Jeder, der ein kurzwellenfähiges Radio oder einen Weltempfänger hat, kann es hören. Auch im Internet gibt es einen Livestream: Mysteriöse Töne und kryptische Signale, die seit vielen Jahren auf der Kurzwellenfrequenz 4625 kHz gesendet werden. Doch was hinter den monotonen Signalen steckt, die unter dem Namen The Buzzer oder UVB-76 längst zur Legende geworden sind, ist bis heute ein Rätsel.25 mal pro Minute wiederholt sich der Ton, 24 Stunden am Tag. Selten hört man Sprachnachrichten, zweimal seit Anfang der 1970er Jahre wurde ein Musikstück gespielt. Was hat all das zu bedeuten? Stecken hinter den Signalen geheime Botschaften? Warum ist der Sender seit so vielen Jahre aktiv? Und nicht zuletzt: Von wo wird überhaupt in den Äther gesendet und wer steckt hinter den Signalen?
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Folge Motherboard auf Facebook, Instagram und SnapchatLängst hat sich eine kleine, aber treue Schar von UVB-76-Fans gefunden, die genau verfolgen, was die Frequenz sendet und die als Liebhaber mysteriöser Retrotech-Phänome über die Hintergründe der Signale spekulierten An wilden Thesen mangelt es nicht: Manche vermuten, dass die Geburt des Senders mit der Spionage des Kalten Kriegs zu tun hat, und dass es sich um einen der sagenumwobenen Zahlensender handele, die für Geheimdienst- oder Militäroperationen zur Übermittlung verschlüsselter Daten genutzt wurden.
Andere tippen auf einen sogenannten Dead Man Switch bzw. Totmannschalter—ein System, das bei kritischen technischen Systemen prüft, ob der Mensch, der die Anlage bedienen soll, noch anwesend und handlungsfähig ist und das sonst eine Notfallreaktion (wie zum Beispiel eine Notbremse bei einem fahrenden Zug) einleitet. Manche spekulieren, dass der Buzzer als militärischer Dead Man Switch eingesetzt wird, der die Funktionalität und Sicherheit einer sensiblen Armeeeinrichtung sicherstellt.Die ersten Signale von UVB-76 werden in Kurzwellenforen auf das Jahr 1976 datiert und wurden angeblich in dieser Aufnahme mitgeschnitten. Zu dieser Zeit scheint die Station in Betrieb genommen worden zu sein. Einige vermuten, sie könnte auch schon seit 1973 aktiv sein. Zu dieser Zeit begann sich auf der Frequenz 4625 kHz ein monotoner Ton in zwei-sekündigem Abstand zu wiederholen. Sein Ursprung konnte von zahlreichen Fans dank Triangulations-Messungen in einem Waldgebiet bei Powarowo, 40 km nordwestlich von Moskau, in einer alten Militärstation ausgemacht werden. Mittlerweile sind die dortigen Anlagen jedoch verfallen und werden militärisch nicht mehr genutzt—wer oder was genau die Signale in den Äther sendet, verriet die Spur auf das Militärgelände nicht.So klingt UVB-76:
Ein monotones Signal erscheint im Äther
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Das Ende des Kalten Kriegs ist erst der Anfang
Eine der bisher eigentümlichsten Sprachnachrichten ging dann am 3. November 2001 über den Äther. Laut dieser Aufzeichnung des angeblichen Gesprächs waren ein knapper Austausch in russischer Sprache zu hören: „Я — 143. Не получаю генератор." „Идёт такая работа от аппаратной." Auf deutsch: „Hier Einhundertdreiundvierzig! Ich empfange den Generator nicht." – „Das ist, was der Betriebsraum sendet!"Bei Wikipedia gibt es inzwischen eine ganze Liste aller bekannter Sprachnachrichten, die der UVB-76 je in den Äther schickte. Da diese in der Regel wie zufällige Momentaufnahmen klingen, sind sich die Kurzwellenkenner in der Annahme einig, dass die Signale nicht direkt in den Sender eingespeist werden, sondern mittels eines im Raum stehenden offenen Mikrofons aufgenommen werden.
