Drogen

HHC: Berliner Spätis verkaufen eine Droge mit fragwürdiger Wirkung

Nur eine Legalisierung würde den Kreislauf potenziell gesundheitsschädlicher Cannabinoide durchbrechen, sagen Aktivisten.
Ein Mann bläst weißen Qualm in Richtung der Kamera. HHC wird an vielen Spätis in Berlin verkauft
Symbolfoto: IMAGO / i Image

Es ist ein Wettlauf zwischen Drogenlaboren und dem Staat: Hersteller sogenannter Legal Highs nutzen jeden rechtlichen Schlupfwinkel, um Drogen auf den Markt zu bringen, die der Rechtsstaat noch nicht verboten hat. Auf dem Markt der Cannabinoide, das sind chemische Verbindungen, die in der Hanfpflanze vorkommen, ist das derzeit Hexahydrocannabinol, kurz HHC.

Der Stoff ist THC sehr ähnlich. Vermarktet wird es meist als natürliches Cannabinoid, und "natürlich" klingt nach einigermaßen gesund. Die Gesetze, die sich gegen THC-haltiges Cannabis richten, oder gegen synthetische Cannabinoide, die THC imitieren, greifen auch nicht. Win-Win also für Nutzer und Hersteller? Nein.

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In Berlin gibt es HHC an vielen Ecken. Spätis führen HHC-Vape-Pens, als wären es gewöhnliche Kippen. Wobei, so ganz stimmt das nicht immer. In einem Späti nahe des Görlitzer Park stehen die HHC-Vape-Pens neben der Kasse in einem illuminierten Plexiglaskasten, fast wie in einem kleinen Schrein. Der Laden selbst ist bewusst düster gehalten. Schummriges Licht scheint durch die verklebten Scheiben,  aus den kalten Getränkeschränken und eben auch aus dem Plexiglaskasten. 

Gelato heißt die eine HHC-Vape-Stick-Sorte, die man hier für 25 Euro kaufen kann, die andere heißt Amnesy. Im Internet gibt es aber auch Champagne, Raffaello, Himbeere oder eine Million andere Geschmäcker.

Neben HHC verkaufen viele Spätis auch CBD-Blüten. Doch obwohl es im Gegensatz zum hochpotenten HHC keine psychoaktive Wirkung hat, ist der Verkauf von CBD-Cannabis an Konsumierende illegal. Das hat im vergangenen Jahr auch der Bundesgerichtshof noch einmal bestätigt. Wie kann es also sein, dass das nicht für HHC gilt?

Eigentlich sollte das "Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz" (NpSG) verhindern, dass Drogentüftler neue Laborexperimente als legal verkaufen können. Denn früher musste man in einem langwierigen Prozess jede neue Droge einzeln ins Betäubungsmittelgesetz aufnehmen. Seit 2016 kann der Gesetzgeber im NpSG ganze Stoffgruppen für illegal erklären, zum Beispiel auch synthetische Cannabinoide. Die sind vollständig künstlich hergestellt und haben nichts mit THC zu tun, außer, dass sie dessen Wirkung imitieren.  

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Die Hersteller von HHC-Produkten labeln diese aber als natürlich und behaupten, dass sie deshalb nicht unter das NpSG fallen. Ob das stimmt und man sich mit dem Kauf von HHC wirklich nicht strafbar macht, ist unter Juristen umstritten. Aber weil in Deutschland Drogen explizit in einem Gesetz verboten werden müssen, floriert der Graumarkt mit HHC-Produkten. 

Aber was ist überhaupt HHC?

Nun ist es erstmal nicht verwerflich, legale Dinge zu kaufen und sich daran zu berauschen. Problematisch wird es nur, wenn man gar nicht so richtig weiß, was das ist, was einen da in einen anderen Geisteszustand versetzt. Und das ist das Problem bei HHC.

Experten wie der Toxikologe Fabian Pitter Steinmetz jedenfalls meinen, dass ganz am Anfang schon ein Etikettenschwindel steht. Nämlich mit dem Versprechen, dass HHC natürlich wäre. Er sagt, dass der Stoff nicht von der Cannabis-Pflanze synthetisiert werden könne, zumindest nicht in den Mengen, die man bräuchte, um davon high zu werden. 

Stattdessen entstehe das HHC für die Vapesticks dadurch, dass man zuerst CBD, also das nicht high machende und für Forschung und industrielle Weiterverarbeitung legale Cannabinoid, mit Hilfe von Säuren und Metallen zu THC umwandele, wie der der freie Journalist und Cannabis-Aktivist Vincent Kühne in einem YouTube-Video erklärt. Dieses werde dann wiederum durch Hydrierung zu HHC synthetisiert. So könne HHC nur im Labor hergestellt werden.

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Warum ist das ein Problem? Zum einen sind es die Stoffe, die genutzt werden, um CBD in THC umzuwandeln. Während die Säuren wahrscheinlich kein Problem sein dürften, ist das bei den Metallen anders. Gerade wenn hier Schwermetalle zum Einsatz kommen, können diese langfristige Schäden verursachen. Zum anderen ist HHC zwar legal, aber das THC, das man schafft, um an das HHC zu kommen, nicht. Deswegen wird HHC auch nicht in Europa hergestellt, sondern importiert. So fallen wichtige Kontrollinstanzen weg. Und so ganz sicher ist es auch nicht, dass in HHC keine Rückstände von illegalem THC mehr stecken. Das sagt zumindest Vincent Kühne.

HHC könnte das Kiffen verderben

Aber was Kifferinnen und Kiffer wohl am meisten beunruhigen dürfte, ist Kühnes Verdacht, dass HHC die Freude am Kiffen klaut. So sei es etwa möglich, dass man sich die Rezeptoren für THC mit HHC zerstöre. Erst brauche man dann immer mehr, um high zu werden, bis es schließlich gar nicht mehr wirke. Und das will nun wirklich niemand, der oder die gerne kifft.

Hinzu kommt die Frage nach den Langzeitwirkungen. Lisa Brunner, Leiterin des Instituts für Suchtprävention der Sucht- und Drogenkoordination Wien, nannte HHC gegenüber dem Standard "problematisch". Weder lang-, noch kurzfristige Folgen seien in Studien erforscht.  Auch wisse man gar nicht so genau, ob bei der Synthese von HHC "diverse Nebenprodukte entstehen können, die teilweise nicht identifiziert sind oder nicht bestimmt werden können". Deren genaue Wirkung und Wechselwirkung bleibt also fragwürdig. 

Mit HHC ist es so wie mit allen Drogen, die noch nicht verboten sind: Ein paar Hersteller machen sich so schnell es geht die Taschen voll, bis der konkrete Wirkstoff dann doch im NpSG steht und illegal wird. Dann finden sie einen neuen Wirkstoff. Diesen Kreislauf durchbrechen kann man, meinen zumindest Aktivisten, nur dann, wenn man Cannabis umfassend legalisiert. Denn am Ende kaufen HHC-Nutzer das Zeug vor allem, weil sie sich nicht strafbar machen wollen. Und nicht, weil sie es THC aus einer legalen Quelle vorziehen, von dem sie sicher sind, wie es wirkt und was drin ist. 

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