10 Fragen an einen Straßendealer, die du dich niemals trauen würdest zu stellen

Wir schreiben das Jahr 2017, und Cannabis ist in Deutschland immer noch illegal. Wer also Gras rauchen will und kein Schmerzpatient ist, der muss es sich bei einem Dealer besorgen. Die Politik will es so.

Aber natürlich sind nicht alle Grasdealer gleich. Auch hier gibt es verschiedene Typen: den Stoner aus der Parallelklasse, der irgendwann anfängt, die ganze Stufe zu versorgen; der nette Hippie, der auf dem Fahrrad die Runde macht und dir biologisch angebautes Gras vom Land mitbringt; der Typ, der nur aus seiner Wohnung verkauft und dir jedesmal einen Vortrag über die neue Sorte hält, die er gerade da hat (“Snow Rider Super Skunk, rollt echt super angenehm an”). Und dann gibt es die Sorte Dealer, auf die alle anderen herabsehen, weil niemand diesen Job freiwillig machen will: die Straßendealer.

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In Berlin sind sie besonders leicht zu finden, weil jeder weiß, dass im und rund um den Görlitzer Park in Kreuzberg immer Dutzende herumstehen (die besten Artikel darüber gibt es natürlich bei uns). Die Dealer im Park sind großteils Asylbewerber aus verschiedenen afrikanischen Ländern, die keine Arbeitserlaubnis in Deutschland und auch sonst wenig Perspektiven haben. Ebou ist 26, sieht aber älter aus. Er kommt aus Nigeria und ist jetzt schon seit drei Monaten im Park. Das Gras, das er uns hastig zeigt, sieht eigentlich gar nicht so schlecht aus.

VICE: Warum dealst du?
Ebou: Ich hatte halt keine Arbeit, und da hat mir ein Freund empfohlen, hierher zu kommen. Ich muss ja irgendwie überleben, ich muss essen und einen Schlafplatz bezahlen. Für Essen brauche ich so 10 Euro am Tag, Ich habe echt überall nach Arbeit gesucht, aber ohne Arbeitserlaubnis geht gar nichts. Deshalb bin ich zum Park gekommen. Ich mache das jetzt seit drei Monaten.

Wo kriegst du das Gras her?
Ich kriege das Gras von den Arabern. Ich kaufe das Gramm von denen für 6 oder 7 Euro, und dann verkaufe ich das für 10, so um den Dreh. Also verdiene ich etwa 3, 4 Euro an jedem Gramm. Ist halt fast nichts, weil man nicht so viel am Tag verkauft. Und andere Drogen verkaufe ich nicht. Deshalb geh ich auch manchmal einfach los und suche Pfandflaschen.

Was verdienst du an einem Tag im Park?
Meistens so 20 Euro, maximum 25. Manchmal gar nichts. Ich verkaufe ja auch nicht so viel, wir verkaufen alle nicht so viel, weil wir nicht so viel dabei haben wollen. Jeder hat immer nur 4 oder 5 Gramm dabei. Wenn man zuviel dabei hat und erwischt wird, kommt man in den Knast. Wir sind schwarz und können nicht ordentlich Deutsch, wir kommen sofort in den Knast. Und Knast ist nicht gut, da wird man bekloppt. Ich kenne Jungs, die nicht mehr normal sind, seit sie daraus gekommen sind. Deshalb bin ich hier auch nicht jeden Tag, sondern nur, wenn ich eben wirklich Geld brauche. Sonst ist mir das zu gefährlich.

Weiß deine Familie, was du hier machst?
Ja, natürlich. Meine Mutter wünscht mir nur das Beste, aber sie weiß, dass ich ihr kein Geld schicken kann, weil ich gerade genug zum Essen verdiene. Mein Bruder arbeitet in England. Da würde ich auch gerne hin, aber das ist nicht leicht, wegen der Papiere.

Rauchst du manchmal dein eigenes Zeug?
Natürlich. Sonst würde ich diese Situation ja nicht aushalten.

Habt ihr manchmal Stress untereinander?
Na ja, wir wechseln uns ja ab, ich bin meistens nur ein paar Stunden am Stück hier. Aber je mehr Polizei da ist, desto weniger wird verkauft, und dann geraten die Jungs manchmal aneinander, weil jeder sein Zeug verkaufen will. Bruder, das ist kein Leben hier. Viele der Jungs haben psychische Probleme. Glaubst du, man hält das hier aus, wenn man normal ist?

Hast oft Stress mit der Polizei?
Ja, natürlich. Vor ungefähr zwei Monaten haben die mich richtig zusammengeschlagen. Ich habe nicht aufgepasst. Die anderen sind plötzlich alle weggerannt, aber ich war zu langsam und da sind acht Mann auf mich draufgesprungen. Die haben mich so getreten, dass mein Knöchel kaputt gegangen ist. Im Krankenhaus haben sie mir damit geholfen, aber seitdem habe ich Angst. Ich habe jede Sekunde Angst vor der Polizei.

Kannst du verstehen, dass die Park-Besucher manchmal Angst vor euch haben?
Natürlich! Aber eigentlich sind es vor allem die Araber, die Stress machen. Die kommen her und klauen Fahrräder oder Handys. Wir haben angefangen, die davon abzuhalten, damit die Leute keine Angst mehr haben müssen. Wir kaufen denen auch keine geklauten Handys ab. Wir klauen nicht. Wir dealen, damit wir uns Essen kaufen können. Aber wenn hier geklaut wird, dann kommt die Polizei, und die denken natürlich, dass “die N****” schuld sind. Das wollen wir nicht.

Wie fändest du es, Cannabis zu legalisieren?
Ich glaube, das wäre besser für die Deutschen. Ich meine, es rauchen ja nicht nur wir Schwarzen. Weißt du, wie viele Opas heimlich unser Zeug rauchen? Wenn es legal wäre und sie mir eine Lizenz geben, würde ich das gerne legal verkaufen. Wenn es gut angebaut ist, ist es ja auch nicht ungesund.

Aber eigentlich würde ich am liebsten kein Gras mehr verkaufen, das bin ich nicht. In Nigeria habe ich Schweißer gelernt, das würde ich gerne machen. Aber ich finde hier keine Arbeit, und schwarz zu arbeiten, ist mir zu gefährlich. Einmal hatte ich hier Arbeit, aber da haben die mir nur 3,50 Euro pro Stunde bezahlt. Das hat nur zum Schlafen, aber nicht zum Essen gereicht.

Bereust du es, nach Deutschland gekommen zu sein?
Ja, natürlich! Wer will so leben? Jeder will doch nur eine Familie und Arbeit. Aber hier haben wir keine Chance. Wenn ich das gewusst hätte, wie das Leben hier ist, wäre ich dageblieben! Ich schlafe hier im Park, manchmal auf der Straße, ich schlafe in Bars, bis sie mich rausschmeißen, ich schlafe in U-Bahn-Stationen. Wenn es Morgen wird, stehen wir schnell auf, und dann schauen wir den Leuten zu, die zur Arbeit gehen. Dieses Leben ist hart, ich schlafe zu wenig, ich habe kein Geld, meine Familie ist weit weg. Ich habe nichts.

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