Eine blonde Frau schaut in die Kamera
Alle Fotos: Yasmin Nickel
LGBTQ

Fünf Homosexuelle erzählen, wie Heterosexuelle sie behandeln

"Ich habe keine Lust, ständig zu erklären, dass lesbisch zu sein keine Sünde ist. Sollen sie mit ihrer Ignoranz leben. Ich wurde schon als 'Ausgeburt der Hölle' betitelt." – Emily, 22

Hannah kneift die Augen zusammen. Das liegt aber nicht an dem Rauch in der verqualmten Küche oder an dem Bier, an dem sie gerade nuckelt. Sie hat mich gefragt, wieso meine Haut so glatt sei. Tägliche Rasur, erklärte ich ihr. Nun denkt Hannah, deren Name ich geändert habe, nach, schaut immer wieder zu ihrem Freund herüber und öffnet kurz darauf den Mund: "Rasierst du dich täglich, weil du schwul bist?"

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Ein Beispiel für die unzähligen Momente, in denen ich sprachlos auf meine heterosexuellen Mitmenschen reagiere. Oft scheinen sie Homosexuelle nicht zu verstehen. Als wären wir Aliens oder eine exotische Tierart. Dabei gibt es in Deutschland über 6,1 Millionen LGBTQ-Menschen. Fünf von ihnen habe ich gefragt, wie sie sich in einer heterosexuell-dominierten Welt fühlen. Kleiner Spoiler: Könnte besser sein.

Alex, 32, schwul: "Wenn ich jemanden date, halte ich seine Hand nicht auf der Straße. Ich fühle mich unwohl mit dem Scheiß"

Alex

"Manchmal verstecke ich meine Sexualität. Zum Beispiel als ich aus beruflichen Gründen aus den USA nach Deutschland gekommen bin. Ich habe Leute nicht korrigiert, wenn sie mich nach meiner Freundin oder Frauen gefragt haben. Je länger ich in meiner Firma arbeite, desto schlimmer wurde es. Dabei habe ich einige schwule Kollegen.

Mein Boss hat mich letztens gefragt, wie lange ich noch in Deutschland bleiben würde. Er scherzte dann, dass ich einfach nur eine deutsche Frau finden müsse. Ich habe Angst, dass sich seine Meinung über mich ändern könnte. Ich mag, dass er so locker in meiner Gegenwart ist und Witze reißt. Vielleicht würde er das nicht mehr machen, wenn er wüsste, dass ich schwul bin. Allerdings ist er nicht homophob oder so.

Wenn ich jemanden date, halte ich seine Hand nicht auf der Straße. Das mache ich nicht. Ich fühle mich unwohl mit dem Scheiß. Das kann mit meiner Sexualität oder meiner Prüderie zusammenhängen. Aber mich nervt es jedes mal wieder, wenn Leute mich überzeugen wollen, dass ich es nochmal mit Frauen versuchen soll. Das habe ich und es hat nicht funktioniert."

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Siri, 39, lesbisch: "Meist kommt die Frage auf, ob wir mit Männern schlafen würden, um schwanger zu werden. So ein Blödsinn. Ein unfruchtbares Heteropaar würde man solche Dinge auch nicht fragen"

Siri

"Ich war mit Männern zusammen, bevor ich mich mit Frauen traf. Das lag unter anderem an meinem Alkoholkonsum und all den Partys, auf denen ich war. Ich lenkte mich von dem ab, was ich wollte. Hetero zu sein war und ist die Norm. Ich passte mich an. Mit Ende 20 habe ich dann endlich gemerkt, dass ich lesbisch bin.

Ich war acht Jahre mit einer Frau verheiratet. Als wir uns verlobt haben, hat ein ehemaliger Freund mir Bibel-Beispiele gegeben, aus denen hervorging, dass Frauen mit Männern zusammen sein sollten. Das war nicht cool. Heterosexuelle denken manchmal offenbar nicht nach. Nach meiner Verlobung meinte ein Arbeitskollege, mit dem ich auf Tour war, zu mir, dass er es schade findet, dass ich eine Frau heiraten wollte. Wäre ich hetero, hätte er mir gratuliert und gesagt, was für ein glücklicher Bastard mein Mann sei. Das hat mich sehr traurig und wütend gemacht.


Aus dem VICE-Netzwerk: Die letzten Lesbenbars in den USA


Das Thema Kinder ist auch so ein Ding. Meist kommt die Frage auf, ob wir mit Männern schlafen würden, um schwanger zu werden. So ein Blödsinn. Ein unfruchtbares Heteropaar würde man solche Dinge auch nicht fragen. 'Hey, schläfst du jetzt mit einem anderen Mann?' Weil wir lesbisch sind, glauben die Leute manchmal, dass sie viel zu intime Fragen stellen dürfen. Wie macht ihr das? Und so weiter. Bei einem heterosexuellen Paar würden sie nicht einmal darüber nachdenken.

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Mich nervt es, wenn Leute sagen, dass man mir nicht ansehe, dass ich lesbisch sei. 'So eine hübsche Frau könnte doch ganz einfach einen Mann bekommen'. Die tun so, als wäre es meine zweite Wahl, mit Frauen zusammen zu sein. Aber nein, es ist meine erste Wahl. Es ist wunderschön."

