Freitagnacht werden in Rio de Janeiro die Olympischen Sommerspiele 2016 eröffnet und Athleten aus aller Welt befinden sich gerade in den allerletzten Wettkampfsvorbereitungen. Zusätzlich zu der sportlichen Konkurrenz sehen sich die diesjährigen Freiwasser-Schwimmer, Ruderer, Segler, Triathleten und Wassersportler aber noch einem anderen unsichtbaren Problem ausgesetzt: den krankheitserregenden Mikroorganismen in Rio de Janeiros Gewässern. Über Jahrzehnte hinweg wurden ungeklärte Abwässer in die Flüsse und Buchten der brasilianischen Metropole geleitet. Zu diesen Buchten gehört auch Guanabara, wo diverse olympische Wettkämpfe stattfinden sollen. Um es einmal ganz deutlich zu sagen: Dort schwimmt Scheiße im Wasser.
Als Brasilien sich für die Ausrichtung die Olympischen Sommerspiele 2016 bewarb, versprach man, die Strände und Buchten von Rio zu säubern. Seitdem ist auch einiges passiert. “Rios Behörden haben sich darum bemüht, die Wasserqualität in Guanabara zu beobachten und zu verbessern”, gab das Internationale Olympische Komitee in einem E-Mail-Statement gegenüber VICE an. Zu den Maßnahmen gehören unter anderem eine Verbesserung der Abwasserklärung, die Verringerung der industriellen Verschmutzung und der Menge des umhertreibenden Mülls. Es sind jetzt 17 Barrieren vor Ort installiert, die den Abfall davon abhalten, in die Bucht zu gelangen, während gleichzeitig Schiffe umherschwimmenden Unrat einsammeln, der in den Wettkampfbereich eindringen könnte.
Videos by VICE
Nichtsdestotrotz haben die Aufräumarbeiten nicht das geliefert, was Brasiliens Behörden versprochen hatten. Mittlerweile steht außer Frage, dass auch während der Wettkämpfe weiterhin große Mengen ungeklärten Abwassers und gefährliche Mikroorganismen vorhanden sein werden. Eine unabhängige Analyse der Wasserqualität im Juli 2015 hatte laut AP ergeben, dass die Wassersportarenen der Olympischen und Paralympischen Spiele 2016 eine hohe Dichte an Viren und Bakterien durch ungeklärte menschliche Abwässer aufweisen—Werte, die 1,7 Millionen mal so hoch sind wie das, was in Europa oder den USA als alarmierend gelten würde.
Vor Kurzem erst berichtete die Nachrichtenorganisation Reuters von Untersuchungen, die herausgefunden hatten, dass es in der Lagoa Rodrigo de Freitas, einer Lagune im Herzen Rios, von gefährlichen und multiresistenten Superbakterien wimmelt. Die gleichen Bakterien fanden sich auch in einem Fluss, der in die Bucht von Guanabara mündet.
Athleten, die nur drei Teelöffel von dem verschmutzten Wasser schlucken, infizieren sich mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit mit einem Darmvirus, der Durchfall und andere Verdauungsstörungen hervorrufen kann. “Die veröffentlichten Werte lassen vermuten, dass die Abwassermenge, die ungeklärt in Rios Umwelt landet, so hoch ist, dass eine Ansteckung fast unvermeidbar ist”, sagt Kristina Mena, Dozentin für Epidemiologie und Umweltwissenschaften an der School of Public Health der University of Texas, gegenüber VICE.
Mena zufolge ist das Risiko, sich eine Magen-Darm-Erkrankung oder eine Infektion einzufangen “abhängig vom Gesundheitszustand und dem Immunsystem einer Person sowie dem Grad, dem man den Erregern ausgesetzt ist. Gesunde Athleten können die Darm-Viren wahrscheinlich abwehren, allerdings kann das ihre Wettkampfleistung beeinflussen.”
Verdauungsprobleme sind aber nicht die einzige Sorge in Rio. Experten haben beachtliche Mengen von Bakterien in der Bucht feststellen können, in der die Freiwasser und Ruderwettkämpfe stattfinden. Becca Rodriguez, die medizinische Leiterin des Hochleistungs-Trainingscamps des amerikanischen Teams in Brasilien, sagte gegenüber VICE, dass es durchaus Befürchtungen gäbe, dass Athleten sich durch offene Wunden oder Schnitte eine Staphylokokken-, Streptokokken- oder antibiotikaresistente Hautinfektion zuziehen könnten.
Natürlich sind Olympioniken in der Regel gesund und verfügen über ein starkes Immunsystem, aber die Risiken bei den Wassersportwettkämpfen durch die Berührung mit oder das Verschlucken von kontaminiertem Wasser sind so hoch, dass die verschieden Teams dieses Jahr besondere Vorsichtsmaßnahmen getroffen haben. Die amerikanischen Ruderer werden spezielle antimikrobielle Anzüge tragen, um ihre Haut zu schützen. Deutsche Segler haben sich im Vornhinein gegen alles impfen lassen, was möglich ist, tragen wasserdichte Anzüge und werden “vor Ort […] darauf aufpassen, kein Wasser ins Gesicht oder in den Mund zu bekommen”, sagte Paralympionike Heiko Kröger gegenüber Spiegel Online.
Für die Freiwasser-Schwimmer sind laut Rodriguez Spezialmasken vorgesehen. Sportler mit offenen Hautverletzungen würden außerdem spezielle Bandagen bekommen, die ein Endringen des Wassers verhindern. Zusätzlich wird es direkt an den Sportstätten Duschstationen mit antibakterieller Seife geben, in denen sich die Athleten abwaschen können, sobald sie das Wasser verlassen. Die Trikots der Athleten kommen in eine Wäscherei, die die Kleidung innerhalb von 24 Stunden desinfiziert, bevor sich Erreger darauf ausbreiten können. Desinfektionsstationen für die Hände wird es ebenfalls geben.
Das amerikanische Team fliegt außerdem extra Köche nach Rio, die die Sportler während der Spiele versorgen. Damit will man garantieren, dass alle Regeln zur sicheren Zubereitung von Lebensmitteln eingehalten werden. “Die Athleten werden Joghurt, fermentierte Lebensmittel und probiotische Nahrungsergänzungsmittel bekommen, um ihr Verdauungssystem so fit wie möglich zu halten und potentielle Krankheiten abzuwehren”, sagte Rodriguez. Athleten, Trainer und Mitglieder der Delegation werden außerdem dazu angehalten, nur Wasser aus Flaschen zu trinken (und zum Zähneputzen zu verwenden), ausschließlich im Olympischen Dorf und der Cafeteria des Trainingszentrums zu essen und rohe Lebensmittel zu meiden. Rodriguez empfiehlt Touristen, die gleichen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.
“Wir sagen den Athleten, ‘Geht kein Risiko ein!’”, so Rodriguez. “Das Team USA hat sehr gute Präventions- und Behandlungsregeln für seine Athleten, die im Wasser antreten. Wir tun alles dafür, um unsere Athleten aufzuklären, damit sie sich auf die Vorbeugung konzentrieren und nicht so lange warten, bis erste Symptome auftreten.”