Die CDU ist für mich wie ein Schweinebraten: urdeutsch, traditionell, Geschmackssache. Auf jeden Fall würde ich sie genauso wenig mit Yoga in Verbindung bringen, wie ich Zimt über einen bayerischen Braten kippen würde. Als die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) zum “Businessyoga” ins fedidwgugl-Haus lud, dem begehbaren CDU-Wahlprogramm in Berlin-Mitte, fragte ich mich deshalb: Wie zur Hölle passt das zusammen? Die logische Konsequenz: Ich musste mitmachen.
Jetzt stehen wir in der Eingangshalle, über uns pumpt ein überdimensionales CDU-Herz, darüber bröckelt der Putz von der Decke. “Google, Facebook, Airbnb: Die Welt wird heute im Sitzen revolutioniert!”, steht auf der Einladung für den heutigen Tag. Praktisch, dass wir heute Sitzyoga machen, dafür muss man nicht mal vom Schreibtisch aufstehen. Trotzdem sagt Eva Rindfleisch, Hauptgeschäftsführerin der CDA bei ihrer Begrüßungsrede: “Wir müssen stärker auf uns selber und auf unseren Rücken achten. Sitzen ist das neue Rauchen.” Außerdem lerne ich über die Menschen, um die es heute gehen soll, dass sie wenig Zeit haben und spät aus dem Büro kommen. Das sehe man besonders hier in Berlin bei den ganzen Start-ups, sagt Rindfleisch. Auf ihrer Mission, eine Art Über-Partei zu werden, in der sich wirklich jeder wiederfindet, hat sich die CDU schon das SPD-Programm einverleibt. Jetzt will sie offenbar auch noch urbane Co-Working-Space-Hustler für sich gewinnen. “Der Mittelstand der Zukunft”, sagt Rindfleisch. Und in der Vorstellung der Union geht das offenbar mit Yoga.
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Gekommen sind etwa 20 Büromenschen in ihrer Mittagspause aus allen Altersgruppen. Viele erzählen, dass sie CDU wählen oder sogar für sie arbeiten. So wie Alexandra, 21, und Flo, 19. Beide machen ein Praktikum bei der CDU-Geschäftsstelle und haben extra gefragt, ob sie in ihrer Mittagspause zum Yoga-Lunch dürfen. “Gerade im stressigen Büroalltag ist es wichtig, dass man einen Ausgleich hat”, erklärt Alexandra. Sie sagt, sie fände es gut, dass es das fedidwgugl-Haus gibt. “Die CDU zeigt, dass sie keine verkrustete Partei ist. Konservativ schließt innovativ nicht aus”, sagt sie und wirkt dabei so seriös, dass ich mich wie ein trichtersaufender 16-Jähriger fühle.
“Yoga hat fast schon einen esoterischen Ruf”, sagt Flo, trotzdem passe es zur CDU: “Konservativ zu sein, bedeutet, Werte zu pflegen, die sich bewährt haben.” Und schließlich habe auch Yoga eine lange Tradition. “Es ist etwas, das man für sich macht und nicht gegeneinander. Und weil man sich dabei auf sich selbst konzentriert, kann man sich dadurch auch wieder auf die eigenen Werte besinnen”, schlägt Flo die sehr weite Brücke zwischen indischer Kultur und deutscher Politik.
Wir setzen uns auf schwarze, rote und goldene Stühle, sphärische Klangschalenmusik summt gegen den Verkehr vor den Fenstern an. “Sollen wir ‘du’ sagen?”, fragt unsere Yogalehrerin in die Runde. Vereinzelt zögerliches Nicken. Wir rutschen an den Anfang unserer Sitzflächen, automatisch streckt sich mein Rücken. Das kennen manche hier bestimmt aus dem Knigge, denke ich. “Ihr könnt eure Schuhe ausziehen, müsst aber nicht”, sagt die Yogalehrerin. Die meisten lassen sie an.
“Versucht, mit eurer Aufmerksamkeit in eurem eigenen Körper zu bleiben. Ich weiß, im Alltag sind wir gewohnt, uns an anderen zu orientieren, jetzt müssen wir umlernen. Ihr seid die Referenz. Wie fühlt sich das für mich gerade an, was verändert sich?” Zum Einstieg lassen wir die Schultern kreisen. “Wir kreisen heute immer nur nach hinten”, sagt die Yogalehrerin. Auch wenn’s da mal knirscht im Gebälk, das sei in Ordnung. Eine schönere Metapher für Konservative hätte ich mir nicht ausdenken können.
Jetzt sollen wir die Augen schließen und spüren, wie sich “unser Leib” anfühlt. Mein Leib fühlt sich an wie eine zu lang gekochte Spaghetti. Aber die Übungen gelingen, auch ohne drei Monate lang Spagat im Ashram gemacht zu haben. Außerdem sollen wir heute alle Vorurteile fallen lassen, vor allem gegenüber uns selbst, sagt die Lehrerin: “Versucht mal für einen Moment, diese Bewertung von dem, was ihr spürt, zu lassen und einfach nur wahrzunehmen.” OK, denke ich und nehme meinen Nudelkörper wahr. “Gibt es einen Bereich, wo sich viele Anspannungen angesammelt haben?”, fragt die Trainerin mit ruhiger Stimme. “Flüchtlingsobergrenze, Ehe für Alle, Antifa”, denken vielleicht einige im Raum. “Bei vielen ist das der Schulter-Nacken-Bereich. Da fühlt es sich an, als würde man immer eine Last tragen”, sagt die Yogalehrerin. So leichtfüßig, wie die CDU zur Zeit durch den Wahlkampf hüpft, kann die Last der Leute hier gar nicht so groß sein.
Jetzt sollen wir uns nach vorne beugen, die Arme hängen lassen und den Nacken locker machen. “Ja, ja, ja, nicht nein, nein, nein”, sagt die Trainerin. Wahrscheinlich ein ungewohnter Satz für die Union, die ja selbst eigentlich nie politische Reformen will.
Es scheint aber niemanden aus dem Konzept zu bringen. Für eine weitere Übung breiten wir die Arme aus und beugen uns weit nach vorne. Falls Drake noch einen neuen Signature Move für seine kommende Bühnenshow sucht – diesen könnte ich empfehlen.
Zwischendurch sagt unsere Lehrerin immer wieder, dass wir uns über die anderen keine Gedanken machen sollen. “Was der Nachbar für Klamotten anhat oder über euch denkt, ist völlig unwichtig.” Anarchie im fedidwgugl-Haus, oder was? Am Ende der Dreiviertelstunde sollen wir uns noch mal so gemütlich wie es geht auf unsere Deutschland-Stühle lümmeln. Und eins muss man anerkennen: Trotz Endphase des Wahlkampfs tiefenentspannt zu sein, können sie, die Menschen im CDU-Haus.
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