Auf den meisten Smartphones dieser Welt läuft Android. Entsprechend hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ihr auch diesen Artikel gerade auf einem Android-Gerät liest. Wenn ja, haltet ihr ein mächtiges Werkzeug in der Hand.
Android macht es Nutzern nicht immer einfach, sein volles Potenzial zu entfalten. Smartphone-Hersteller können das Betriebssytem nämlich nach eigenen Wünschen umgestalten oder mit zusätzlicher Software bestücken. Deshalb sehen nicht alle Android-Oberflächen gleich aus.
Videos by VICE
Folgt Motherboard auf Facebook, Instagram, Snapchat und Twitter
Während iOS-Updates recht zügig an Apple-Nutzer ausgespielt werden, erhalten Android-Nutzer eher selten Neuerungen. Obwohl es mittlerweile schon Android 8 gibt, nutzen über 70 Prozent aller Geräte im Umlauf Android 6 oder noch ältere Versionen. Darum werden wir euch Funktionen zeigen, für die man nicht gleich das neuste Gerät braucht – und mit denen ihr trotzdem nicht gerechnet hättet.
Entwicklermodus: Haargenaue Kontrolle übers Telefon
Der Entwicklermodus ist eine Art Cheat-Code fürs Telefon. Der Modus ist für normale Nutzer verborgen. Um ihn zu aktivieren, müsst ihr erst in die Einstellung gehen und dort sieben Mal auf die Schaltfläche “Build Nummer” tippen. Nur dann seht ihr die versteckten Einstellungen.
Mit dem Entwicklermodus könnt ihr eure Nutzererfahrung massiv verändern. Ihr könntet euer Telefon zum Beispiel auf Graustufen umstellen: Entwickleroptionen/Farbraum simulieren/Achromasie. Ohne Farbe verleiten zum Beispiel die App-Icons nicht so sehr zum Drauftippen. Das ist hilfreich, wenn ihr euch angewöhnen wollt, weniger Zeit am Smartphone zu verbringen. Das empfehlen zum Beispiel die Aktivisten der Kampagne “Center for Humane Technology“, die sich für einen bewussteren Umgang mit sozialen Medien einsetzen.
Im Entwicklermodus lassen sich auch die Animationen abschalten. Android verwendet immer wieder Sekundenbruchteile darauf, Fenster sanft aus- und einzublenden. Das sieht hübsch aus, kostet aber auch Zeit. Ändern könnt ihr das unter: Entwickleroptionen/Windows-Animationsgröße, Übergangs-Animationsgröße und Animator-Dauerskala. Stellt ihr dort jeweils die Animationen aus, fühlen sich neuere Android-Geräte mit hoher Rechenleistung in der Bedienung noch schneller an.
Verwandelt euer Telefon in einen Tricorder: Nie wieder verirren
Wenn ihr im Telefon die Zeichenkombination *#0*# eintippt, öffnet sich ein verborgenes Menü. Damit könnt ihr die eingebauten Sensoren des Smartphones nutzen. Unter Sensor/Light Sensor lässt sich die Beleuchtungsstärke eurer Umgebung in der Einheit Lux messen. Auf diese Weise könnt ihr zum Beispiel überprüfen, ob eine Lampe so hell ist, wie der Hersteller behauptet – oder das Smartphone als günstigen Ersatz für einen Lichtmesser beim Foto-Shooting einsetzen.
Und es gibt noch mehr Sensoren: Tippt ihr auf Sensor/Magnetic Sensor, gelangt ihr zu einem Kompass. Der hilft euch auch dann bei der Orientierung, wenn ihr mal keinen Empfang habt und auch die Karten-App nicht mehr weiter weiß.
Find: Handy verloren? Kein Problem!
Wenn das Smartphone plötzlich weg ist, müsst ihr nicht gleich Panik schieben. Übers Internet könnt ihr innerhalb von Sekunden auf das Gerät zugreifen. Dazu müsst ihr android.com/find aufrufen und euch mit dem Google-Konto anmelden, das mit dem Android-Gerät verknüpft ist. Schon seht ihr eine Karte, wo die Position des Geräts in Form einer Stecknadel angezeigt wird – zumindest wenn die GPS-Ortung eingeschaltet ist.
