Jason Steel legt sich aufs Sofa im VICE-Büro und zeigt wie man “fickt, damit die Kamera auch alles sieht”. Ausnahmsweise ist er dabei angezogen. Dann demonstriert er mit seiner Zunge und gespreizten Fingern, wie man eine Vulva leckt, damit die Zuschauer nicht “nur Bart und Nase” sehen. 17 Jahre Erfahrung sprudeln aus ihm heraus. Früher betreute der gelernte Bankkaufmann unter seinem bürgerlichen Namen Jérôme Schmoll im Anzug Kunden – und arbeitete nebenher heimlich als Pornodarsteller. Mit 18 hatte ihn seine Ex-Freundin, ein Cam-Girl, mit ans Set zu ihrem Solo-Dreh genommen. Der Kameramann habe gefragt, ob er mitmachen wolle, sagt Jérôme: “Ich wollte Sex und habe dann meine 30 Minuten gedreht.” Dafür gab es 100 Mark und aus Jérôme Schmoll wurde Jason Steel. Mit 25 beschloss er schließlich, ganz die Branche zu wechseln, und drehte in Deutschland, Frankreich, Spanien und der Türkei.
Heute, zehn Jahre später, ist er als professioneller Darsteller fast eine Seltenheit. Immer mehr Amateure drängen auf den Markt – gut 50.000 drehen alleine in Deutschland regelmäßig Clips und stellen sie ins Netz. Für die Branche ist das bitter, im September 2016 ging mit Videorama das größte deutsche Pornolabel pleite. “Am Anfang war ich beleidigt, wenn mich eine Darstellerin nicht wiedererkannt hat, mit der ich schon mal gedreht hatte: ‘Ich habe dir die Welt um die Ohren gebumst, wie kannst du mich vergessen?’”, sagt Jason Steel. Inzwischen habe er aber selbst so viel gedreht, dass es oft andersrum passiert. Wir haben Fragen.
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VICE: Wie werde ich Pornodarsteller?
Jason Steel: Such dir eine Freundin oder Drehpartnerin, stell eine Kamera auf, lass sie mitlaufen, während du Sex hast und lade das Video im Internet hoch. Dann guckst du, was passiert. Als Mann hast du ja das Wichtigste: einen Penis. Wenn du privat mit deiner Freundin vor der Kamera Sex hast, funktioniert dein Penis fast immer. Wenn da noch zwei andere und die fremde Make-up-Tante stehen, passiert es bei 95 Prozent, dass er nicht funktioniert [Anm. d. Red.: Etwa 20 Prozent aller Männer leiden an Erektionsstörungen].
Du hast zwei Aufgaben: selber performen und die Performance der Darstellerin führen. Dass die Frau der devote Part ist, erwarten die Leute. Ich sage nicht, dass Männer Frauen begrapschen sollen, aber wir müssen aggressiver erobern, das liegt einfach in unserer Natur.
Wie viel verdienst du?
Reich wird man damit nicht, höchstens reich an Erfahrungen. Im internationalen Vergleich werden männliche Pornodarsteller in Deutschland am schlechtesten bezahlt. Wir kriegen 250 Euro pro Dreh – bei guten Sets. Bei schlechten nur 150 Euro. Manche zahlen dir auch nur 50 Euro Anfahrtskosten und sagen: “Sei froh, dass du mitmachen darfst.” Deshalb bin ich nebenbei auch noch Statist bei TV-Produktionen wie Berlin Tag und Nacht oder habe bei Feuchtgebiete mitgespielt. Eine Frau verdient 300 bis 400 Euro pro Pornodreh. Ich sehe mich immer als Beiwerk. Ein bisschen wie Prinz Philip. Die Queen macht vorne alles und Prinz Philip sorgt dafür, dass das Gesamtwerk stimmt.
So ein Dreh dauert dann für einen Profi rund drei Stunden, für einen Amateur fünf bis sechs. Du musst deinen Schwanz hochbekommen und die Story verstehen. In Deutschland mögen wir Storys in Pornos, wir haben schließlich auch Goethe und Schiller.
Nimmst du am Set Drogen?
Ich bin Dauerkiffer, seit ich 15 bin [Anm. d. Red.: Wie Kiffen sich auf die Entwicklung von Jugendlichen auswirkt, erfährst du hier], und ständig high. Gerade in den Loveparade-Zeiten zwischen 2000 und 2003 waren viele Darstellerinnen auf Kokain, Speed oder Ecstasy. Wenn du 19 bist und eine tolle Frau zu dir sagt: “Komm, wir legen uns vorm Set noch eine Line”, hast du auf einmal Koks an der Nase und beim Dreh geht gar nichts mehr. Das ist mir einmal passiert. Heute nehme ich nichts mehr.
