Knapp zwei Wochen nachdem wir uns selbst auf die Suche nach Koks-Treibgut in Ostfriesland gemacht hatten, hat die britische Polizei des Küstenstädtchens (Zufall!?) Eastbourne die Bevölkerung gewarnt, dass dort extrem reiner Stoff in Umlauf sei.
Unsere kurze Meldung zu dem Vorfall provozierte eine Reihe schlauer Kommentare vom Kaliber: “Was soll denn so schlecht an reinem Kokain sein?” Tja, wie es scheint, lesen viele Tastaturhelden nur die Überschrift. In dem Artikel selbst steht nämlich bereits, dass das Koks durch den höheren Reinheitsgrad auch stärker und dementsprechend gefährlicher ist. Nun, zu diesem Schluss hätte man vielleicht auch selbst kommen können, nicht?
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Für diejenigen unter euch, die gerne eine ausführlichere Erklärung hätten, haben wir mit dem Neuropharmakolgen und früheren Berater der britischen Regierung, David Nutt, darüber gesprochen, was passiert, wenn du wirklich reinen Stoff in die Finger, bzw. die Nase, bekommst.
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Die erste Line Koks
“Wenn das Kokain stark gestreckt ist oder der Konsument bereits eine Toleranz entwickelt hat, gibt es keinen oder nur einen kleinen Rausch”, erklärt Nutt. Sehr reines Koks löse “eine Welle selbstzufriedener Euphorie, gesteigerter Aufmerksamkeit, Kraft und Energie” aus. “Konsumenten fühlen sich erst euphorisch, danach extrem selbstbewusst und glücklich. Sie haben ein gesteigertes Bedürfnis zu reden, tanzen, Sex zu haben oder anderes mit der überschüssigen Energie anzustellen.”
Vielleicht kennst du noch die YouTube-Kommentare unter alten Discohits, in denen User wie HustleCruz52 nostalgisch in Erinnerungen an grob fahrlässige Mengen Discoschnee schwelgen, die sie sich reingezogen haben, bevor die US-Drogenvollzugsbehörde (DEA) eine ernstzunehmende Instanz wurde? Genau davon reden diese User.
Die zweite Line Kokain
Aufgrund der hohen Reinheit wirst du wahrscheinlich nicht schon zehn Minuten später wieder nachlegen wollen. Allerdings sei hier erwähnt: Auch wenn die positiven Effekte, wie wir sie oben beschrieben haben, irgendwie sexy und verlockend klingen, sind bei höherem Reinheitsgrad die negativen Effekte ebenfalls verstärkt: “Du wirst paranoid, impulsiv oder empfindest den plötzlichen Energieschub und den gesteigerten Herzschlag sogar als alarmierend”, erklärt Nutt.
Jetzt fühlst du dich also vielleicht nicht nur absolut fantastisch, sondern gleichzeitig auch extrem unentspannt und unwohl.
Der Rest des Abends
Hier entfaltet das Premiumkoks erst so richtig seine Wirkung. Und mit “entfaltet seine Wirkung” meine ich: erhöht das Risiko, dein Herz ernsthaft zu schädigen und/oder ganz zum Verstummen zu bringen.
“Kokain ist ein Vasokonstriktor, verengt also die Blutgefäße, und die allermeisten medizinischen Notfälle im Zusammenhang mit Kokain sind Herzprobleme”, sagt Nutt. “Je reiner das Koks, desto höher das Risiko einer Herzschädigung – und einer Überdosierung. Tatsächlich liegt die größte Gefahr von reinem Stoff mehr bei einer akuten körperlichen Schädigung als bei einer Abhängigkeit.”
Zusammengefasst: Da der Otto Normalkonsument an extrem gestreckten Stoff gewöhnt ist, ist die Gefahr einer Überdosierung mit reinem Koks bei der dritten oder vierten Line extrem hoch, vor allem, wenn die Bahnen in gleicher Menge und zeitlichem Abstand wie üblich gezogen werden.
Das Nachspiel
Hier gibt es eine semigute und eine ziemlich schlechte Nachricht. Die schlechte Nachricht ist vor allem die: Der Comedown vom Highend-Koks wird ziemlich fies.
“Wenn der Körper die Chemikalie ausscheidet, versucht das Gehirn, das chemische Gleichgewicht wiederherzustellen. Das ist das sogenannte “Runterkommen” oder der “Kater”, bei dem sich der Konsument ausgelaugt, deprimiert, griesgrämig, ängstlich oder paranoid fühlt”, erklärt Nutt. Je mehr Chemikalien ausgeschieden werden, desto mehr müssen ersetzt werden. “Manche Konsumenten haben echte Probleme damit, nicht noch mehr Kokain zu konsumieren, um den unvermeidbaren Kater hinauszuzögern”, fügt er hinzu.
Du wirst dich den nächsten Tag oder auch Tage also ziemlich beschissen fühlen. Die semigute Nachricht? “Reineres Koks würde natürlich auch weniger Verunreinigungen und Streckmittel beinhalten”, sagt Nutt hinsichtlich der möglichen Nebenwirkungen, die solche Streckmittel potentiell haben können. Allerdings spielen diese nur eine untergeordnete Rolle: “Auch wenn gesundheitliche Schäden durch Streckmittel in der Vergangenheit bereits bei Kokain und anderen Drogen – wie Blei in Marihuana und PMA in Ecstasy-Pillen – dokumentiert wurden, ist und bleibt die Kokaindosis das Hauptproblem.”
Einerseits wird das Premiumkoks also zur Folge haben, dass du dich so richtig beschissen fühlst oder sogar einen Herzkasper bekommst, aber immerhin erspart dir der Umstand, dass das Pulver nicht zur Hälfte aus Abführmitteln, Speed oder Entwurmungsmitteln besteht, dass dein Körper sich selbst auffrisst.
Wenn du unbedingt Kokain konsumieren willst, dann tu das bitte so sicher wie irgendwie möglich. Zerhacke den Stoff so fein wie möglich, benutze ein eigenes Ziehröhrchen, wechsle das Nasenloch, warte bis die Wirkung der letzten Line abgeklungen ist, bevor du wieder nachlegst und spül dir am Ende des Abends die Nase aus.