Eigentlich sind Konzerte ja ein Ort der Liebe: Hunderte Menschen bezahlen Geld, um einen Musiker beim Performen ihrer Lieblingslieder zu sehen. Da wir davon ausgehen können, dass dann im Konzertsaal jeder wenigstens eine Sache gemeinsam hat—die Musik, die gerade läuft zu mögen—sollte der Abend zwar ernergetisch, aber harmonisch ablaufen. Leider gibt es immer wieder Momente, in denen die Energie im Raum bei einem Zuschauer oder Musiker eine Tür aufsprengt, die besser verschlossen geblieben wäre. Das Ergebnis ist dann später auf YouTube zu bewundern. Was wir natürlich im Dienste der Wissenscha… des Voyeurismus allzu gerne machen.
Und als wir uns so durch unzählige Video gegraben haben, in denen Musiker die professionelle Fassade wütend durchboxen, ist uns augefallen, dass man als Konzertbesucher zwei Sachen wirklich nicht tun sollte: irgendeine Scheiße auf die Bühne werfen oder die Musiker mit einem empfindungslosen Kuschelbär verwechseln. Dann könnte es ein ganz guter Abend werden.
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Afroman
Ach, Afroman. In jedem Herzen, das in eine Jamaika-Fahne gewickelt ist, wird immer ein Joint für dich brennen. „Because I Got High“ hatte damals jeden noch Schwankenden überzeugt, die Welt doch mal im grünen Lichte zu betrachten und den Stress hinter sich zu lassen. Doch das ist 14 Jahre her, was ist mit dir passiert? Was war denn da bei deinem Konzert Anfang des Jahres los? Eigentlich spielst du fröhlich wie ein junger Slash Gitarre, sehr zur Freude einer Dame, die im Takt der Musik ihren Hintern an dich reibt. Geht schlimmer. Wird es dann ja auch. Du hörst auf zu spielen, drehst dich zu ihr und schlägst sie noch aus der Drehung komplett um, sie kracht auf die Treppe und wir haben unsere Hände vor dem Mund geballt und machen diesen Gesichtsausdruck, mit dem wir eigentlich nur einen besonders widerlichen Furz würdigen. Später hast du für den Schlag entschuldigt. Du dachtest, dass das ein Typ gewesen wäre, der dich schon das ganze Konzert lang beschimpft hatte. Ach, Afroman.
Nate Newton (Converge)
Ab 02.20
Die US-Hardcore-Legenden Converge sind nicht gerade dafür bekannt, besinnliche Musik zu machen. Bei ihnen wird vielmehr all der Hass, der tief drinnen in uns allen brodelt, in Gitarrenriffs und wildem Gekeife verarbeitet. Da bleibt auch im Publikum kein Fuß ruhig auf dem Boden—Katharsis und so. Dabei kann es ja schnell passieren, das unabsichtlich jemand die umherwedelnde Faust eines Fremden abbekommt und das nicht ganz so sportlich nimmt. Was auch immer zu der Prügelei in diesem Video hier geführt hat, es erscheint nichtig im Vergleich zu dem Ausmaß, das die ganze Sache annimmt. Wie aus dem Nichts rennt plötzlich ein beleibter Typ an den Bühnenrand und tritt wild die Zuschauer. Es folgt eine kurze Pause, dann wird ein Fan von der Stage-Crew auf die Bühne gezerrt und eine Massenschlägerei bricht aus—auf der Bühne. Zweifelloser WTF-Moment: Bassist Nate Newton lässt sein Instrument im hohen Bogen auf die rangelnden Menschen niedersausen, während der Rest der Band unbeirrt den Song beendet und somit das Geschehen passend musikalisch untermalt.
Akon
Kennst du noch Akon? Ich auch nicht. Warte, muss mal kurz googeln… Ach, der Typ, der „I just had sex“ gesungen hat. Ja, das war witzig. Weniger witzig fand Akon es, als er bei einem Konzert aus der Menge von einem Plastik-Gegenstand im Gesicht getroffen wurde. Beleidigt forderte er seine Fans auf, ihm den Frevler auf das Schafott, ähm, die Bühne zu bringen. Als der arme Junge endlich dort hingebracht wurde, packte Akon ihn und warf ihn wieder in die Menge, wo dessen Schuhe noch zwei weitere völlig unbeteiligte Fans mitrissen. Akons Zorn ist scheinbar genauso ziellos wie sein Sexleben.
Schwesta Ewa
Schwesta Ewa weiß viel besser, wie man mit Leuten umgeht, die mit Sachen rumschmeißen. Ihr ist nämlich vollkommen bewusst, dass es genügend Idioten in den Konzertreihen gibt, die nur darauf lauern, etwas auf den performenden Rapper zu werfen. Daher ist ihr Versuch, das mit einer beherzten Ansage gleich von vornherein zu unterbinden, eigentlich ganz clever. Weniger clever ist jedoch ein Zuschauer, der sich ihre Worte zu Herzen nimmt und sie prompt mit einem Plastik-Becher bewirft. Ziemlich dumm, aber immerhin ehrlich. Ewa weiß diese Geste aber überhaupt nicht zu schätzen und schlägt den „Fan“ gut hörbar mit dem Mikro. Schwesta Ewa-Regel Nummer eins: Wenn dich das Leben mal mit Plastik bewirft, haust du ihm dafür einfach in die Fresse.
