen und man plötzlich alleine dasteht, dann fehlt nicht mehr nur eine Wand im Haus, dann sind plötzlich alle Fenster und Türen weg und man steht ohne jegliche Fluchtmöglichkeit im Dunklen.

Diese Situation bringt einen in Schwierigkeiten, die man so aus seinen bisherigen Partnerschaften nicht kennt: Zu wem soll man denn nun rennen und sich bemitleiden lassen? Wer schmiedet Rachepläne mit einem? Wer redet einem gut zu und baut das zerbrochene Ego wieder auf? Freundschaften treiben einen deswegen in eine weitaus gefährlichere Abhängigkeit als Liebesbeziehungen und sind somit auch oft bedeutsamer und prägender. Ich meine, wer kann mir den Namen der Freundin von Nick Carter nennen? Wen interessiert die? Hat er überhaupt eine? Keine Ahnung, aber was er seit Jahren konstant hat, sind seine vier Bandmitglieder und Brothers for Life, mit denen er über die ganzen Weiber, die kommen und gehen, singt, und das ist doch eigentlich etwas, worauf man sich in dieser kalten, schnelllebigen Welt verlassen können sollte.

Im Allgemeinen sind kriselnde Frauenfreundschaften wie Gossip Girl. Foto: Pimkie | Flickr | CC BY-SA 2.0

Der Moment, in dem du feststellst, dass dein platonisches Gegenstück dein schlimmster Feind ist

Wenn ihr nicht prinzipiell von Glück gesegnete Menschen seid, deren Leben von Geburt an genau so verlief, wie sie es sich gewünscht haben, und die nie Probleme in irgendwelchen zwischenmenschlichen Bereichen hatten (Hi, niemand mag euch), dann werden euch auch eure geliebten Seelenpartner früher oder später enttäuschen. Das ist normal, jeder macht früher oder später unbedachte, dumme Dinge. Die kann man dann auch irgendwann verzeihen oder sein Leben lang darauf rumreiten. Oder beides. Aber wenn das Glück euch so richtig hasst, dann geratet ihr an Freunde, die sich kurz vor dem endgültigen Ende eure langjährigen Beziehung zueinander als völlig verrückte, unberechenbare und bösartige Endgegner herausstellen.

Ja, ich meine genau die Leute, die euch getröstet haben, als euer Ex-Partner sich mit Jenny oder Jens von Tinder vergnügte—die Menschen, die eure Tränen wegwischten und polterten „Er hat dich nicht verdient!”, „Ich bin immer für dich da!”, „Wir machen den so richtig fertig!”—die machen dann plötzlich ziemlich ähnliche Dinge mit euch. Dann ist die Höhle des Trostes, in die ihr euch vergraben konntet, wenn mal wieder nichts funktioniert hat, plötzlich nur noch ein dreckiger Abwasserkanal, der von außen hübsch bemalt, war aber innen drin scheiße ist.

Das kann ganz schleichend passieren oder in einer Lawine des Verderbens über einen hereinbrechen, vor allem aber greift es dein Selbstbewusstsein auf eine weitaus extremere Art an, als es dein Ex-Partner könnte. Vor allem dann, wenn dein grundlegendes Vertrauen in euren ehemaligen Freund (oder eure ehemalige Freundin) nach wie vor so groß ist, dass ihr beginnt, an eurer Wahrnehmung zu zweifeln.

Bei meinen Ex-Freunden war mir immer spätestens im Nachhinein klar, was ich richtig gemacht habe und was hätte anders laufen sollen. Wenn mir mein Freund das Gefühl geben würde, ein schlechter Mensch zu sein, wäre ich sofort weg. Als mir das eine Freundin an den Kopf warf, war ich kurz davor, ihr zu glauben. Je heftiger die Streitereien wurden, umso mehr nagte die Frage an mir, wer von uns beiden eigentlich gerade den Verstand verloren hat—und trotz allem verzieh ich ihr all die verletzenden Aussagen und Aktionen, die ich bei einem Partner nie akzeptiert hätte. Man kann seinen Stolz leichter beiseite schieben und wer würde einem auch ins Gesicht sagen, dass man sich unter Wert verkauft, wenn man so leicht nachgibt? Die einzige Person, der man das aufs Wort geglaubt hätte, ist ja gerade im Streit mit einem. Und dieser Streit findet dann auch noch auf einer ungleich tiefergehenden Ebene statt.

