UPDATE, 20.10.15: Ja. Vier neue Folgen. Yes.
2014 waren neue TV Serien wie True Detektive, The Leftovers als auch bewährte Favourites wie Walking Dead oder Orange Is The New Black das heißeste Thema in der Büro-Kaffeeküche. Vielleicht wart ihr deshalb ja überrascht, dass Gilmore Girls plötzlich wieder am Pop-Kultur Radar aufgetaucht ist. Während die englischsprechende, Internet besitzende Bevölkerung erst letztes Jahr von Gott das Geschenk erhielt, sich die Serie portionsweise auf Netflix anzusehen, läuft sie im deutschen Fernsehen immer wieder mal. Bye Bye Produktivität.
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Ihr denkt ich mache Witze? Ihr denkt falsch. Ich möchte klarstellen, dass ich der Meinung bin, dass Gilmore Girls die beste verdammte Show ist, die jemals auf meiner Mattscheibe flimmerte. Während Nerds sich mit Bilbo, Bifur, Bofur, Balin und irgendwelchen menschenfressenden Trollen in Mittelerde verirren, flüchtete ich mit Lorelai und ihrer Tochter Rory Gilmore nach Stars Hollow. Nachdem ich mir die ganzen hormongesteuerten, mit Popkultur gefüllten Eskapaden zum zweiten Mal in ihrer Gesamtheit angesehen habe, fühle ich mich kein bisschen in Verlegenheit gebracht—wie es mir als Teenager manchmal passiert ist.
Lorelai Gilmore stammt aus einer „guten“ Familie, die haufenweise Geld hat und in der sozialer Status eine große Rolle spielt. Zum Ärgernis ihrer Eltern beschließt die 16-jährige, schwangere Lorelai dem verschwenderischen Lifestyle der Gilmores den Rücken zu kehren um ihre Tochter alleine in einem heruntergekommenen Zimmer in einem Lokal großzuziehen. Nachdem Lorelai einen Job als Dienstmädchen annimmtt und ihr Kind in dieser Baracke großzieht, kann sie nach einer Reihe von Beförderungen in ein größeres Haus umsiedeln.
Auch wenn es im Leben der beiden Mädchen oft zur Diskussion stand, ist es nur einmal vorgekommen, dass Rory ihrer Großmutter Emily die Baracke zeigt, in der sie aufgewachsen ist—was Emily zu Tränen rührte, weil sie Ers dadurch verstanden hat wie dringend Lorelai tatsächlich von zu hause flüchten wollte. Die Zuseher können erkennen, dass Lorelai ein unfassbar liebevolles und stabiles Umfeld für ihre Tochter geschaffen hat, um Vorkommnisse zu vermeiden, wie man sie aus Teenager werden Mütter kennt. Lorelai hat Rorys Leben mit wunderbaren, geschmackvollen Kulturgut, seien es Filme, Musik oder Bücher—gefüllt.
Über die gesamte Show hinweg bezieht sich das Duo auf verschiedenste Künstler. Das ganze ist so ein wichtiger Bestandteil ist, dass die Schreiber der Show ein eigenes Booklet kreiert haben, das den „Gilmore-ismus“ erklärt. Als Rory ihren Abschluss in der High School macht, dankt sie ihrer Mutter für ihre Lebensweisheiten: „Meine Mutter hat mir nie das Gefühl gegeben, dass ich nicht machen konnte was ich wollte, oder sein konnte wer auch immer ich sein wollte. Ihr Haus war voller Liebe und Spaß, voller Bücher und voller Musik. Ihre Bemühungen mir Idole wie Jane Austen, Eudora Welty oder Patti Smith nahezulegen waren unermüdlich. Ich weiß nicht ob sie in den letzten 18 Jahren, die sie mich nun durchs Leben führt,jemals realisiert hat, dass der Mensch, der ich am meisten sein wollte, sie war.“
Rory liebt Musik. Rückblickend fällt es einem schwer ihren Leder-Jeans-Patchwork-Hoodie zu lieben, aber hey, es waren die frühen Nullerjahre.
