Tech

Forscher wollten einen tödlichen Asteroiden aufhalten – und sind gescheitert

Selbst Atomraketen brachten in der Simulation nichts. Dennoch besteht Grund zur Hoffnung.
Ein Asteroid befindet sich gefährlich nahe an der Erde, was im Falle eines nicht mehr aufzuhaltenden Einschlags zu tun wäre, haben Forschende vor Kurzem während einer Konferenz berechnet – nicht mal nukleare Sprengkörper würden mehr helfen
Symbolbild: SCIEPRO via Getty Images

Es ist das Weltuntergangs-Szenario, das alle anderen übertrumpft: Ein Asteroid ist auf Kollisionskurs mit der Erde – und es bleibt kaum Zeit, die ultimative Katastrophe zu verhindern.

Das ist nicht nur eine ausgezeichnete Grundlage für Actionfilme: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben sich vor Kurzem tatsächlich überlegt, wie wir so etwas überleben würden

Anzeige

NASA-Forschende sollten dieses Armageddon-Planspiel während einer Konferenz zur planetaren Verteidigung lösen, die von der International Academy of Astronautics organisiert wird. 

Die Asteroiden-Simulation ist eine der Hauptattraktionen der Konferenz, die alle zwei Jahre stattfindet. Aber dieses Jahr war alles anders. Erstens wurde die Veranstaltung komplett virtuell abgehalten und zweitens konnte der Asteroid diesmal selbst durch eine Atomrakete nicht aufgehalten werden.

"Das Ergebnis der Übung war, dass wir den Einschlag über uns ergehen lassen müssen", sagte Lindley Johnson, NASAs erster Leiter für den Bereich der planetaren Verteidigung. "Es war eines der herausforderndsten Szenarien, die je bei der Konferenz präsentiert wurden."


Auch bei VICE: Zu Besuch im Untergrund-Labor, das nach Dunkler Materie forscht


"Ein Ziel der Übung ist es, Krisenreaktionsteams mehr mit einzubeziehen und darüber nachzudenken, was ihre Aufgaben wären, wenn ein Asteroid irgendwo auf der Erde einschlagen würde", sagte Johnson.

Der theoretische Weltraumfelsen mit dem Namen "2021 PDC" wurde vom Center for Near-Earth Object Studies (CNEOS) in NASAs Strahlantriebslabor entwickelt. In einer Zusammenfassung wird nochmals betont, dass der Asteroid nicht wirklich existiert und keine echte Bedrohung für die Erde darstellt. 

Anzeige

Aber was wäre, wenn?

Der Anfang vom Ende ging so: Am 26. April, dem ersten Tag der Übung, erfuhren die Teilnehmenden, dass der Asteroid zwischen 35 und 700 Metern breit sei und eine fünfprozentige Chance bestehe, dass er um den 20. Oktober herum auf die Erde trifft.

Fünf Prozent klingen erstmal nach ziemlich wenig. Deshalb folgten am zweiten Tag die schlechten Nachrichten. Es gab einen imaginären Zeitsprung zum 2. Mai. Neue Beobachtungen zeigten plötzlich, dass der Asteroid mit hundertprozentiger Sicherheit in nur sechs Monaten in Europa oder Nordafrika einschlagen würde.

Die extrem kurze Vorlaufzeit machte es dem aus mehreren Hundert Menschen bestehenden Übungsteam unmöglich, rechtzeitig eine Weltraummission durchzuführen, um den Asteroiden von seiner Flugbahn abzubringen.

"Bei unserem derzeitigen technologischen Stand und der Art, wie wir solche Missionen im Weltraum durchführen, brauchen wir eine Vorbereitungszeit von mindestens zwei Jahren. Am besten wären fünf", sagte Johnson.

Am dritten Tag der Simulation folgten noch mehr schlechte Nachrichten: Inzwischen war das Szenario zum 30. Juni – dem internationalen Tag des Asteroiden – vorgerückt und nun wurde vorausgesagt, dass der Asteroid im relativ dicht besiedelten Mitteleuropa einschlagen werde.

An Tag vier hatten die Teilnehmenden nur noch eine Woche bis zum Aufprall. Deswegen diskutierten sie vor allem über Evakuierungspläne und andere Katastrophenmaßnahmen für den vorausgesagten Einschlagsbereich südlich von Prag.

Anzeige

Laut einem Bericht, der während der Übung erstellt wurde, wäre es unmöglich, den Asteroiden von seiner Flugbahn abzulenken, weil man dafür schon weit vor dem sechsmonatigen Zeitraum ein Raumfahrzeug ins All schießen müsste. Ein nuklearer Sprengkörper zur Zerstörung des Asteroiden wäre die einzige praktikable Option zur Schadensminderung. Nach einigen Berechnungen wurde diese Option für den Fall des Übungsasteroiden aber als unbrauchbar eingestuft.

Das Team empfahl deshalb die Entwicklung von Schnellstarts für Weltraumfahrzeuge.

Eine Google-Earth-Karte zeigt das errechnete betroffene Gebiet nach einem Asteroideneinschlag südlich von Prag

Dieser Bereich wäre nach dem Asteroiden-Einschlag richtig am Arsch | Bild: GOOGLE EARTH/ INTERNATIONAL ACADEMY OF ASTRONAUTICS (IAA) 2021 PLANETARY DEFENSE CONFERENCE

Trotz des düsteren Ausgangs hat die Krisenübung gezeigt, dass wir auch im Worst Case noch reagieren können – zumindest indem wir die Zerstörung und die Zahl der Todesopfer so gering wie möglich halten. 

Wenn dich das noch nicht beruhigt: Johnson und seine Kolleginnen arbeiten täglich daran, die extrem geringe Wahrscheinlichkeit eines baldigen Asteroideneinschlags auf der Erde noch weiter zu minimieren.

Im Laufe des Jahres wird die NASA zum Beispiel den "Double Asteroid Redirection Test" (DART) durchführen. Er soll das Fundament für zukünftige Versuche legen, riskante Asteroiden von ihren Flugbahnen abzulenken. 

Dazu kommt die sogenannte Near-Earth Object Surveillance Mission (NEOSM), die Mitte der 2020er Jahre starten soll. Dabei wird unser Sonnensystem auf potenziell gefährliche Asteroiden abgesucht. Solche Missionen sollen Forschenden genügend Zeit geben, sich auf eventuelle Asteroiden vorzubereiten.

"Wir besitzen die nötige Technologie, um jeglichen signifikanten Impaktor Jahre oder gar Jahrzehnte im Voraus zu entdecken", sagte Johnson. "Unser Ziel ist es auch, dass die Leute verstehen: Je eher wir sie finden, desto besser stehen unsere Chancen."

Folge VICE auf Facebook, Instagram, YouTube und Snapchat.