Die Sonne scheint und Frauen gehen mit einem übertriebenen Grinsen und hüpfenden Schritten ihrem Alltag nach. Ein Popsong mit einer Empowerment-Message untermalt die Szenen. Das ist das Muster, nach dem viele Werbespots für Periodenprodukte funktionieren. Die Periode spielt darin keine Rolle. Vielmehr geht es darum, was für eine kleine Rolle die Periode im Alltag eines menstruierenden Menschen spielt. Menstruierenden wird kommuniziert, dass die Periode etwas ist, was nicht auffallen darf. Es ist fast so, als wäre die Periode ein Laster. Was für Superheldinnen wir doch sind, wenn wir es trotz ihr durch den Tag schaffen.
Die Periode in den Medien kennt nur Verheimlichung oder Beschönigung: In der Werbung saugen Binden blaues Wasser auf. Tampons in Stockfotos sind in Glitzer getaucht. Das will die Fotografin Franziska Lange, die auch schon für VICE gearbeitet hat, mit ihrem Projekt How We Bleed ändern. Die 33-Jährige studiert Fotografie und hat sich auf Dokumentarfotografie und Fotojournalismus spezialisiert. Mit diesem Projekt, einem Teil ihrer Bachelorarbeit, bietet sie Menstruierenden eine Plattform, um gegen die Tabuisierung von Perioden anzukämpfen. Per Mail kann man ihr Fotos der eigenen Menstruation senden. Diese werden dann anonym auf einer Webseite geteilt. So entsteht ein visuelles Lexikon für ein Thema, über das nicht gerne geredet und das noch weniger gerne gezeigt wird. Wir haben mit Franziska darüber gesprochen wie das Projekt aufgenommen wurde und was sich am Diskurs rund um die Menstruation noch ändern muss.
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VICE: Warum hältst du dein Projekt gerade jetzt für wichtig?
Franziska Lange: Feministische Themen und explizit auch das Thema Menstruation haben in den Medien in den letzten Jahren nochmal Aufschwung bekommen. Die Leute haben Lust auf Menstruationsaktivismus. Aber ganz viele Frauen haben die Scham, darüber zu reden tief verinnerlicht. Mit diesem Projekt kann man sich anonym am gesellschaftlichen Diskurs beteiligen. Das Feedback, das ich bekomme, ist: “Endlich kann ich meine Menstruation zeigen und mich irgendwie beteiligen an der Diskussion. Und ich habe das Gefühl, ich tue was. Meine Menstruation kriegt einen höheren Sinn.”
Gab es für dich einen Impuls, der dich auf diese Idee gebracht hat?
Ich habe selber ein total gutes Verhältnis zu meiner Menstruation und bin immer traurig, dass diese so wenig zelebriert wird. Hier im Studium hatten wir mal die Aufgabe, ein fotografisches Tagebuch zu führen. Ich hatte in der Woche meine Tage und hab einfach meine Binde fotografiert. Das hat in der Klasse eine Diskussion ausgelöst. Einige haben gesagt: “Bah! Wie kannst du nur?” Andere haben “Yeah, cool!” gesagt oder betreten geschwiegen. Ich habe gemerkt, dass zwar über Menstruation geredet wird und es wahnsinnig viele wissenschaftliche Arbeiten dazu gibt, aber trotzdem eine visuelle Informationslücke besteht.
Kann How We Bleed diese Informationslücke schließen?
Wenn man bei der Gynäkologin sitzt, wirst du nur gefragt: “Ist es denn viel? Ist es normal?” Und dann fragt man sich: “Was ist denn normal? Was ist denn viel?” Außer Erdbeeren auf glatt gebügelten Binden und Glitzer auf weißen Tampons gibt es fast keine realistischen, dokumentarischen Bilder dazu. Mein Projekt liefert diese Bilder. Ich habe das Feedback bekommen, dass Frauen von sich dachten, dass sie stark bluten. Nachdem sie die Fotos gesehen haben, haben sie aber gemerkt: “Ich menstruiere total normal.” Eine andere Frau hat mir gesagt, dass sie überrascht war, wie stark andere Frauen bluten und dass sie erst jetzt versteht, was es für andere bedeutet, wenn die sagen, dass sie Schmerzen haben oder sich schlapp fühlen wegen der Periode. Innerhalb dieses Projekts kann man sich mit dem eigenen Körper auseinandersetzen und sich außerdem auch fragen: Warum ekele ich mich vor meiner Periode?
