Nur weil man Kühe hasst, kann man sie doch trotzdem melken, oder? So ähnlich muss sich das wohl auch der “Reichsbürger” gedacht haben, der sich mit seinem Projekt “Selbstversorgersiedlung” beim Städtewettbewerb des Bundesministeriums für Forschung und Bildung (BMBF) beworben hat. Die Kuh ist in dem Fall der Staat und die Milch ein finanzielles Förderpaket.
Das BMBF möchte neben 50 weiteren Städten auch Dresden ganzheitlicher und nachhaltiger gestalten. Deshalb hat es einen Städtewettbewerb ins Leben gerufen, bei dem die Teilnehmer in Dresden 200.000 Euro Fördergeld für ihr Projekt erhalten können. Noch bis zum 22. Mai kann man online für die beste Idee abstimmen.
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Unter den mehr als 90 Einreichungen befindet sich auch das Projekt “Selbstversorgersiedlung”. Initiator ist Robert Köhn, berichtet die Sächsische Zeitung. Der war bis September 2016 “Vertreter der administrativen Regierung des Bundesstaats Sachsen”. Diese Gruppierung ordnet der sächsische Verfassungsschutz der Reichsbürgerszene zu. Derzeit geht der Staatsschutz in Deutschland von 15.600 aktiven Reichsbürgern aus – im Vergleich zum Januar 2017 ist das ein Anstieg von über 50 Prozent. Selbsternannte “Reichsbürger” erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als souveränen Staat an, sondern halten an den Grenzen und der Verfassung des Deutschen Kaiserreichs fest. Deswegen respektieren sie weder die herrschenden Gesetze, noch Behörden oder Gerichte. Manche Reichsbürger basteln sogar ihre eigenen Ausweise. Köhn hat seine Mitarbeit beim “Bundesstaat Sachsen” zwar 2016 auf eigenen Wunsch beendet, so steht es in dem damals aufgesetzten Schreiben, betonte darin jedoch “dem sächsischen Volk weiterhin aus anderer Position zu dienen”.
Das Projekt “Selbstversorgersiedlung” von Köhn klingt auf den ersten Blick nett. Mit dem Fördergeld sollen nach eigenen Angaben Naturgartendörfer gebaut werden, in denen “Familien und Lebensgemeinschaften je einen ganzen Hektar Land bewohnen, dort Wald, Teich, Garten, vollständige Biotope und Ökosysteme anlegen” sollen. Im Sinne der Permakultur sollen Bäume gepflanzt und Humus aufgebaut werden, damit die Bewohner sich mit Lebensmitteln, Wasser, Energie und Baumaterial selbst versorgen können.
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Problematisch ist jedoch nicht nur, dass der Initiator ein Reichsbürger ist. Hinter dem Siedlungs-Projekt steht der Verein Lebensraum. Dieser gehört der Anastasia Bewegung an, die laut infoSekta, der Schweizer Fachstelle für Sektenfragen, zum rechts-esoterischen Spektrum gehört. Anastasia begründe sich auf der teils antisemitischen Buchreihe “Die klingenden Zedern Russlands” von Wladimir Nikolaevič Megre. Ein Großteil der zentralen Figuren innerhalb der Anastasia Bewegung soll Kontakte in die “rechtsradikale, rechtsesoterische und verschwörungstheoretische Szene” haben, schreibt infoSekta.
Die Dresdner Stadtverwaltung teilte gegenüber VICE mit, sie habe vom zweifelhaften Hintergrund des Projekt-Initiators zunächst nichts gewusst. Sie sei erst durch verschiedene Medien darauf aufmerksam geworden. Dennoch sagt ein Sprecher: “Es handelt sich bei dem Wettbewerb um einen offenen Beteiligungsprozess, bei dem alle Dresdnerinnen und Dresdner aufgerufen sind und waren, sich mit ihren Projekten einzubringen.” Man prüfe aber erneut, ob Robert Köhns Vorschlag alle formalen Kriterien der Teilnahme erfülle. Momentan können Bürger und Bürgerinnen immer noch online für das zweifelhafte Projekt abstimmen – aber auch für alle anderen Teilnehmer. Die “Selbstversorgersiedlung” befindet sich derzeit auf Platz zwei im Voting. Maximal drei Projekte haben eine Chance auf Unterstützung durch das Bildungsministerium.