Das Wunderbare an den Gilmore Girls ist, dass irgendwie alles Lorelais Kreation ist. Schon klar, eigentlich entstammt es den Ideen der Schöpferin und Autorin der Show, Amy Sherman-Palladino, aber habt ein bisschen Geduld mit mir: Als Lorelai entschlossen hat aus einem Leben voller Debütantenbälle und exzessiver Opulenz zu flüchten, hat sie sich eine eine eigene, ganz neue Welt in Stars Hollow erschaffen. Dort haben sie und ihre Tochter neue Freunde und Familie gefunden und sich ein Leben kreiert, dass sich vom Schrecken und Stress der Welt ziemlich unberührt zeigt. Man könnte zwar die emotionalen Schwierigkeiten der Girls bekritteln, aber sie würden niemals ein Geschehnis wie 9/11 erwähnen, das im ersten Jahr der Dreharbeiten passiert ist. Die Zwei haben sich in ihrer eigenen verschneiten, Kaffee-gefüllten Welt und einer vier Stunden Woche versteckt—dort wäre man manchmal gerne mit ihnen.
So wie Rory es in ihrer Abschlussrede getan hat, muss ich dem Mutter-Tochter Paar dafür danken, dass sie auch nur den kleinsten Teil ihres kulturellen Wissens mit mir geteilt haben. Gemeinsam mit den größten Filmen der Filmgeschichte ist Musik und die ständige Gegenwart von Musik ein ausschlaggebender Teil der Story, der Entwicklung der Charaktäre, und natürlich bringt die Verschmelzung von Musik und dem Bewegbild Emotionen hervor. Die Musik der Serie hat für mich, seitdem ich mir mit zehn die Premiere gesehen habe, bis zum Ende eine große Rolle gespielt. Hier sind meine musikalischen Highlights des Gilmore Girls-Marathons.
CAROLE KING UND SAM PHILLIPS
Amy Sherman-Palladino und ihr Ehemann wollten beide, dass die Show ihren eigenen Sound hat und haben deshalb einen besonderen Wert auf den Titelsong und die Musik in der Serie selbst gelegt. Carole King hat sogar gemeinsam mit ihrer Tochter Louise Koffein eine Neuaufnahme ihres 1971 erschienenen Tracks „Where You Lead“ gemacht. Der Song blieb über alle sieben Staffeln der Titelsong und King selbst hatte sogar einen kurzen Gastauftritt.
Singer/Songwriter Sam Philips hat all die berühmten und typischen “la las“ geschrieben, die einen großen Teil des Soundtracks der Show ausmachen (hör sie dir hier an, wenn du nicht weißt wovon wir reden). In einem Interview vor einigen Jahren sagte Sherman-Palladino: „Die Sache bei Sams Musik ist, dass sie klingt als würde sie aus den Köpfen der Mädchen kommen. Es fühlte sich sehr authentisch an … Ich weiß nicht wie die anderen darüber denken und ich scheiß auf die anderen, aber für mich war es wie eine Erweiterung ihrer Gedanken. Und wenn während einem gewissen emotionalen Moment in ihrem Leben Musik in ihren Köpfen wäre, wenn sie reale Menschen wären, wäre das die Musik, die abgehen würde. Und ich glaube, das ist was die Show ausgemacht hat.
Ihr könntet jetzt annehmen, dass diese weichgespülten „la las“ die Hauptdarsteller dumm aussehen lassen, wenn man sie als Spiegelung ihrer inneren Gedanken hernimmt. Aber eigentlich stellen sie die Leichtigkeit der Gedanken der Figuren, während sie durch den Ort spazieren, ganz gut dar. Als ich durch die Show King kennen gelernt habe, bekam ich richtige Lust auf 60s, die mich dann irgendwann zu dem 96er Woodstock geleitet hat, wo sich alles um freie Liebe, fantastische Musik und Schönheit gedreht hat. Phillips wiederum hat mir beigebracht, mehr auf Film und TV-Scores zu achten und subtile akustische Elemente besser zu verstehen als offensichtliche Soundtracks.
EIN VIELSEITIGER MUSIKGESCHMACK IST COOL
Als Rory in Chilton landet—der versnobte Privatschule, in der sie vier Jahre aushalten muss um in ihr Traumcollege Harvard zu kommen—hat sie Probleme, Freunde zu finden. Vielleicht ist „Probleme“ das falsche Wort, da sie sich in ihrer Isolation mit ihren Büchern, Musik und mickrig aussehenden Sandwiches ganz wohl zu fühlen scheint. In einer dieser Szenen sieht man Rory alleine in der Cafeteria, wo sie sich „Know Your Onion!“ von den Shins anhört. Das war Jahre bevor Garden State der Band zu kommerziellen Ruhm verholfen hat, deshalb bekommt Rory fette Kudos die Band schon so früh zu kennen.