Marcelo, 48, schwul: "Es scheint so, als dachte meine Mutter, dass Homosexualität eine Krankheit sei"

Marcelo

"Mit 14 oder 15 habe ich gemerkt, dass ich schwul bin. Ich bin in einer Vorstadt von Washington, D.C. aufgewachsen.

Damals war schwul zu sein noch nicht so ein Ding. Meine Mutter ist sehr konservativ, sie kommt aus Guatemala. Nachdem ich mich outete, mit 17, fragte sie mich Wochen später, ob die Phase nun vorbei sei. 'Aber ich habe dich doch durchchecken lassen, als du klein warst'. Es scheint so, als dachte meine Mutter, dass Homosexualität eine Krankheit sei. Wir haben nie mehr darüber gesprochen. Ich sagte ihr, dass das ein lebenslanges Ding ist. Ich weiß nicht, ob sie dachte, dass das was Körperliches oder Mentales ist.

Mein Vater hat nur mit den Schultern gezuckt und meinte, ob ich es nicht nochmal mit einer Frau versuchen wolle. Es beeindruckte ihn aber nicht weiter.

In der schwulen Szene beobachte ich seit einiger Zeit ein großes Problem: Für uns Homosexuelle sind Orte wichtig, wo wir einfach wir sein dürfen und sicher sind. Das war in den 90er Jahren der Prenzlauer-Berg, heute ist es noch Schöneberg – schwule Wohngegenden. Allerdings werden diese Orte oft mehr und mehr von Heterosexuellen beschlagnahmt. Prenzlauer Berg hat sich stark verändert. Oder die schwule Clubszene. Ich meine, wir sind froh, wenn Heteros mit uns abhängen wollen. Nur wir brauchen auch unsere queer spaces, abseits der heterosexuellen Welt."

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Emily, 22, lesbisch: "Du hattest noch nicht den richtigen Schwanz"

Emily

"Als ich mein Coming-out als lesbische Frau hatte, hat mich keiner ernst genommen. Alle haben gesagt: 'Nein, du hast nur eine schlechte Erfahrung mit einem Typen gemacht, du bist doch nicht lesbisch' oder 'Du kannst nicht lesbisch sein, du siehst doch gar nicht lesbisch aus. Du bist zu feminin'. Viele machen aus meiner Sexualität einen Witz. Ich muss mich jeden Tag wieder outen, weil ich nicht diesem lesbischen Klischee entspreche. Eine Zeit lang habe ich versucht, maskuliner auszusehen. Ich habe Caps und Skater-Klamotten getragen. Das bin ich aber nicht.

Manchmal treffe ich betrunkene Typen auf Partys, die Sprüche bringen wie: 'Du hattest einfach noch nicht den richtigen Schwanz'. Fremde Leute glauben, dass sie mir die intimsten Fragen über mein Sexleben stellen dürfen. Wie habt ihr Sex? Benutzt ihr Sextoys? Wie funktioniert das?

In konservativen oder ländlichen Gegenden oute ich mich oft absichtlich nicht. Ich habe keine Lust, ständig zu erklären, dass lesbisch zu sein keine Sünde ist. Sollen sie mit ihrer Ignoranz leben. Ich wurde schon als 'Ausgeburt der Hölle' betitelt, auf Instagram werde ich hin und wieder angefeindet, wenn ich Bilder mit meiner Freundin poste.

Wenn es um die Arbeit geht, verstecke ich meine Sexualität manchmal. Oft möchten Leute dann nur darüber reden. Viele Männer denken sofort an Lesben-Pornos. Ich möchte aber auf der Arbeit ernst genommen werden. Als Frau hat man es schon schwer genug.

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Ich möchte von Heterosexuellen nicht hören, dass ich zu hübsch oder feminin sei, um lesbisch zu sein. 'Das ist nur eine Phase', geht auch gar nicht. Oder die Frage, wer von uns der Mann und wer die Frau ist. Verdammt nein, wir sind zwei Frauen!"

Larry, 59, schwul: "Manchmal bekomme ich Ellbogen oder Leute rufen mir irgendwas auf dem Fahrrad hinterher"

Larry

"Meine Mutter hat mich als Kind mit der Nase am Po eines anderen Jungen erwischt. Sie hat dann gesagt, dass manche Menschen das nicht richtig finden würden.

Wenn man an Schwule denkt, dann denkt man an Menschen wie mich. Ich meine, ich bin kein Macho oder so. Du kannst keinen schwulen Macho von einem Hetero-Macho unterscheiden. Ich hingegen mache aus meiner Sexualität keinen großen Deal. Was soll's.

Manchmal bekomme ich einen Ellbogen ab oder Leute rufen mir irgendwas hinterher. Das passiert aber jedem. Ich höre das nicht und ich reagiere nicht. Wenn diese Leute keine Reaktion bekommen, dann hören sie auf. Ich starte keinen Streit auf der Straße.

Immerhin werden Schwule immer mehr akzeptiert. In Moskau würde ich nicht mein buntestes Outfit anziehen, aber hier geht das."

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