Im Menü könnt ihr das Gerät sperren oder sogar löschen. Das klappt natürlich nur, wenn das verlorene Handy eingeschaltet und mit dem Internet verbunden ist. Praktische Funktion: Wenn ihr das Gerät nur verlegt habt, könnt ihr es einfach einfach laut klingeln lassen. So lässt es sich schnell wieder finden.
Die komfortable Funktion birgt allerdings Risiken. Bekommen Leute Zugang zu eurem Google-Account können sie damit jederzeit euer Handy aus der Ferne orten und sogar löschen. Hier erklärt Google, wie ihr die Funktion “Mein Gerät finden” abschaltet.
Wenn ihr damit rechnet, euer Smartphone mal zu verlieren, könnt ihr auch vorsorglich eine Nachricht an einen ehrlichen Finder vorbereiten, die auf dem Sperrbildschirm angezeigt wird – beispielsweise eure E-Mail-Adresse oder eine zweite Telefonnummer. Diese Funktion findet ihr gut versteckt unter Einstellungen/Gerätesicherheit/Info- und App-Shortcut/Info über Besitzer.
Gboard: Die Tastatur als Babelfisch
Die von Google entwickelte Gboard-Tastatur bietet nicht nur eine integrierte Gif- und Emoji-Suche, sondern lässt sich auch als Übersetzungs-Tool einsetzen. Wenn auf eurem Handy eine andere Tastatur voreingestellt ist, könnt ihr Gboard aus dem Play Store herunterladen.
Das Übersetzer-Werkzeug aktiviert ihr in der Suchleiste über dem Buchstabenfeld der Tastatur. Es öffnet sich nach einem Fingertipp auf das Google-Symbol. Dort könnt ihr dann eure Wunschsprachen aussuchen. Google Translate übersetzt nun eure Tastatur-Eingaben in Echtzeit – und bewahrt euch so vor endlosem Copypaste zwischen Apps.
Berechtigungen: Mehr Speed, mehr Datenschutz, mehr Ruhe
Ab Werk haben die Apps auf den meisten Android-Geräten mehr Rechte, als euch wahrscheinlich recht ist. Wenn ihr nicht selbst aktiv werdet, dürfen Apps in der Regel Push-Benachrichtigungen schicken, viele Daten mitlesen und natürlich Rechenkapazität benutzen.
Ab Android 6 könnt ihr deswegen einzelnen Apps verbieten, bestimmte Daten auszulesen. Der Firefox-Browser möchte auf eure Kontakte zugreifen? Unter Anwendungsmanager/Firefox/Berechtigungen könnt ihr das abschalten. Leider gibt es keine Möglichkeit, die Berechtigungen von mehreren Apps auf einmal zu bearbeiten. Es dauert also etwas, diesen Check bei jeder App zu wiederholen. Doch es lohnt sich, wenn ihr Wert auf Privatsphäre legt.
Weniger bedenklich, aber nicht minder nervtötend, sind Push-Nachrichten. Fast jede App möchte euch immer wieder Nachrichten auf den Homescreen schicken. Im Untermenü “Benachrichtigungen” könnt ihr für jede App einzeln ein Push-Profil schaffen. Ihr könnt dort bestimmen, ob die App euch nie mehr oder nur zu bestimmten Anlässen benachrichtigen darf. Auch das kostet Zeit – aber es schafft ein für alle Mal Ruhe.
One-Hand-Modus: Dompteur für Riesenbildschirme
Die Bildschirme von Telefonen werden immer größer. Und das macht es umso schwieriger, sie mit nur einer Hand zu bedienen. Android bietet dafür eine Lösung.
Wer nur schnell etwas mit einer Hand tippen möchte, kann den One-Hand-Modus in der Gboard-Tastatur aktivieren. Dazu müsst ihr die virtuelle Enter-Taste unten rechts gedrückt halten. Es öffnet sich ein Menü, dort tippt ihr auf das Icon mit der Hand. Schon rückt die Tastatur nach rechts oder links und ihr könnt sie leichter erreichen.
Samsung-Nutzer haben sogar noch mehr Möglichkeiten, ihr Gerät mit nur einer Hand zu nutzen. Die Funktion lässt sich unter Einstellungen/Erweiterte Funktionen einschalten. Wer drei Mal die Home-Taste drückt, bekommt dann einen verkleinerten Bildschirm zu sehen.
