10 Fragen an eine Uni-Professorin, die du dich niemals trauen würdest zu stellen

An dem Pult, an dem Professor Luna steht, klebt ein Hinweisschild. “Achtung! Tafel nur mit Whiteboard-Marker beschreiben!”, steht darauf. “Da sieht man es doch schon”, sagt die Professorin. “Es sind nicht nur die Studenten, die saublöde Aktionen bringen.” Einmal, erzählt sie, habe ein Professor statt mit dem richtigen Stift mit einem Edding an das Whiteboard geschrieben. Gemerkt hat er das erst, als er einen seiner Sätze löschen wollte. Es habe extra der Hausmeister anrücken und das Geschmiere mit Lösungsmittel entfernen müssen.

Während sie das erzählt, lacht Professor Luna laut. Das kann sie gut, auch wenn es zu ihrem Job gehört, streng zu sein. Sie ist 57 Jahre alt, hat fast ihr ganzes Leben im akademischen Betrieb verbracht und lehrt Architektur an einer deutschen Hochschule. An welcher genau und wie sie wirklich heißt, will sie lieber nicht veröffentlicht sehen. “Ich will ja ehrlich mit euch sein”, sagt sie. “Aber mein Beamtenstatus gefällt mir dann auch ganz gut.”

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Wir haben Fragen.

VICE: Haben Sie schon einmal Studierende durchfallen lassen, weil sie Ihnen unsympathisch waren?
Prof. Luna: Habe ich nicht. Hätte ich aber gerne. Tatsächlich ist es eher so, dass ich Studenten, die ich nicht mag, doch noch eine ausreichende Note gebe, um die nicht wiedersehen zu müssen. Wenn es aber darum geht, ob ein Student oder eine Studentin eine Eins oder eine Zwei bekommt, kann Sympathie eine Rolle spielen.

Denn bei Studis, die ich mag, fällt es mir schwerer, eine schlechte oder manchmal eben die angemessene Note zu geben. Ich mag die etwas zurückhaltenderen, die höflich sind, zuhören können und zumindest anfänglich einen gewissen Respekt vor mir zeigen. Die anderen sind aber leider nicht wenige. Das sind die Studenten, die, bildlich gesprochen, noch nicht einmal anklopfen, in mein Büro stürmen, ihre Tasche auf den Tisch klatschen und sich unaufgefordert setzen.

Wie viele Studierende sollten besser nicht studieren?
Viele. Sehr viele. Und es werden immer mehr. 20 Prozent der Erstsemester haben hier nichts zu suchen. Die Studis kommen mit schlechten Voraussetzungen, wissen kaum etwas und kommen nicht mit. Ich frage mich häufig, ob die überhaupt wissen, warum sie hier sind. Trotzdem schleppen wir viele von denen mit, schieben die auf einem Ausreichend weiter, um die wieder los zu sein. Das ist natürlich auch Mist. Die gehen dann mit einem Zeugnis von uns in den ersten Job und können zu wenig. Das fällt da auch auf.

Es studieren immer mehr Menschen. Das liegt auch an allen möglichen neuen Fächern, die meiner Ansicht nach keine sein sollten: facade design & construction statt Architektur, urbane Zukunft statt Stadt- und Raumplanung. Die Hochschulen generieren immer mehr neue Studiengänge, um Studienanfänger abzugreifen. Schließlich werden sie ja pro Kopf bezahlt. Je mehr Neueinschreibungen, desto mehr Geld.


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Wie viel muss man Ihnen bieten, um Sie zu bestechen?
Das hat noch niemand versucht. Bestechungen sind hier, glaube ich, nicht besonders weit verbreitet.

Einen Geld-für-Noten-Handel gibt es aber auch bei uns. Allerdings unter den Studis. Alle Studenten habe eine E-Mail-Adresse, die sich aus Matrikelnummer und dem Namen der Hochschule zusammensetzt. Wer welche Note hat, erfahren sie nach einer Klausur auf unserer Online-Plattform. Da stehen die Matrikelnummern und dahinter die Note. Es kann also jeder sehen, welche Matrikelnummer eine 1.0 hat. Die Studis, die da sehr gut abgeschlossen haben, bekommen dann per Mail das Angebot, für eine gewisse Summe die Arbeiten ihrer schwächeren Kommilitonen zu übernehmen. Wir haben das erfahren, von, sagen wir mal, einer systemtreuen studentischen Hilfskraft, einem Maulwurf innerhalb der Studentenschaft. Das ist Betrug. Wenn wir jemanden erwischen, wird er exmatrikuliert.

