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10 Fragen an einen Frauenarzt, die du dich niemals trauen würdest zu stellen

Unsere Stimme wird oft ein bisschen leiser, wenn wir sagen: “Ich gehe jetzt zum Frauenarzt.” Klar, wir zeigen gleich einem quasi Fremden unsere Vagina. Es ist irgendwie schrecklich intim und doch anonym. Und während wir da auf diesen kalten Stühlen liegen, unsere Beine gespreizt, fragen wir uns dann doch gelegentlich: Wer ist eigentlich dieser Typ, dessen Kopf gerade wenige Zentimeter vor unserem Intimbereich steckt? Warum wählte er einen Beruf, bei dem er Tag für Tag Vaginen untersucht?

Joachim Pömer (34) hat seine Frauenarztpraxis in Linz. Auf die noch nicht besonders ungewöhnliche Frage “Warum zur Hölle wird man Frauenarzt?” erzählte Pömer, dass er mit 28 Jahren in Namibia war. Dort erlebte er Geburten und erkannte, dass er als Arzt dabei sein möchte, wenn Leben entsteht. Auf diese Frage war er vorbereitet, auf die nächsten zehn nicht:

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VICE: Was ist das Ekligste an diesem Job?
Joachim Pömer: Das Wort Ekel sollte es für Mediziner nicht geben. Das Letzte, was eine Frau braucht, ist ein Frauenarzt, der angeekelt schaut. Oft kommen Frauen zu uns, die starke Blutungen haben, zum Beispiel wegen einer Infektion oder weil die Periode eben nicht aussetzt, nur weil ein Termin beim Gynäkologen ansteht. Ich ziehe auch Tampons aus der Vagina, die verloren gegangen sind. All das ist nicht unangenehm, sondern mein Job.

Stimmt es, dass die Füße oft ekliger riechen als der Intimbereich?
Es ist, wie wenn man zum Zahnarzt geht und sich davor die Zähne putzt. Die Leute kommen in der Regel geduscht und nicht völlig durchgeschwitzt. Spezielle Intimhygiene ist sogar kontraproduktiv. Wir sehen Scheidenpilze gerade bei Frauen, die über lange Zeit Intimpflegeprodukte genommen haben. Meine Empfehlung: alles weglassen. Wasser reicht. Eine gesunde Frau riecht auch nicht übel aus der Scheide. Wenn doch, dann weil ein Infekt besteht, das ist dann mein Job.

Wie viele Patientinnen rasieren sich vorher?
Gerade habe ich ein wissenschaftliches Papier zur Hand, in dem steht, dass über 60 Prozent sich regelmäßig im Intimbereich rasieren. Ich glaube, dass keine Frau, die sich sonst nicht rasiert, das extra für den Frauenarzt macht. In Notfällen ist erst recht keine Zeit, sich zu rasieren. Das ist auch wirklich nicht wichtig.

Stören Haare denn bei der Arbeit?
Nein, die Intimrasur ist eine reine Geschmackssache, das kann die Frau maximal mit ihrem Partner abstimmen, aber da muss sie keine Rücksicht auf ihren Frauenarzt nehmen. Bei Operationen kann es wichtig sein, aber das muss die Frau nicht selbst machen, wir rasieren dann meist während der Narkose.

Was war das Absurdeste, was Sie in Ihrem Job über Sex gelernt haben?
Es gibt nichts Absurdes, wenn man über Sex spricht. Ich möchte jetzt nichts nennen, weil alles, was ich sagen würde, mit dem Wort “absurd” verbunden werden würde. Macht euch davon frei, was die anderen denken, und macht, was euch gefällt. Das gilt natürlich nicht, wenn Verbotenes oder Gewalt im Spiel sind.

Törnt es Sie manchmal an, wenn sich eine heiße Frau bei Ihnen auszieht?
Nein. Die Patientin kommt zu mir, weil ich ein Vertrauensarzt bin. Das hört sich vielleicht unglaubwürdig an, aber man muss seine eigene Sexualität ausblenden können. Und ich kann das.

Wie ist es, wenn Sie eine Patientin im Supermarkt treffen?
Dann sage ich freundlich “Hallo”. Wenn es gerade passt, reden wir ein bisschen und ich stelle meine Frau und meinen Sohn vor, wenn sie dabei sind. Vor meiner Frau würde ich nie Berufliches ansprechen, meine Schweigepflicht gilt ja auch im Alltag. Ansonsten kann die Patientin auch Probleme kurz ansprechen und einen Termin vereinbaren, aber ich würde nicht lang und breit auf der Straße mit ihr darüber sprechen.

Dachten Sie schon mal, als Sie mit einer Frau geschlafen haben: “Hier ist aber anatomisch etwas seltsam.” Oder: “Sie muss aufpassen, dass …”?
Beruflich muss man seine Sexualität ausblenden, und privat den Beruf. Ich bin verheiratet und liebe meine Frau. Wenn mir beim Sex oder während der Schwangerschaft etwas auffallen würde, das nicht passt, würde ich das sagen—dafür ist eine Partnerschaft da. Das hat nichts mit meinem Beruf zu tun.

Was hält Ihre Frau von Ihrem Beruf?
Am Anfang hat sie das schon gestresst. Viele Ärzte, die wir kennen, sind geschieden, weil oft Zeit für die Familie fehlt. Sie war anfangs auch unsicher, weil sie nicht wusste, wie das ist, wenn man den ganzen Tag Frauen teilweise nackt sieht. Jetzt kommt sie aber gut damit klar. Sie schickt auch Freundinnen zu mir, ich denke, das ist der größte Vertrauensbeweis einer Ehefrau.

Finden Sie leichter den G-Punkt als andere Männer?
Prinzipiell gibt es ja immer noch Diskussionen, ob es ihn gibt. Aber zumindest glaubt ein Arzt, ihn nachgewiesen zu haben, an der Scheidenvorderwand, ein paar Zentimeter oberhalb der Harnröhre, wo viele Nervenzellen sind. Es liegen in diesem Bereich auch Drüsen, die angeregt werden können. G-Punkt nennt man ihn, weil der Arzt, der ihn entdeckte, Gräfenberg hieß. Wir gehen davon aus, dass er beim Sex erregend wirkt. Meine Botschaft an junge Frauen: Es ist nicht notwenig, ihn zu kennen, um ein erfülltes Sexualleben zu haben. Aber um die Ausgangsfrage zu beantworten: Ja sicher, wir Frauenärzte glauben zumindest zu wissen, wo er ist.

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