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Das würde das gelegentlich Summen einer Maschine und zeitweiliges Rumpeln wie auch die zufälligen Hintergrundgeräusche und gesprochenen Sätze erklären, von denen die aufmerksamen Lauscher hin und wieder Zeuge werden. Somit erhalten die Signale noch einmal eine weitere unheimliche Komponente, gewähren sie uns doch einen akustischen Einblick in einen mysteriösen abgeschlossenen Raum, der vielleicht irgendwo in Russland eine unbekannte Aufgabe zu erfüllen hat.Im Jahr 2010 schien sich die Position des Senders, wie aufmerksame Zuhörer berichten, offenbar verändert zu haben. Der Grund für den scheinbaren Umzug und die neue Stationierung des Signals ist weiterhin nicht geklärt und wird in den Foren nicht beantwortet. Genauso rätselhaft wie dieser scheinbare Ortswechsel blieb lange Zeit auch die neue Quelle des Signals, welche von den Kurzwellenenthusiasten vorerst nicht lokalisiert werden konnte. „Alle Versuche einer Vermessung lieferten nur unbefriedigende Ergebnisse und die richtige Seite bei Google Earth zu finden, war wie die Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen", wird die Detektivarbeit und die wesentlich kompliziertere Triangulation auf dem Blog uvb-76.net von einem User namens Laid beschrieben.
Was geschah in Powarowo?
Wie der User Martin M kommentiert, ereignete sich der Umzug auf eher verdächtige Art und Weise und zieht durch das konspirative Vorgehen weitere Mutmaßungen nach sich: „Die Station in Powarowo wurde innerhalb weniger Tage bei Nacht und Nebel verlassen. Es gibt mehr als einen Augenzeugen, die sie bei dieser „Evakuierung" beobachtet haben." Zwei Gruppen, die nach dem Ortswechsel der Station nach Powarowo reisten, um den Ursprung des Signals zu erforschen, berichteten, wie sie neben einem mit eisigem Wasser vollgelaufenen Bunker auch ein Buch fanden, in dem zahlreiche der gesendeten Nachrichten niedergeschrieben waren.
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Diese physische Manifestation des Signals gilt vielen als bester Beleg dafür, dass UVB-76 tatsächlich vom russischen Militär betrieben wurde. Einige Mitglieder der Hobby-Forschergruppen beschrieben die nunmehr verlassene Militärstation als einen „stillen, einsamen und finsteren Ort, wie ein Labyrinth mit vielen Fluren und Räumen". Ein Redditor hielt sogar ein AMA über seinen Besuch in der verlassenen Station ab.Zur Zeit des mutmaßlichen Umzugs gab es am 7. Juni 2010 eine rund einen Tag dauernde Unterbrechung des Signals. Als der Sender wieder einsetzte, spielte er neben dem Ton auch Teile aus dem Tanz der vier kleinen Schwäne aus Tschaikowskys Ballett Schwanensee. Martin M ordnete dieses Stück gleich als ein Werk ein, das gerne im sowjetischen bzw. russischen Staatssender Voice of Russia gespielt wurde.
Signale aus dem Schwanensee
Doch die Ausschnitte aus Schwanensee sollten nicht die einzigen Eigentümlichkeiten darstellen, die im Jahr 2010 gesendet wurden. Nahezu monatlich waren seltsame Fragmente zu hören: Von einer bis neun zählende Frauenstimme, einem Fragezeichen in Morsezeichen oder scheinbar zufällig mitgeschnittenen Telefongesprächen, berichten die Hörer. Was hatte dieses akustische Chaos mit einem Mal zu bedeuten?
Am 2. September 2010 konnte man folgenden gesprochenen Satz aus dem Hintergrund des Mikrophonstandortes vernehmen, der sich möglicherweise auf einen technischen Fehler in der Station bezieht: „Sie sollten funktionieren, sind aber schwach." Eine Aufzeichnung dieses Vorfalls gibt es hier.
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