Wie viel wird wirklich an der Uni beschissen?
Meine Studenten tun das fast die ganze Zeit. Das ist in den letzten Jahren deutlich schlimmer geworden. Inzwischen schreiben viele gnadenlos aus Büchern ab. Und sie tun das so blöd, dass es mir sofort auffällt. Da folgen fehlerfreie, sprachlich glatte Passagen auf solche, die kaum lesbar sind. Das sind die Härtefälle. Aber in fast jeder Arbeit wird mehr oder weniger dreist abgeschrieben oder falsch zitiert. Die Qualität der durchschnittlichen Abschlussarbeiten ist so mies, dass ich vor Freude weine, wenn da korrekte Sätze drin sind.

Stimmt es, dass Professoren immer nur den Anfang und das Ende einer Hausarbeit lesen?
Das kommt auf die Arbeit drauf an, ob Protokoll, Abschluss- oder Hausarbeit. Tatsächlich habe ich das aber so gelernt. Mein Doktorvater und auch der Professor, bei dem ich wissenschaftliche Mitarbeiterin war, haben gesagt: Wichtig ist die Gliederung und das Literaturverzeichnis. Und dann liest du die Zusammenfassung. Und dann weißt du schon sehr viel über die Arbeit. Und wenn du das gut findest, dann lohnt es sich weiterzulesen. Und schon wenn es nur so lala ist, liest du den Rest der Arbeit nur kursiv mit Schwerpunkten. Das reicht dann auch. Je nachdem wie viel ich zu tun habe, handhabe ich das immer noch so.

Das klingt alles so düster, aber tatsächlich bekomme ich auch schöne Arbeiten. Manche Studenten sind richtig gut, fachlich klasse. Deren Arbeiten zu lesen, macht mir Spaß.

“Es sind nicht nur die Studenten, die saublöde Aktionen bringen.”

Was haben 30 Jahre Mensa-Essen mit Ihrem Körper gemacht?
Ich habe in meiner ganzen akademischen Zeit, egal in welcher Stadt ich war, immer nur in der Mensa gegessen, wenn es die Umstände verlangt haben. Zum einen, weil ich das schlechte Essen nicht ertragen habe, zum anderen wegen der Mensa-Atmosphäre. Schlangen an der Essensausgabe, Schlangen an der Kasse, Schlangen zum Aufwerten der Mensakarte. Dann das Gerangel um die besten Plätze, das Gedränge an den Tischen und die permanente Gefahr, auf Leute zu treffen, die man nicht treffen will.

Ist ein Leben im akademischen Betrieb die Flucht davor, wirklich arbeiten zu müssen?
Wenn ich an die freie Wirtschaft denke, bin ich extrem dankbar dafür, hier zu sein. Die Hochschule ist schon ein geschützter Raum. Wer will, kann es sich im öffentlichen Dienst richtig bequem machen. Noch dazu stimmt das Geld. Ich verdiene brutto 5.800 Euro im Monat. Ich habe das Glück, dass ich gute Forschungsprojekte akquirieren konnte. Ich widme mich den Themen, die mich weiterbringen und mich immer neu herausfordern. Wenn ich das nicht hätte, wäre es hier wahnsinnig langweilig.

Ist die Lehre nur eine lästige Pflicht?
Ehrlich gesagt: Für mich ja. Natürlich kommt es darauf an, wen man unterrichtet. Der Bachelor ist Schwarzbrot, der Master Kuchen. Aber im Lauf der Jahre machen wir in der Lehre schon immer das gleiche. Die Themen bleiben die selben, egal wie sehr man seinen Unterricht verändert. Da merke ich, dass ich selber älter werde, aber meine Studenten bleiben immer gleich alt und stellen die gleichen Fragen. Die wichtigste davon ist heute übrigens: Ist das klausurrelevant?

Nervt es Sie, wenn Ihre Studierenden gendern?
Oh, ja, schrecklich. Ich bin Vertreter (sic!) des generischen Maskulinums. Ich kann damit sehr gut leben und ich glaube, als selbstbewusste Frau hat man es nicht nötig, zu gendern. Mir ist klar, dass ich aus einer elitären Position heraus spreche, schließlich bin ich da wo ich bin. Aber ich denke, dass uns Sternchen und Binnen-Is nicht weiterbringen. Ich glaube eher, dass das davon abschreckt, sich wirklich mit dem Thema zu beschäftigen.

Hat Sie ein Student schon einmal angebaggert?
Ja, ist schon passiert. Wie ich damit umgegangen bin, behalte ich aber mal für mich.

Sie will das echt nicht beantworten, lacht nur, zuckt mit den Schultern und hebt die Hände wie ein Shrug-Emoji.

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