Wie viel Viagra nimmst du?
Wenn ich mehrere Drehs habe, nehme ich es, aber wenn es nur einer ist, brauche ich kein Viagra. Viele Männer sind damit vorsichtig, weil es nicht gut für die Psyche ist. Wenn das Ding immer steht, ist es nichts Schönes, was sich ergibt, sondern einfach nur ein Schwanz, der dauernd steht. Ich werfe mir im Jahr etwa zwölf bis fünfzehn Pillen ein und habe immer eine für den Notfall dabei. Das macht jeder von uns. Wir stehen unter Leistungsdruck, da sind wir alle dazu geneigt, uns mal was reinzuballern.
Wie oft musst du aussetzen, weil dein Penis wund ist?
Manchmal. Du drehst fünf Tage und am ersten Tag beißt dir irgendeine Alte in den Penis. Dann hast du Kratzer von den Zähnen und die nächsten zwei, drei Tage an dieser lädierten Stelle Schmerzen. Bei einer krassen Wunde, die nicht zu übersehen ist, wechselt man den Darsteller. Kleinere Sachen sind kein Problem. Da wird auch nichts geschminkt. Aber ich bin froh, wenn ich nur einen Dreh am Tag habe. Das ist besser für die Quantität und Qualität des Ejakulats. Ohne Sperma ist es keine gute Szene. Es gibt Typen, die ficken, ziehen raus, spritzen ab und ficken weiter. Die sind aber sehr selten. Andere, wie ich, müssen erst eine Pause machen. Das mögen die Kameramänner aber nicht so gerne. Mich wollte mal einer am Set verprügeln, weil ich eine Pause brauchte.
Weißt du, wie dein Sperma schmeckt?
Ja. Jeder Mann, der von seiner Frau oder Freundin will, dass sie sein Sperma schluckt, sollte ein Statement zum Geschmack seines Spermas abgeben können. Es kommt immer darauf an, was man isst, man schmeckt scharfe Gewürze und süße Töne raus. Das haben mir viele Damen bestätigt. Da ich mich gesund ernähre und keine Zigaretten rauche, schmeckt meines neutral. Richtiges Qualitätssperma.
Was war die schlimmste Geschlechtskrankheit, die du je hattest?
Eine Feigwarze. Die hab ich mir privat geholt, bei einer, die da unten noch ganz andere Geschichten hatte. Erst bildete sich ein kleiner Punkt an der Seite der Eichel, am Übergang zum Schaft. Aber dann kamen rechts und links Auswüchse dazu, die hatten die Struktur eines Blumenkohls. Als einer drei Millimeter groß war, ging ich zum Arzt. Da musste ich dann vier Wochen Drehpause machen.
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Bleachst du dein Arschloch?
Ich habe schon drüber nachgedacht. Irgendwie werden die Arschlöcher dunkler mit den Jahren. Wir haben zur Venus die Porno-Partei ins Leben gerufen und einer meiner Punkte war staatlicher Zuschuss zum Bleaching für Frauen und Männer. Ich rasiere mein Arschloch aus zwei Gründen: Erstens finde ich das hygienischer und zweitens ist es für den Konsumenten auch schöner.
Hast du dich schon mal nicht korrekt gegenüber Darstellerinnen verhalten?
Nein, so etwas würde ich nicht machen. Gerade beim Thema Analsex hört der Spaß auf. Da tut mir nur die Frau leid. Analpenetration beim Mann kann toll für die Frau sein und auch für den Mann, wenn er es zulässt. Wir Männer haben so viele krasse Barrieren. Das fängt beim Finger im Po an – ein Tabuthema. Aber wir erwarten es von jeder Frau.
In der Anfangsphase als Darsteller bandelt man auch mit Drehpartnerinnen an, selbst wenn die Kamera aus ist. Das sollte nicht passieren. Wenn ein Darsteller so etwas nach zehn Jahren immer noch macht, und sich Darstellerinnen über ihn beschweren, wird er nicht mehr gebucht.
Ist dir die Vorstellung unangenehm, dass dein Kind dich später mal beim Sex sehen wird?
Ich habe ein Kind von meiner Ex-Freundin. Der ist jetzt sechs Jahre alt und natürlich wäre es mir unangenehm. Gott sei Dank habe ich vor vier Jahren jemanden getroffen, dessen Vater ein deutscher Pornostar in den 70ern war. Der Bekannte hat mir bisschen die Angst genommen und gesagt: “Es wird nicht so schlimm werden. Ich hab’s auch überlebt”.
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