German Guns: Deutsche und ihre Waffen
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"Alle lieben ihre Waffe von Herzen"

Frank Rothe hat Deutsche mit ihren Gewehren, Pistolen, Pfeil und Bogen porträtiert. Ihm selbst wurde kotzübel, als er mit einer Magnum schoss.

Jäger, Opas, Familienväter: Der Fotograf Frank Rothe hat Deutsche mit ihren Waffen fotografiert. Er erzählt, dass manche ihre Schießeisen im Garten verbuddeln und andere ihre Laube zu Kampftempeln umbauen. Er versteht, warum manche Schießen toll finden. Er selbst würde sich aber nie eine Waffe kaufen.

VICE: Hi Frank. Du fotografierst Deutsche mit ihren Waffen. Wie bist du auf dieses Thema gekommen?
Frank Rothe: Mich hat schon immer interessiert, wie sich Porträts verändern, wenn Menschen etwas in den Händen halten. Als Porträtierter mit einer Violine kommt man nunmal anders rüber als mit einer Waffe.

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Warum geht da bei uns direkt das Kopfkino los?
Jeder kennt die ikonischen Bilder aus Amerika, wo Waffen in der Popkultur oft einen Fashion-Aspekt haben und als privates Spielzeug frei verkauft werden. Trotz der Gewaltverbrechen hat uns diese Art von HipHop-Optik extrem geprägt. Aber als ich vor Jahren in Südafrika zufällig eine Straßengang fotografierte, die bewaffnete Raubüberfälle machte, hat sich meine Sichtweise geändert. Ich wollte die Gang – professionelle Berufskriminelle – anleiten, ihre Gewehre für das Bild mehr in Szene zu setzen. Sie antworteten: "We use them only for work".

Wie hat das dein Foto verändert?
Heraus kam ein Bild gelangweilter Männer mit ihren schlaff am Arm hängenden Arbeitsmitteln. Ihre Waffe war für sie wirklich nur reines Werkzeug. Das genaue Gegenteil von dem, was wir kennen. Zuhause fragte ich mich, wie Deutsche mit solchen Mordinstrumenten posieren würden.

Und? Wie posieren Deutsche mit ihren Waffen?
Alle, die ich fotografiert habe, lieben ihre Waffen wirklich von Herzen. Ich habe die Bilder nicht inszeniert, sondern die Leute privat begleitet. So waren die Kontexte immer sehr unterschiedlich: ein Jäger mit Flinte, ein Familienvater mit Schusswaffe, eine junge Sportlerin mit Bogen. Mir war es wichtig, nicht nur die ganz typischen Schusswaffen miteinzubeziehen.

War es manchen unangenehm, ihre Waffen zu zeigen?
Ja. Zum Beispiel, weil sie diese nach dem Krieg auf irgendeinem Dachboden gefunden und seitdem heimlich hegen und pflegen. Manche erzählten, dass sie Waffen im Garten verbuddelt hätten. Keiner außer ihnen selbst wüsste, wo sie genau liegen. Man entdeckt wirklich viele skurrile Dinge, wenn man mit solch einem Thema anfängt.

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Was war denn das Skurrilste?
Ein Kampfkünstler, der seit 40 Jahren in entsprechender Kostümierung regelmäßig mit seinem Schwert trainiert. Ich traf diesen ostdeutschen alten Mann in seinem Schrebergarten. Seine Laube hatte er komplett zum Dojo- und Zen-Tempel auf 30 Quadratmetern ausgebaut, bestückt mit allen fernöstlichen Stich- und Hiebwaffen, die man sich nur vorstellen kann. Er hat mir zum Beispiel seine Wurfsterne vorgeführt. Ich war wirklich beeindruckt, wie gut er alles bedienen konnte. Er war ein ganz normaler Typ, der weder im Fernsehen herumgereicht wird noch irgendwie vorhatte, damit Eindruck zu schinden geschweige denn Schaden anzurichten. Er hat es einfach gelebt und geliebt.

German Guns Frank Rothe
German Guns Frank Rothe

Wie hast du deine Protagonisten gefunden?
Meine erste Recherche war im Kreuzberger Milieu, da habe ich früher schon Reportagen über Gangs gemacht. Ich habe also erst einmal meine alten Kontakte angerufen.

Ich hatte noch ein paar ihrer Geschichten im Hinterkopf, etwa: dass manche Waffen in die Zwischenwände ihrer Bars gemauert haben sollen, die sie bei Bedarf rausbrechen können. Ob das stimmt, weiß ich allerdings nicht. Außerdem musste ich mir ziemlich viel Zeit nehmen.

Warum?
Ich habe schnell gemerkt, dass die Kombination "Deutsche und ihre Waffen" eine wahnsinnige politische Dimension hat.

Du meinst die Assoziation: Deutsch + Waffe = Krieg?
Ja. Aber die Protagonisten haben sich nicht als "Deutsche mit ihren Waffen" gesehen, sondern als "Menschen mit ihren Waffen". Sie haben überhaupt nicht darüber nachgedacht, ob sie als Deutsche anders auf den Bildern rüberkommen. Spannend war, was nachher alles von Außen in die Fotos hineininterpretiert wurde.

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German Guns Frank Rothe

Zum Beispiel?
Manche fragten sich: Kann man solche Bilder überhaupt zeigen? Ich stimme nicht mit allen Interpretationen überein. Etwa, dass jeder Deutsche mit einer Waffe in der Hand sofort einen Zweiter-Weltkrieg-Bezug bekommt. Auf der anderen Seite freut man sich als Künstler natürlich, wenn die eigene Arbeit polarisiert.

Besitzt du selbst eine Waffe?
Nein, aber ich kann gut schießen. Mein Großvater hat es mir mit seinem Luftgewehr beigebracht. Neulich habe ich auf dem Rummel mit meiner Tochter am Schießstand ein paar Rosen geschossen. Ich hatte zuvor jahrelang kein Gewehr mehr in der Hand. Es hat mir tatsächlich so viel Spaß gemacht, dass ich überlegt habe, mir ein Luftgewehr zuzulegen. Es ist eine tolle Konzentrationsübung: im Wald stehen, Einatmen, Ausatmen, die Zielscheibe fokussieren. Aber meine Familie hat es mir direkt verboten. Eine echte Waffe käme für mich also nie in Frage.

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Warum?
In Thailand hatte ich bei einem Fashion-Shoot mal die Möglichkeit, mit einer Magnum zu schießen. Mir war danach kotzübel – von dieser Wucht der Zerstörung, von dieser mörderischen, brutalen Kraft. Das hatte ich so nicht erwartet und das möchte ich auf keinen Fall nochmal machen.

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Mehr von Frank Rothe findet man auf seiner Website: www.frankrothe.com

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