Grundsätzlich kann man sagen, dass Rorys Musikgeschmack einen Tick fresher ist als der ihrer Mutter. Im Laufe der Serie zeigt sie abwechselnd ihre Bewunderung für Sonic Youth, Franz Ferdinand und Belle and Sebastian. Lorelai konzentriert sich mehr auf ihre Bands der 80er, der Zeit, als sie selbst gerade ein Teenager wurde. Ihre Liste beinhaltet XTC, die Go-Gos und die Bangles, zu deren Konzert in New York Rory sie von einer Klassenkameradin von Lorelai und deren bester Freundin Sockie (Melissa freaking McCarthy) mitgenommen werden. Einige anderen meiner Favoriten, die in der Show erwähnt werden, sind Nenas „99 Luftballons“, Wilcos „My Darling“ und Modest Mouses „Tiny Cities Made of Ashes.“ Alles in allem waren die Girls schon ziemlich Hipster bevor die Hipster Y2K aus einem Flanell-gesäumten Geburtskanal aufgetaucht sind.
BJÖRK ALS SCHNEEMANN(FRAU)
Der Musikgeschmack der Gilmores war zwar oft gefühlvoll und leidenschaftlich, doch wenn es um ihre Lieblingskünstler ging zeigten die Girls immer wieder, wie breitgefächtert sie aufgestellt waren. In der zweiten Staffel nahm Lorelei den Heiratsantrag von Max an, und wurde zusehend zu einer erfüllteren Version von ihr selbst, die es beinahe schafft, die Probleme als alleinerziehende Mutter hinter sich zu lassen, auf denen die Serie ja eigentlich basiert. Gleichzeitig zieht Rory weiter mit mit dem Schönling der Stadt, Dean, um die Häuser. Ihre Beziehung ist denkbar schuckelig und harmlos, und Rory sieht aus, als würde sie Neutrogena-Werbung machen, die an katholische Schulmädchen gerichtet ist. Natürlich lässt Sherman-Palladino das Drama dann doch noch nicht sterben, und die Girls sind letztendlich nicht sicher, ob sie wirklich wissen, was sie liebestechnisch eigentlich wollen.
Die zehnte Folge der Staffel beginnt mit Lorelei und Rory, die den idyllischen Winter ihrer Stadt genießen indem sie an einem Schneemann-Wettbauen teilnehmen. Erstaunlicherweise bauen die Girls einen Schneemann, der ausseht wie Björk. Irgendein Arsch will angebend und motzt seinen Schneemann auf, und die Gilmores können nur noch hoffen, dass die Juroren Erbarmen mit ihrer viel bescheideneren Schnee-Björk haben, der am Ende auch noch der Kopf abfällt. Während die Kombination von Schnee und Island (Björns Heimatland) ziemlich logisch erscheint, kommt ihre Vorliebe für die exzentrische Sängerin doch ziemlich überraschend.
Die Folge endet damit dass Rory und Lorelei in einem Pferdeschlitten nach hause fahren, während im Hintergrund Björks „Human Behaviour“ läuft. Obwohl ich langsam aber sicher vergesse wie das Internet Anfang der Nullerjahre aussah und was es eigentlich konnte, kann ich euch versichern, dass ich damals auf irgendeinen Youtube-Vorgänger gesurft bin um mir den Song nochmals anzuhören.
KORN = GRUSLIG
Lorelai „Trix“ Gilmore“, von Fans oft auch „Die Dritte Lorelai“ genannt, tritt in Episode 18 auf den Plan und macht schon alleine damit alles schwieriger, dass sie eine weitere komplizierte Frau-zu-Frau-Beziehung einleitet. Nachdem man sich gerade daran Gewohnt hatte, dass Emily Gilmore den Titel als verklemmteste Zicke inne hat, reißt nun Trix nun dieses Zepter an sich.Richards Mutter sammelt einen Haufen Bad Bitch-Bonuspunkte indem sie ihrem Sohn sagt, dass sie nicht nur in die Stadt gekommen sei, um seinen Geburtstag mit ihm zu feiern, sondern sich viel eher um Geschäfte kümmern muss. Und sie habe ihr Haus in Hartford an eine Band vermietet, die vom Hörensagen unter dem Namen Korn kennt.
