Drogen

Staatsanwaltschaft will, dass Richter Andreas Müller nicht mehr über Cannabis urteilt

Der Jugendrichter Andreas Müller gegen den die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) einen Befangenheitsantrag gestellt hat, sitzt auf einer roten Couch

Andreas Müller ist als Jugendrichter mindestens genauso bekannt wie als Gegner des Cannabis-Verbots. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) einen Befangenheitsantrag gegen ihn gestellt. Sollte dieser Erfolg haben, könnte Müller in Zukunft in vielen Cannabis-Prozessen kein Urteil mehr sprechen.

Mit dem Befangenheitsantrag formuliert die Staatsanwaltschaft ihre Zweifel an Andreas Müllers Neutralität. In dem konkreten Verfahren am Amtsgericht Bernau werde einem Heranwachsenden unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln vorgeworfen, es geht um 28,4 Gramm Cannabis. Das bestätigte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) gegenüber VICE. 

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Andreas Müller hatte beantragt, das Verfahren auszusetzen, bis die Verfassungsmäßigkeit des Verbots von Cannabis geprüft worden sei. Damit hatte er sich im Oktober 2019 in einem sogenannten Normenkontrollantrag an das Bundesverfassungsgericht gewandt. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) habe nun laut der Sprecherin das Verfahren um die 28,4 Gramm und Müllers vergangene Äußerungen, insbesondere in seinem Buch Kiffen und Kriminalität: Der Jugendrichter zieht Bilanz zum Anlass genommen, am 12. November 2020 einen Befangenheitsantrag gegen Müller zu stellen. Sollte dieser Erfolg haben, müsste Müller sich aus diesem konkreten Fall zurückziehen.

“Wir haben uns aufgrund einer Gesamtschau dieser Publikation und seiner Äußerungen in den Medien dazu entschieden, die Besorgnis der Befangenheit anzunehmen. Wir gehen davon aus, dass er sich unverrückbar endgültig festgelegt hat und unabhängig von diesem Normenkontrollantrag nicht mehr zu einer Verurteilung kommen kann”, sagte Ricarda Böhme, Staatsanwältin und stellvertretende Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder). Der Verdacht, dass Müller beim Thema Cannabis nicht neutral sei, beziehe sich ausdrücklich nicht auf dessen Normenkontrollantrag an das Bundesverfassungsgericht. Die zeitliche Überschneidung sei vielmehr durch einen längeren Entscheidungsfindungsprozess zu erklären, der den zuständigen Abteilungsleiter bei der Staatsanwaltschaft dazu gebracht habe, das alles noch mal in der Gesamtheit zu beleuchten.

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Bis wann über den Fall entschieden wird, konnte ein Sprecher des Amtsgerichts Bernau nicht sagen. Feste Fristen gebe es hier nicht, es werde aber in der Regel zügig entschieden.

Sollte der Befangenheitsantrag Erfolg haben, wird sich das weder auf Andreas Müllers Normenkontrollantrag ans Verfassungsgericht auswirken noch auf andere zurückliegende Fälle – aber auf alle vergleichbaren Fälle in der Zukunft. Hier müsse man konsequenterweise dann ebenfalls davon ausgehen, dass Müller in der Sache nicht neutral sei, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft.

Andreas Müller selbst darf sich zu dem laufenden Verfahren nicht öffentlich äußern. In seinem Buch, aber auch bei vielen öffentlichen Auftritten, bekräftigte er immer wieder, dass er das Verbot von Cannabis für gescheitert, ja sogar für verfassungswidrig hält: “Weil das Cannabisverbot in unsere Grundrechte eingreift. In das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die allgemeinen Freiheitsrechte. Und es verstößt gegen Artikel 3 des Grundgesetzes: den Gleichheitsgrundsatz.” Das sagte Müller in einem früheren Interview mit VICE.

Wegen solcher Äußerungen überrascht es wenig, dass die Staatsanwaltschaft irgendwann darauf kommt, Müller könnte in dieser Sache nicht ganz neutral sein. Viel überraschender ist, dass sie den unliebsamen Richter erst jetzt attackiert. Wäre es andersrum und Müller würde sich öffentlich gegen Cannabis aussprechen, hätten ihn Rechtsanwälte, deren Mandanten wegen kleiner Mengen Cannabis vor Gericht landen, wohl schon längst mit Befangenheitsanträgen überzogen. Der Befangenheitsantrag könnte so zum Testballon für die Staatsanwaltschaft werden. Hat er Erfolg, könnte man Müllers Glaubwürdigkeit so auch in anderen Fällen anzweifeln.

All das könnte den Legalisierungsbefürwortern aber mehr dienen als schaden, ein Effekt, den die Staatsanwaltschaft sicher nicht beabsichtigt. Wenn sie Andreas Müller nicht mehr über Cannabis-Fälle urteilen lässt, gibt sie ihm nicht nur einen Grund, sich noch viel mehr in den Aktivismus zu stürzen. Sondern sie macht ihn womöglich für viele seiner Anhänger noch mehr zum Helden.

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