Sind Perioden denn eklig?
Die Periode ist das wertvollste Blut, das wir haben. Eigentlich ist es das Äquivalent zur männlichen Potenz. Wenn Männer menstruieren würden, würden sie es zeigen. Wenn man bei diesen Bildern Ekel empfindet, ist es, weil wir so geprägt worden sind. Wir müssen lernen: Menstruation ist keine Wunde und Menstruation ist kein Krieg. Wir sind so gepolt, dass wir beim Anblick von Blut erstmal an Gefahr denken. Aber diese Art von Blut bedeutet keine Gefahr. Wir müssen verstehen, dass es ein gutes Blut gibt. Das lernen wir nur, wenn Bilder der Periode als normales Motiv in der Gesellschaft verankert werden und wir uns daran gewöhnen.
Musstest du dich am Anfang des Projekts auch daran gewöhnen?
Als ich die erste Einsendung bekommen habe, hatte ich einen kleinen Schockmoment. Wenn du das erste Mal ein solch intimes, authentisches Bild siehst, das nicht deine eigene Binde oder die deiner besten Freundin ist, ist es schon einfach befremdlich. In dem Moment habe ich mich eigentlich vor mir selber geschämt, weil ich mich für einen offenen Menschen halte. Aber es hat etwas mit mir gemacht. Und dann habe ich mich gleichzeitig total gefreut, dass es bei mir ein Gefühl auslöst.
Ich habe gemerkt, dass ich gerade etwas lerne. Und mit jedem Bild, das ich bekommen habe, wurde es immer normaler. Wenn das bei mir selbst funktioniert, kann das auch bei anderen funktionieren. Mittlerweile feiere ich jedes Bild, das ich bekomme. Es ist wie ein virtuelles High five mit allen Menstruierenden.
Wie wurde das Projekt aufgenommen?
Viele wollen nicht mitmachen, weil sie sich für ihre Periode schämen. Das kann ich natürlich akzeptieren. Trotzdem ist das Feedback größtenteils gut. Es freuen sich alle darüber, dass es eine wissenschaftliche Arbeit gibt, die legitimiert, dass Perioden gezeigt werden. Von Männern habe ich auch viel gutes Feedback bekommen. Es gab Männer, die gesagt haben, dass sie das Thema eigentlich sehr interessiert, aber sie sich nicht getraut haben, nachzufragen. Einer hat gesagt: “Ich will das nicht sehen. Aber ich glaube, ich muss das jetzt mal sehen. Ihr habt ja schließlich auch keine Wahl.” Das fand ich sehr cool.
Wie soll in Zukunft mit dem Thema Periode umgegangen werden?
Ich würde mir wünschen, dass das Thema Menstruation mehr normalisiert wird. Ich will, dass offen und wertfrei darüber geredet werden kann.
Das Projekt soll auch eine Diversität anstoßen. Menstruationsblut ist nicht immer klar und hellrot und wenig, sondern Menstruationsblut ist halt auch viel und dunkel. Die Bilder müssen diverser werden. Oder die Flüssigkeit, die in der Werbung Blut darstellt, soll halt einfach mal rot sein und nicht blau. Das beste wäre natürlich, wenn in jeder Gynäkologiepraxis so ein Buch mit Periodenbildern liegt. Dann wird man gefragt: “Wie sieht es denn aus? Such mal ein Bild aus.” Damit wir wissen, wir bluten richtig. Alles ist gut. So können wir auch wertschätzen, dass der Körper toll funktioniert.