Hmmm, du duftest nach Scheiße


Parfümeur Geza Schoen in seiner Wohnung in Kreuzberg

Scheiße so wertvoll wie Gold? Nein, ich spreche nicht von Rocko Schamonis neuestem Coup, Scheißhaufen-Ohrringe aus dem Edelmetall zu machen. Was ich meine ist Ambra, echte Scheiße von Pottwalen, die seit Jahrhunderten in der Parfümherstellung eingesetzt wird. Weil Ambra selten und je nach Qualität sehr teuer ist, wird sie auch schwimmendes Gold genannt. Hochklassige Parfümeure mischen es gern ihren Düften bei, doch so wirklich darüber sprechen tun sie nicht, weil sie Schiss um ihr Image haben. Denn die Tiere sind geschützt und viele Menschen denken bis heute, dass die Pottwale für das Ambra extra gejagt werden (stimmt aber nicht).

Videos by VICE

Parfümeur Geza Schoen arbeitet schon seit 10 Jahren mit der Walscheiße. „Mit animalischen Produkten kriegst du eine Tiefe rein, etwas warmes und ein Stück weit auch eine Menschlichkeit—es erinnert etwas an menschliche Gerüche, die einfach sexy sind und den Duft besser machen“, sagt der Duftmischer, während wir in dem kleinen Labor in seinem schicken Kreuzberger Penthouse stehen.

Der 43-jährige ist seit über 20 Jahren Parfümeur und hat schon für zahlreiche bekannte Häuser in Buenos Aires, Singapur, London, New York und Paris gearbeitet. Irgendwann hatte er die Schnauze voll davon, für andere zu arbeiten und hat sich vor zehn Jahren selbständig gemacht. Jetzt kreiert er eigene Düfte. Gerade hat er wieder eines mit Ambra entworfen. Wie fast alle Düfte, die er erwähnt, hält er mir auch diesen gleich unter die Nase, denn Fläschchen und Duftstreifen stehen in der ganzen Wohnung. Riecht unerwartet gut. Es roch holzig frisch. 

Nur frische Ambra riecht eklig und nach Fäkalien, aber nachdem sie jahrzehntelang im Wasser getrieben und gereift ist, nimmt sie dank des Ambreins—ein Alkohol, der drin ist—den Geruch von Holz und Tabak an, so zumindest heißt es im Parfümeurjargon. Wie andere Duftstoffe wird sie extrahiert und als eine unter vielen Zutaten einem Parfüm beigemischt. Zwar gibt es auch einen synthetischen Ersatz dafür, der viel billiger ist und leichter zu beschaffen, aber das echte Zeug riecht laut Geza einfach besser. Zudem dient das Ambrein der Fixierung, um den Duft länger zu erhalten. 

Ambra ist sehr selten, weil es laut einem Bericht der Latin Amerian Journal of Aquatic Mammals (LAJAM) nur im Darm von einem von 100 Pottwalen entsteht. Pottwale fressen gern Tintenfische und Riesenkalamare. Ihre Schnäbel und Hornkiefer kann der Pottwal aber nicht verdauen und so werden die Teile in einen ekligen Klumpen eingebettet, der aussieht wie ein schwarzer Stein. Den scheißt er irgendwann aus. Früher dachte jeder, Pottwale würden das Ambra auskotzen, stimmt laut neuer Forschung aber nicht. 

„Um richtig zu reifen braucht Ambra Jahre, manchmal auch Jahrzehnte der Sonneeinstrahlung, unterschiedlicher Salzkonzentration oder unterschiedlicher Wärme des Wassers“, erklärt Geza. Irgendwann wird der Klumpen an einen Strand geschwemmt, meist in tropischen oder subtropischen Regionen, wo es die meisten Pottwale gibt. Einige Menschen haben das Abgrasen von Stränden zu ihrer Profession gemacht. Selbst wenn so ein Geschäft unbeständig ist, kann ein Fund echter Ambra dich reich machen. Laut Geza kostet ein Kilo gereinigte Ambra zwischen 30,000 und 40,000 Euro—das entspricht in etwa dem aktuellen Goldpreis

Die Neuseeländerin Adrienne Beuse gehört zu den wenigen, die Ambra suchen und damit handeln. Die Branche ist klein, man kennt sich, doch über Kunden und Preise möchte sie mir nicht allzu viel sagen. Klar, ist Geschäftsgeheimnis. Was sie verrät ist, dass sie nicht nur selber sucht, sondern auch von Findern ankauft. 

