Aufgrund unserer Anatomie, genauer gesagt der Tatsache, dass unsere Harnröhre ziemlich kurz ist und unsere Harnröhrenöffnung nicht allzu weit von unserem Vaginal- und Analbereich entfernt liegt, sind wir Frauen anfälliger für Blasenentzündungen als Männer. Das ist der Grund, warum viele von uns dieses Gefühl kennen, wenn der Toilettengang höllisch brennt und man permanent denkt, man müsse so dringend pinkeln wie noch nie, nur um dann festzustellen, dass nicht mehr geht als ein einziger, schmerzender Tropfen aus der Hölle.
Wie um Scheidenpilz, von dem viele Frauen betroffen sind, ranken sich auch um die Harnwegsinfektion viele Mythen. Kann man vom Sex wirklich eine Blasenentzündung bekommen—auch dann, wenn man gleich danach auf die Toilette geht? Wo kommen Blasenentzündungen überhaupt her? Hatten unsere Omas etwa Recht, als sie uns erklärten, dass wir uns wärmer anziehen und nicht auf kalten Oberflächen sitzen sollen? Und bringt es wirklich etwas, wenn man bei einer Blasenentzündung wie verrückt Cranberrys zu sich nimmt—in welcher Form auch immer? Wir haben die Urologin Dr. Dara Lazar aus Wien gebeten, uns all diese Fragen zu beantworten.
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Broadly: Was sind die möglichen Ursachen einer Blasenentzündung?
Dara Lazar: Eine gesunde Frau hat in ihrer Vagina einen sauren pH-Wert, nämlich pH 4. Ein gesunder Mann hat Ejakulat mit pH-Wert 7 bis 9, also neutral bis schwach alkalisch. Wenn man Sex hat, steigt anschließend der pH-Wert in der Scheide an. Im Normalfall macht das nichts, weil die Milchsäurebakterien das reinigen und wieder ein Gleichgewicht herstellen. Das gilt jedoch nur, wenn das Immunsystem intakt ist. Wenn man nicht ganz gesund ist, können sich in dem neuen, veränderten pH-Wert Darmbakterien vermehren und dann haben die Bakterien nicht mehr weit zur Blase. Auch wenn man Antibiotika oder hormonelle Kontrazeptiva wie die Pille einnimmt, kann das passieren. Es gibt prinzipiell aber ziemlich viele verschiedene Ursachen für Blasenentzündungen—nicht nur Geschlechtsverkehr. Ich erzähle Ihnen aus meiner Erfahrung, aus meiner Praxis: Ich habe viele Patientinnen, die ständig wiederkehrende Blasenentzündungen haben. Frauen, die sich oft nicht bewusst ernähren, zum Beispiel nicht frühstücken oder auch im Winter nur kalte Sachen essen, können häufiger eine Blasenentzündung bekommen. Auch wenn Frauen extrem dünn sind, sind sie gefährdeter, außerdem erhöhen Rauchen und Schlafmangel die Chance, auch Vitamin D-Mangel kann Entzündungen fördern.
Was ist an dem Mythos dran, dass man sich zum Beispiel durch das Sitzen auf einer kalten Bank oder ein bauchfreies Top eine Infektion holen kann?
Das ist leider kein Mythos, sondern die totale Realität. Es kann schon ausreichen, barfuß am Fliesen- oder Steinboden zu gehen. Das alles wird zwar immer wieder als Oma-Weisheit abgetan, ist aber einfach wahr.
Welche Symptome treten bei einer Infektion auf?
Bei einer Blasenentzündung kommt es zum bekannten Brennen beim Wasserlassen, zu Krämpfen in der Blase und zu Unterbauchschmerzen, es kann auch manchmal zu sichtbarem Blut im Harn kommen. Auch Fieber kann eine Begleiterscheinung sein.
Wie kann man eine Harnwegsinfektion behandeln?
Das lässt sich nicht so einfach sagen und gestaltet sich sehr individuell. Aber zu allererst: Cranberrys wirken leider oftmals keine Wunder. Man sollte sich schonen und viel schlafen, in den schlimmen Phasen gut spülen, also mehr trinken als sonst, aber nichts Kaltes. Man sollte Wärme anwenden, also zur Wärmeflasche greifen und warme Suppe essen. Oftmals muss man Antibiotika nehmen, aber jedenfalls gilt: Man muss sich das Ganze in Begleitung eines Facharztes anschauen.
Die Wärme sollte dem Körper von innen und außen zugeführt werden.
Kann man eine Blasenentzündung auch vorbeugen?
Es gibt richtig gute Impfungen. Dann gibt es ein vorbeugendes Mittel mit Kren und Kapuzinerkresse, da sind Senfölglycoside drin. Das ist auch hilfreich, wenn Frauen gleich nach dem Sex das Gefühl haben, da bahnt sich was an. Das stoppt die Bakterien beim Wachsen. Außerdem sollte man darauf achten, dass man warm angezogen ist und regelmäßig warm isst und trinkt. Man sollte sich im Intimbereich auch nicht hysterisch mit aggressiven Seifen waschen, weil man das Gefühl hat, man wäre schmutzig. Das macht nur die Abwehr kaputt. Und Frauen, die schon oft eine Blasenentzündung hatten, trinken oft extrem viel und auch im Winter mehrere Liter kaltes Wasser. Man sollte zwar schon viel trinken, aber wenn man keinen Extremsport betreibt, braucht man nicht mehr als zirka 2,5 Liter. Empfindliche Frauen sollten das außerdem in warmer Form zu sich nehmen. Die Wärme sollte dem Körper von innen und außen zugeführt werden.
Apropos „gleich nach dem Sex”: Was ist an dem Tipp dran, dass man unmittelbar nach dem Sex auf die Toilette gehen sollte, um Bakterien „rauszuspülen”?
Ich würde sagen: Es hilft und schadet nicht. Das wird zwar überall verbreitet, aber wenn man schon angegriffen und das Immunsystem angeknackst ist, reicht das alleine sicher nicht.
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Gibt es Hausmittel, die wirklich Abhilfe schaffen?
Ich empfehle immer, vor 16 Uhr einen hochwertigen grünen Tee, Ingwertee oder Goldrutentee zu trinken, die reinigen den Harntrakt sehr gut. Pflanzen wie Knoblauch oder Zwiebel sind auch immer gut für den Körper, da sie antibakteriell sind.
Kann eine Infektion langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit haben?
Wenn man die Infektion mit einem Antibiotikum behandelt, dann ist das meist nicht so eine Lappalie, wie man denkt. Man hat zwar bald das Gefühl, dass es einem wieder gut geht, aber die natürliche Bakterienflora wird durch jede Antibiotikatherapie beeinträchtigt. In einer Phase, in der man Antibiotika nehmen muss, sollte man daher auf verschiedene Dinge achten, um das Immunsystem und die Flora wieder in Ordnung zu bringen—zum Beispiel sollte man sich nicht extremer Kälte aussetzen und anschließend für eine Regeneration der angegriffenen Mikroflora sorgen. Dadurch, dass man schnell das Gefühl hat, dass man wieder gesund ist, kommen viele Frauen auch in diese Wiederholungsphasen.
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