Gute Freunde wissen alles übereinander, auch die ganzen ungeschönten Sachen, die man dem Partner—teils aus Scham, teils aus Angst, dann nicht mehr attraktiv und begehrenswert zu wirken—verschweigt. Beste Freunde haben einen über Jahre hinweg begleitet und könnten durch ihre wichtige Position im Leben des Anderen im Härtefall jeden noch so kleinen, versteckten Komplex, jeden Fehler, jedes Detail, das im Leben des Anderen schief läuft, als Munition benutzen und den Gegenüber zerstören. Außerdem: Welcher Ex-Partner würde es wagen, euren Freundeskreis in eure Beziehungsstreits mit einzubeziehen?

Beendete Freundschaften wecken weitaus mehr Ängste als beendete Beziehungen, und die dreckige Wäsche, die dann gewaschen wird, bedient einen völlig anderen Sendeplatz als „Baby ich hab dich geliebt, aber du hast mich verletzt.”

Der Moment, in dem ihr endlich loslassen müsst

Ich möchte nicht sagen, dass ich euch hier eine Art Blaupause für zwischenmenschliches Miteinander und das Lösen von Konflikten präsentieren will. Vielleicht sind meine Freunde auch im allgemeinen einfach zu wahnsinnig, um in irgendeine Schablone zu passen. Trotzdem habe ich aus dieser furchtbaren, herzzerfressenden Erfahrung ein bisschen etwas gelernt, deswegen will ich euch meine gesammelten Weisheiten jetzt um die Ohren hauen.

Das klingt jetzt wie ein schlechter Poesiebuch-Eintrag, aber: Das Wichtigste, das man in solchen emotionalen Extremsituationen niemals vergessen darf, ist, wer man ist—und vor allem auch, wer man schon vor dieser Freundschaft war.

Dass man, egal, wer kommt und einen ein Stück weit im Leben begleitet, egal, wie sehr man denkt, dass man die Person in- und auswendig kennt, und sie einen auch sich niemals einreden lässt, weniger wert zu sein, als man wirklich ist. Man investiert Zeit und Mühe und Nerven und egal, wie ehrlich man an die Sache rangeht, man kann trotzdem auf die Schnauze fallen und sich in Menschen täuschen. Oder Menschen können sich in verschiedene Richtungen entwickeln. Auch wenn ihr in Momenten der Wut lieber eure Wohnungseinrichtung als den Menschen zerstören würdet, der euch eine halbe Ewigkeit so sehr am Herzen lag, dürft ihr nicht davon ausgehen, dass euer Gegenüber das auch so sieht. Worte kann man nicht zurücknehmen, nie, und da ist es auch egal, ob sie euch ins Gesicht geschrien werden oder ihr mitten in der Nacht dutzende Hass-Nachrichten übers Telefon bekommt.

Ironischerweise treffen sich da auch wieder Partner- und Freundschaften: Am Ende des Tages hat es immer einen Grund gehabt, warum man sich miteinander verbunden gefühlt hat und warum man so viel füreinander getan hat. Dafür sollte man dankbar sein und, auch wenn man sich von der anderen Person verabschieden muss, einen letzten Funken Anstand und Respekt zeigen und erhobenen Hauptes und mit einem sauberen Händedruck das Schlachtfeld verlassen. Wenn eure vermeintlich besten Freunde das nicht können, haben sie auch nicht länger verdient, in eurem Leben zu sein. Die Volksschulzeit ist schließlich schon lange vorbei.

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Header-Foto: Dominic Robinson | Flickr | CC BY-SA 2.0