Es benötigt vieler Tests, um festzustellen, ob es echtes Ambra ist und nicht nur ein Brocken aus irgendwelchen Fetten und Paraffinen. So ist nicht jeder stinkige Klumpen, den euer Hund ausgräbt, auch echtes Ambra. „Das Stück, das dieser Mann aus England gefunden hat, hat sich als nicht echt herausgestellt“, sagt Adrienne. Da kann er einem echt Leid tun. Wenn jemand echtes Ambra findet, würde sie ihm aber einen guten Preis für etwas bezahlen, das es ja nur am Strand gefunden habe. 

Und daher tummeln sich viele Leute im Internet, die versuchen ihren Schrott an den Mann oder die Frau zu bringen. Als ich Adrienne so eine Seite zeige, erkennt sie Anbieter, die bereits versucht hätten, ihr dieses vermeintliche Ambra zu verkaufen: „Ich kenne viele davon. Wir haben denen gesagt, dass es nicht echt ist. Sie wollen es trotzdem verkaufen.“ Teilweise seien die Bilder auch von ihrer Seite geklaut, erzählt sie mir. 

Auch Geza hat ein Gläschen mit ein paar Krümeln Ambra in seiner Wohnung. Es dauert eine Weile bis er es unter den schätzungsweise tausend Fläschchen herausgekramt hat. Wirklich zur Hand haben muss er es nicht, denn die Düfte werden aus den flüssigen Essenzen zusammengemischt. Hier entstehen seine eigenen Düfte wie Escentric Molecules und The Beautiful Mind Seriesaber auch Auftragsarbeiten für die Industrie, die er als Freischaffender weiterhin annimmt. 

Sein Labor beansprucht in der großen Penthousewohnung nur wenige Quadratmeter. Die Tür, die den Raum verschließt, ist massiv und geruchsicher. Hier lagern nahezu tausend kleine Fläschchen mit den flüssigen Essenzen und winzigen Beschriftungen, die er zum Arbeiten benötigt. 

Nur drei davon sind allerdings tierischen Ursprungs. Neben Ambra verwendet Geza auch gern Castoreum (Bibergeil) und Zibet (ein Sekret aus den Analdrüsen der Zibetkatze). Frisch aus dem Riechfläschchen eine echte Zumutung, wie ich finde. Es riecht wie eine Mischung aus Oliven und Kuhdung. Doch besteht ein Parfüm aus vielen Zutaten. Offensichtlich macht auch hier die Mischung das wohlriechende Ergebnis. 

Viele Firmen weichen mittlerweile auf synthetische Stoffe aus, weil sie aus Imagegründen keine tierischen Zutaten verwenden möchten. Geza sagt dazu: „Die Firmen sind dumm und meinen sich verstecken zu müssen, wenn sie echte Ambra einsetzen. Da wurde ein Image kreiert, als sei es ein Frevel so etwas zu tun.“ Man fürchtet auch hier die Tierschützer, obwohl Pottwale dafür nicht getötet werden. Gemäß dem Washingtoner Artenschutz-Übereinkommen ist der Handel mit Pottwalprodukten zwar verboten und CITES (Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora) erhält auch immer wieder Anfragen zum Thema Exkremente geschützter Tiere. Doch ist das irgendwie eine Grauzone.

Ambrahändlerin Adrienne sieht das Problem darin, dass viele Leute heute noch glauben, dass Pottwale für das Ambra getötet werden. Laut dem LAJAM gibt es historische Belege, dass Pottwalen auch frisches Ambra entnommen wurde. Und auch Adrienne bestätigt, dass frisches Ambra zumindest einen sehr geringen Wert aufweist und es sehr wohl möglich sei, es aufzuheben, um die Qualität zu steigern.  

Die Frage bleibt, will man sich mit etwas einsprühen, in dem ein Analdrüsensekret drin ist oder Pottwalscheiße oder will ich mein Geld lieber in ein schönes billiges synthetisches Parfüm investieren. Also liebe Parfümhersteller, sagt uns lieber, was ihr da so beimischt. PETA wird euch schon nicht das Fell über die Ohren ziehen. 

Fotos von Nikita Kakowsi