Ganz ehrlich, ich weiß so gut wie nichts über diese Kerle—abgesehen von meiner subjektiven Meinung, dass sie furchteinflößend sind, dass Nu Metal gruslig ist, und dass der Kerl ganz rechts im Bild aussieht wie ein James Franko mit Dreadlocks, der mich heute Nacht wahrscheinlich in meinen Alpträumen verfolgen wird. Trix erinnert sich so an Korn: “Sie waren wirklich feine Mieter. Haben sich hervorragend ums Haus gekümmert. Sie haben ganz wunderbare Tulpen im Garten gepflanzt.” Sie scheißt auf das böse Image von Korn, und poliert ihr Eigenes damit gehörig auf.
LANE KIM, GANZ KLAR
Während ein großer Teil der Serie aus Konkurrenzkampf besteht, ist Lane—ganz abgesehen davon dass sie die härteste Sau ist, die man in Stars Hollow finden kann—die beste Freundin von Lory. Sie ist die Tochter einer streng religiösen und unerträglich strikten koreanischen Mutter.Eigentlich ist sie aber eine Rock and Roll-Enthusiastin, die im Körper einer Teenagern gefangen ist, die kaum aus dem Haus darf.
Lane versteckt sich in ihrem Kleiderkasten und hört dabei Musik auf ihrem Plattenspieler, bezahlt den Plattenladenbetreiber damit sie im Shop Schlagzeug spielen darf, und lässt Rory stellvertretend die Anrufe machen, wenn sie mit Jungs reden will (Um die Unterhaltungen vor Mrs. Kim geheim zu halten). Als sie eine Liste mit ihren Lieblingsmusiker ausfüllen soll, braucht sie drei A4-Seiten, um alle auflisten zu können. Ihre band heißt Hep Alien—ein Anagram von hellen Pi)—und im letzten Oktober hatten sie sogar eine kleine Reunion-Show. Obwohl die strenge Erziehung ihrer Mutter die Freundschaft zu Rory und Lorelei erheblich erschwert, knüpfen die beiden komplett unterschiedlichen Mädchen vor allem über Musik eine eine enge Beziehung.
Außerdem wird ihr erster Kuss mit Dave Rygalski (der von Adam Brody gespielt wird) von David Bowies „The Man Who Sold The Wild“ untermalt. Letztendlich zieht Lane gar mit einer Band zusammen, die ausschließlich aus Jungs besteht, während Rory eine glanzvolle Zukunft in Yale anstrebt. In typischer Gilmore Girls-Manier haben es die Macher geschafft, dass Dave als Gitarrist der Band von Sebastian Bach von Kid Row (Bild unten) ersetzt wird, nachdem Brody für O.C., California abgeworben wurde.
LORELAI TAUFT IHREN HUND “PAUL ANKA”
In der sechsten Staffel haben Rory und Lorelei einen Streit der seinesgleichen sucht, nachdem Rory verhaftet wird weil sie (natürlich!) eine Yacht gestohlen hat und sich entschließt, ihr Yale-Studium abzubrechen. Nachdem Lorelai Rory warnt dass dieser Fehler ihr ganzes Leben vermiesen könnte, zieht Rory zu ihren Großeltern und reduziert den Kontakt zu ihrer Mutter auf ein Minimum. In einem etwas verzweifelten Versuch ihre Tochter zu ersetzen, adoptiert Lorelei einen Hund und tauft ihn Paul Anker—nach dem kanadischen Sänger und Schauspieler.
Paul Ankas “Lonely Boy” war 1959 an der Spitze der Charts.
Der echte Anka bekommt in der siebten Staffel gar einen Cameo-Auftritt. Der Hunde-Paul Anker nimmt gegen Ende der Show eine ziemlich wichtige Rolle ein. Lorelei behandelt ihn wie ein zweites Kind, und kämpft mit seinen seltsamen Ängstet vor Dingen wie CDs, Staub, und Bilderrahmen.
In jeder Staffel verblüffen uns die Gilmores wieder mit ihrem Humor, Witz und kulturellen Scharfsinn, und drücken uns damit immer wieder rein, wie wenig wir über Filme, Celebrities, Autoren und natürlich Musiker wissen. Beide waren ihrer Zeit weit voraus, auch wenn sie hauptsächlich Bands hörten, deren Karinen damals schon damals ihren Zenit leicht überschritten hatten. Sicher, es war schon ziemlich wie Mutti-Musik zu hören, aber cool war es trotzdem. Falls ihr den Gilmore Girls nie verfallen seid, ist es jedenfalls auch zehnt Jahre nach Drehschluss nicht zu spät.
Mathias Rosenzweig hat den Gilmore Girls viele Wochen seines gewidmet, und schämt sich nicht im Geringsten dafür. Er ist auf Twitter.