Fat Mike (NOFX)
Fat Mike ist 48 Jahre alt und spielt seit 32 Jahren in der Punk-Band NOFX. Seit der Typ also zarte 16 ist, hat er seine Zeit damit verbracht, unglaublich viel zu saufen, Drogen zu nehmen und ausfällige Konzerte zu spielen. Und auch nach all dieser Zeit bringt er es fertig, aufrecht schwankend auf der Bühne zu stehen und den Fans das zu geben, was sie von einer NOFX-Show wollen: dumme Sprüche und lausig gespielte Songs. Wenn er sich dann einmal völlig unironisch hinstellt und bittet, ihn einen Abend lang in Ruhe zu lassen, weil sein Nacken kaputt ist und er höllische Schmerzen hat, dann sollte das vielleicht respektiert werden. Er zieht die Show ja immerhin trotzdem durch. Aber nein, NOFX haben ihre Fans zu gut verzogen: Keiner schert sich einen Dreck um Fat Mikes Nacken, ständig fliegen Gegenstände Richtung Mike. Als dann aber ein übereifriger Fan auf die Bühne springt, um sich ihm an den Hals zu werfen, hat Mike genug: Er tritt ihm ins Gesicht, vielleicht auch mit der Hoffnung, dass der Typ dadurch am nächsten Morgen wenigstens vergleichbare Nackenschmerzen haben wird. Wäre fair.
Action Bronson
Genügend Videos von Action Bronson beweisen, dass er nicht gerade zimperlich mit Leuten ist, die ihm auf seiner Bühne dumm kommen. Zum Beispiel, wenn Leute es für eine gute Idee halten, auf einem Action Bronson-Konzert auf die Bühne zu springen und so die Show zu stören. Da ist die Toleranzgrenze des Mr. Fuck, That’s Delicious gleich Null. Dann wird getreten, bis es ihm die Schuhe auszieht. Sein herbeieilender Support-Act Big Twins kann sich jedenfalls glücklich schätzen, dass Bronson ihn rechtzeitig erkannt hat. Fast hätte er ihn ins Publikum geworfen.
Parker Cannon (The Story So Far)
Ab 12:18
Die kalifornischen Pop-Punker The Story So Far sind eigentlich die umgänglichen Typen aus deiner Schulzeit, die immer ganz hinten saßen, in ihre Hefter unzählige Bandlogos gekritzelt haben und mit der Schlussklingel auf ihr Skateboard gestiegen sind, um irgendwo zu rollen und eine kleine Tüte zu paffen. Aber wenn es etwas gibt, was Sänger Parker Cannon absolut nicht leiden kann, sind das Fans, die sich auf die Bühne stellen, um einen Selfie zu schießen. Ist ja auch verdammt egoistisch. Obwohl seine Abneigung gegen solche Selbstdarsteller jedem Fan bekannt sein dürfte, entschloss sich ein Besucher, es dennoch zu tun—und erntete dafür einen pädagogisch wertvollen Tritt in den Rücken. Vielleicht ging es Cannon auch gar nicht darum, dass es auf seiner Bühne passierte, vielleicht tritt er auch auf der Straße jeden um, der einen Selfie machen will. Unseren Segen hätte er.
Glenn Danzig
Keine Schellen-Liste ohne Schellengesicht-Macher Glenn Danzig! Wenn Konzertbesucher in all den Jahren etwas gelernt haben, dann dass Glenn Danzig es überhaupt nicht leiden kann, wenn man seine Unheiligkeit während eines Konzerts filmt. Und während wir uns dieses Video hier anschauen und uns fragen, wer wohl den Zorn Danzigs auf sich ziehen wird, wird uns in unserer Rolle als Zuschauer immer mulmiger, weil der breite Typ da auf der Bühne UNS so böse anstarrt. Bis uns letztendlich auffällt, dass der bloße Umstand, dass wir uns gerade ein Danzig-Konzert-Video anschauen können, sich sehr verkehrt anfühlt. Und tatsächlich, kurze Zeit später wird der mutige Filmer von den umstehenden Zuschauern zur Rechenschaft gezogen—und wir sind froh, dass wir mit reinem Gewissen weiter Popcorn naschen dürfen.
Henry Rollins (Black Flag)
Lange bevor Henry Rollins der witzelnde Hardcore-Opa war, der wortgewandt Geschichten erzählt, war er Sänger einer Band namens Black Flag, die als eine der wichtigsten Pioniere des Hardcore gelten. Damals, als er noch das Mikro schwang, waren die Shows ein bisschen ruppiger, dementsprechend tolerant reagiert Rollins auch, als ihm ein Fan aus der ersten Reihe immer wieder schlägt und dabei manisch grinst. Und Rollins? Der grinst auch! Bis er irgendwann zuviel hat und zurückschlägt. Was den grinsenden Angreifer nicht davon abbringt, weiterhin zu grinsen. Und auf eine komplett schräge Art ist diese Auseinandersetzung der liebevollste Kampf, den wir je gesehen haben.
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