YouTube Gaming: Filmt euren Bildschirm ab, zeichnet Telefonate auf
Ihr wollt eine Snapchat-Story festhalten? Oder den Klickweg zu versteckten Android-Funktionen aufzeichnen? Dann lohnt es sich, einfach den Smartphone-Bildschirm abzufilmen. Google bietet dafür sogar eine praktische App, die wohl eigentlich für etwas ganz anderes gedacht war.
Mit YouTube Gaming sollen Gamer nämlich in Echtzeit Smartphone-Spiele streamen und anderen beim Streamen zuschauen. Zugleich lassen sich aber auch Aufnahmen von anderen Aktivitäten am Bildschirm erstellen – und das könnt ihr euch zunutze machen. Die App zeichnet sogar Telefonate auf. Wenn ihr das vorhabt, seid aber vorsichtig: In Deutschland ist es strafbar, heimlich persönliche Gespräche aufzunehmen. Euer Gesprächspartner sollte zustimmen, bevor die Aufnahme losgeht.
Um mit YouTube Gaming eine Aufzeichnung zu starten, drückt das Symbol mit dem nach oben gerichteten Pfeil, wählt “Aufnahme” und klickt euch durch die Fenster. Am Ende erscheint am oberen Bildschirmrand ein Menü mit einem Aufnahme-Button. Das fertige Video könnt ihr zum Beispiel als privates Video auf YouTube hochladen und den Link weitergeben. Ansonsten liegen die Videodateien auch im Fotogalerie-Ordner “Screencasts”.
Datally und Files Go: Mehr Speicherplatz, mehr Datenvolumen
Im Jahr 2017 hat Google zwei Werkzeuge veröffentlicht, mit denen ihr die Leistung eures Smartphones verbessern könnt. Die App Datally senkt den Verbrauch eures Datenvolumens auf ein Minimum. Auf Wunsch könnt ihr damit nämlich allen Anwendungen den Zugriff aufs mobile Internet verbieten. Wenn ihr dann doch eine App öffnet, die ins Internet möchte, zum Beispiel WhatsApp, müsst ihr das in einem Popup-Fenster erst einmal erlauben.
Mit der App Files Go könnt ihr euer Gerät von Datenmüll befreien. Das Programm schaut unter anderem in Caches, entdeckt doppelte Dateien und kaum genutzte Anwendungen. Alles Unnötige lässt sich fix beseitigen. Außerdem kann Files Go auch sehr schnell ohne Internetverbindung Dateien versenden, wenn auch der Empfänger Files Go installiert hat. Die Übertragung funktioniert über einen lokalen WLAN-Hotspot und erinnert an Apples Air-Drop-Funktion.
Zwischenablage: so simpel, so gut
Ihr hantiert oft mit Textschnipseln? Dann lohnt es sich, die Möglichkeiten der Zwischenablage auszureizen. Mehr als 20 Einträge speichert sie automatisch. Aus diesem Kurzzeitgedächtnis lassen sich schnell kopierte Telefonnummern, Adressen oder Zitate hervorzaubern.
Um alle Einträge der Zwischenablage abzurufen, drückt einige Sekunden lang auf einen Bereich im Textfeld, bis ein Menüfenster erscheint. Dort steht neben “Ausschneiden” und “Kopieren” unter anderem die Option “Zwischenablage”.
IFTTT: Bringt Android kleine Aufgaben bei
Wer von all diesen Tricks noch nicht genug hat, findet in der App IFTTT den Endboss. Nach dem Prinzip “Wenn das, dann das” (If this then that) könnt ihr dem Smartphone verschiedene Aufgaben beibringen: Das Handy stumm schalten, wenn ihr auf der Arbeit seid; Notifications in einem Google Spreadsheet speichern, sobald sie eintreffen; Instagram-Bilder automatisch auf Twitter posten. Für alle Anwendungen und Nutzertypen bietet IFTTT “Rezepte”, um das Smartphone smarter zu machen.
Die kleinen IFTTT-Befehle heißen Applets. In der App könnt ihr sowohl eigene programmieren, als auch die Applets anderer Nutzer durchstöbern. Und davon gibt es hunderte.
Folgt Sebastian auf Twitter