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homophobie

Museumsdirektorin nennt Kunstwerk zu schwuler Sexualität "abartig"

Anschließend steckt sie es in eine Glasvitrine und stellt es in die hinterste Ecke.
Foto: lappingpixabay | CC0 

Farid Bang und Kollegah bekommen einen Echo, trotz antisemitischer Auschwitz-Line, und ganz Deutschland fragt sich: Hat Kunstfreiheit Grenzen? Berechtigte Frage, wenn Musiker sich rassistisch, sexistisch oder antisemitisch äußern. Komplett daneben allerdings, wenn es um die Darstellung von Homosexualität geht. Nur scheint sich das noch nicht bis Sachsen-Anhalt herumgesprochen zu haben: Dort hat eine Museumsdirektorin gerade ein Kunstwerk, das schwulen Sex thematisiert, als "abartig" bezeichnet und aus einer Ausstellung entfernt.

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Unter dem Titel "Generell frisch" stellen seit einigen Tagen 14 Künstlerinnen und Künstler am Kulturhistorischen Museum Schloss Merseburg in Sachsen-Anhalt ihre Werke aus. Darunter auch Silas Schmidt von Wymeringhausen. Die Text- und Foto-Collagen des Absolventen der Kunsthochschule Halle mit dem Titel "Cruising" beschäftigen sich unter anderem mit der künstlerischen Darstellung von Sex zwischen Männern. Katrin Heise, der Museumsdirektorin, ging das zu weit.

Zunächst habe die Direktorin seine Werke komplett aus der Ausstellung verbannen wollen, schreibt Schmidt von Wymeringhausen auf seiner Homepage. "Mehrfach, deutlich und vor verschiedenen Personen" habe sie seine Arbeit in diesem Zusammenhang als "abartig" bezeichnet. Am Tag der Ausstellung habe er schließlich zugestimmt, dass seine Collagen-Hefte nur noch in einer Glasvitrine gezeigt würden. Zwei der Hefte, die vorher zum Durchblättern an der Wand gehangen hatten, waren nun nur noch zugeschlagen zu sehen.

Daraufhin habe er, so der Künstler weiter, den Bundesverband Bildender Künstler, Mitveranstalter der Ausstellung, gebeten, die anderen Künstler und Künstlerinnen von der Zensur zu unterrichten. Das sei nicht geschehen. Stattdessen habe der stellvertretende Landrat im Saalekreis, Hartmut Handschak, in seiner Rede einen Vergleich zur Echo-Verleihung gezogen und gesagt: "Kunstfreiheit hat sehr wohl Grenzen."


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Das Wort "abartig" wird häufig von Homophoben benutzt. Laut Queer.de zum Beispiel 2009 vom katholischen Bischof Heinz Josef Algermissen, bei einer Veranstaltung mit 40 Jugendlichen zum Thema Homosexualität. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron schrieb erst im vergangenen Juni auf Facebook, wie "abartig" er die Forderung der Grünen nach der "Ehe für Alle" findet. Wenig überraschend also, dass Silas Schmidt von Wymeringhausen den Vorfall als "homophob und diskriminierend" bezeichnet und von "Zensur" spricht.

Die Museumsdirektorin Katrin Heise war für eine Stellungnahme am Freitag nicht zu erreichen. Dafür wies Kerstin Küpperbusch, die Pressesprecherin des Museums, den Vorwurf der Diskriminierung gegenüber Queer.de zurück. Es handele sich lediglich um eine Präventionsmaßnahme, "bei der der Jugendschutz im Hinblick auf die Kinder- und Jugendarbeit des Museums gewährleistet ist". Dass das Wort "abartig" gefallen sei, bestätigte sie allerdings.

Im März hatte Silas Schmidt von Wymeringhausen seine Collage übrigens schon auf der Leipziger Buchmesse ausgestellt – unzensiert.

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