Drogen

Warum MDMA die Lust auf Sex ins Unermessliche steigert

Kaum eine andere Droge macht so geil. Aber was wissen wir überhaupt über den chemischen Prozess und die Gefahren dahinter?
Eine Hand berührt zärtlich den Oberschenkel einer anderen Person; wir haben Expertinnen und Experten gefragt, warum die Droge MDMA die Lust auf Sex so sehr steigert
Symbolfoto: The Gender Spectrum Collection

MDMA-Konsum kann verschiedene Auswirkungen haben. Vielleicht tanzt du stundenlang . Vielleicht knirschst du deine Kiefer so lange aufeinander, bis deine Zähne auszufallen drohen. Und vielleicht hast du auf MDMA hemmungslos Sex. Eine Studie hat herausgefunden, dass MDMA bei mehr als 90 Prozent der Probandinnen und Probanden das sexuelle Verlangen und die Befriedigung gesteigert hat.

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Aber woran liegt das? Warum lässt MDMA bei manchen Menschen die Lust auf Sex durch die Decke schießen, während andere Drogen wie Ketamin eher dafür sorgen, dass man sich mental abkapselt?

"MDMA ist eine einzigartige Droge" sagt der Neurowissenschaftler Jack Lewis. MDMA erhöht die Ausschüttung von mindestens drei Neurotransmittern – nämlich Serotonin, Dopamin und Noradrenalin. Im Gegensatz zu anderen Amphetaminen stehen bei MDMA dabei aber Serotonin und Noradrenalin im Vordergrund. Und Serotonin spielt als "Glückshormon" eine große Rolle bei der Stimmung und den Emotionen. Deswegen ist man im MDMA-Rausch so euphorisch. 

Harry Sumnall forscht an der britischen John Moores University im Bereich Drogenkonsum. Er sagt, dass man sowohl körperliches als auch emotionales Vergnügen durch die von MDMA ausgelöste Serotonin-Flut intensiver und länger erlebe. Das könnte auch die Lust auf Sex steigern. "Wir nehmen angenehme Berührungen stärker wahr und haben mehr Spaß an sozialen Interaktionen", sagt Sumnall.

"Es deutet immer mehr darauf hin, dass während eines MDMA-Rausches vielleicht auch das Oxytocin-System aktiviert wird", so der Forscher weiter. Oxytocin – oft auch als "Liebeshormon" bezeichnet – spielt bei zwischenmenschlichen Bindungen eine Rolle und wird bei Umarmungen sowie Orgasmen ausgeschüttet. Da erscheint es nur logisch, dass MDMA Menschen in eine romantische und sexuelle Stimmung versetzen kann. 

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Aber nicht nur die stimmungsverändernde Wirkung von MDMA macht viele Konsumierende wuschig. Auch die Umgebung spielt eine Rolle, denn man befindet sich mit großer Wahrscheinlichkeit bei einer Party oder im Club, wo man neue Menschen kennenlernt. Wie der Neurowissenschaftler Lewis erklärt, habe MDMA einen enthemmenden Effekt. Wenn noch Alkohol dazukommt, wird die Lust auf Sex auch nicht mehr durch logisches Denken oder Impulskontrolle gekillt. Und auch nicht durch die Tatsache, dass bei Studien immer wieder bestätigt wird, dass MDMA die sexuelle Performance beeinträchtigt.

Natürlich kommt bei alldem die Frage auf, wie es dann um das Thema Einvernehmlichkeit steht. Kann man auf MDMA wirklich einvernehmlichen Sex haben? Kann man in diesem Moment die eigenen und die Grenzen anderer Menschen respektieren? Und sind das die gleichen Grenzen wie im nüchternen Zustand?

"In einer gesunden, einvernehmlichen Beziehung zwischen zwei erwachsenen Menschen fällt es leicht, 'Stop!' zu sagen. Unter Drogeneinfluss ist die Situation jedoch eine ganz andere", sagt Ruth Micallef, eine zertifizierte Therapeutin, die sich auf Traumata spezialisiert hat. "Raum, Zeit, Gedanken, Gefühle – all das wird nur noch verzerrt und durcheinander wahrgenommen." Auf MDMA irgendetwas zuzustimmen, sei dementsprechend eine klare Grauzone.

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"Wir wissen, dass sich MDMA negativ auf das Urteilsvermögen, die Planfähigkeit und die Entscheidungsfindung auswirkt", sagt Harry Sumnall. Und der Neurowissenschaftler Lewis weist darauf hin, dass MDMA zwar nicht so häufig wie andere Drogen, aber dennoch auch manchmal heimlich als Betäubungsmittel in Drinks gemischt werde.

"Wenn man Drogen nehmen will, sollte man immer überlegen, wie man das so sicher wie möglich tun kann."

Natürlich sagen viele Menschen, dass sie bewusst Sex auf MDMA hätten und diesen auch genießen würden. Es kommt immer auf die involvierten Personen, die Situation und den Kontext an. In einer aktuellen Studie zu Einvernehmlichkeit beim Sex auf Drogen gab ein Fünftel der interviewten Personen an, der MDMA-Rausch helfe im Vergleich zu anderen Drogen sogar beim Treffen von Entscheidungen. "Ich würde sagen, dass man auf Ecstasy mehr Kontrolle hat als im betrunkenen Zustand", sagte eine teilnehmende Person. "Ich finde, dass einem dann viel bewusster ist, was man tut." 

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Die Therapeutin Micallef sagt, dass – wie bei jedem Szenario, in dem Drogen vorkommen – Schadensbegrenzung sehr wichtig sei. Das gelte auch bei den möglichen Auswirkungen von MDMA auf das sexuelle Verlangen. "Wenn man Drogen nehmen will, sollte man immer überlegen, wie man das so sicher wie möglich tun kann", sagt Micallef. Dazu gehöre auch, darüber nachzudenken, wieso man die Drogen konsumieren will, wie hoch die Toleranz und Erfahrung dabei ist, wohin man dann geht, und wer einen begleitet.

Unterm Strich gilt aber: Jeder Körper und jedes Gehirn reagiert unterschiedlich auf verschiedene Substanzen. Während MDMA bei einigen Menschen also die Lust auf Sex ins Unendliche steigert, macht die Droge diesbezüglich bei anderen keinen Unterschied. Viele Leute wollen auf MDMA lieber rumsitzen und mit ihren Freunden Händchen halten, als einen One-Night-Stand zu haben.

Dazu kommt, dass MDMA nicht immer gleich aufgebaut ist. "Vielleicht ist der Stoff gestreckt. Oder es handelt sich um MDA, was sich ähnlich zusammensetzt und auch ähnlich wirkt, aber trotzdem eine andere Chemikalie ist", sagt der Neurowissenschaftler Lewis.

MDMA ist also nicht umsonst als "Liebesdroge" bekannt. Du kannst vielleicht nicht wirklich kontrollieren, ob du nach dem Konsum alle Leute aus dem Raucherbereich des Clubs knutschen und vögeln willst, aber du kannst dich zumindest vorbereiten. Hab immer Verhütungsmittel dabei, trinke immer genug Wasser und kauf deine Pillen auf keinen Fall von irgendeinem Fremden auf der Clubtoilette.

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