Menschen

Corona: Wenn du plötzlich mit neuen Partnern in der Quarantäne steckst

"Positiv ist, dass ich jetzt nicht im Zölibat leben muss."
Daisy Jones
London, GB
Ein Paar im Bad, er putzt sich die Zähne, sie sitzt auf Toilette
Foto: Emily Bowler

Natürlich ist es nichts Neues, dass manche Leute mit Menschen zusammenziehen, die sie erst seit wenigen Wochen daten. Manchmal klappt das auch. Aber noch öfter geht es in die Hose. Ein knackiger Hintern etwa oder ein guter Musikgeschmack rücken in den Hintergrund, wenn für die andere Person Hygiene ein Fremdwort ist.

Angesichts der weltweiten Covid-19-Ausbreitung sind viele Menschen aber gezwungen, sich 14 Tage oder länger zu Hause zu isolieren. Und die, die sich in frischen Beziehungen befinden, müssen dementsprechend entscheiden, ob sie sich entweder auf unbestimmte Zeit nicht mehr sehen oder direkt ins kalte Wasser springen und die Coronakrise zusammen durchstehen.

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Mehrere Leute, die sich für Option Nummer zwei entschieden haben, haben uns erzählt, wie es ihnen derzeit ergeht.


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"Wir essen viel Käse, trinken viel Rotwein und haben viel Sex"

Wir haben uns Ende Januar auf Tinder kennengelernt und wollten uns anfangs nicht in eine Schublade stecken, sondern einfach nur Spaß miteinander haben. Ich lebe seit fast zwei Jahren glücklich alleine und arbeite von zu Hause aus. Dass plötzlich jemand jede Woche zwei oder drei Nächte bei mir schläft, erschien mir wie ein Riesenschritt.

Ende Februar sagte er mir dann, wie schrecklich er sein WG-Zimmer finde und dass er sich eine eigene Wohnung suchen wolle. Deshalb fragte er mich, ob er zwei bis drei Wochen lang bei mir wohnen könnte. Ich sagte ja. Dann verschlimmerte sich die Situation mit Corona immer weiter und in der zweiten Märzwoche befanden wir uns plötzlich in Isolation. Es wird jetzt erstmal eine Weile dauern, bis er eine eigene Bleibe findet. Außerdem hat er wegen des Virus seine Arbeit verloren und hängt deswegen den ganzen Tag ohne wirkliche Beschäftigung bei mir rum.

Dennoch haben wir viel Spaß und verstehen uns weiterhin gut. Wir essen viel Käse, trinken viel Rotwein und haben viel Sex. Das ist auf jeden Fall besser, als alleine zu sein. Trotzdem habe ich das Gefühl, die aufregende Anfangsphase einer jeden Beziehung verpasst zu haben. Meine geliebte Unabhängigkeit ist ebenfalls weg. Und die kleinen Dinge, die mich normalerweise nicht stören würden, gehen mir in dieser Ausnahmesituation doch irgendwie auf die Nerven. – Milly, 29

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"Ich bin noch nicht durchgedreht, das ist ein gutes Zeichen"

Erst nach unserem vierten oder fünften Date verbrachte ich das erste Wochenende bei ihm. Wir aßen mit seinen Mitbewohnern zu Abend, alles war schön. Am nächsten Tag schrieb einer der Mitbewohner aber, dass sich einer seiner Kollegen vielleicht mit dem Coronavirus angesteckt habe und dass wir uns alle zur Sicherheit 14 Tage lang in Quarantäne begeben sollten.

Das stellte mich vor die Wahl: entweder nach Hause gehen und nicht mehr wiederkommen oder bei meinem Typen bleiben. Zusammen entschieden wir, dass ich bleibe, denn auch ich hatte mit dem betroffenen Mitbewohner zu tun gehabt. Jetzt wohnen wir seit sechs Tagen zusammen, was echt lange ist, wenn man das Haus nicht verlassen darf.

An sich ist die Situation gar nicht so schlimm. Wir machen beide in unterschiedlichen Räumen Home Office und kochen abends zusammen oder schauen einen Film. Ich bin noch nicht durchgedreht, das ist ein gutes Zeichen. Außerdem sind uns noch nicht die Gesprächsthemen ausgegangen. Ich glaube, ich mag ihn wirklich sehr. Alles fühlt sich total krass an – also nicht nur unsere Beziehung, sondern die ganze Situation. – Lily, 24

"Ich hatte bereits eine Panikattacke vor ihm"

Offiziell sind wir seit zwei Wochen zusammen, aber wir daten bereits seit sechs Wochen. Für die nächste Zeit ist er bei mir eingezogen – zum einen wegen Corona, zum anderen, weil ich auch dann noch Sex haben will, wenn die Welt untergeht. Und es ist schön! Er macht immer den Abwasch, bringt den Abfall raus und kocht für uns. Deswegen mag ihn auch mein Mitbewohner.

Ich weiß ja, dass man am Anfang einer Beziehung sowieso sehr viel Zeit miteinander verbringt. Die jetzige Situation ist da nicht wirklich anders. Außerdem habe ich so direkt herausgefunden, dass er gute Eigenschaften besitzt, die ich nicht habe. Ich hatte bereits eine Panikattacke vor ihm. Fand ich nicht so cool, aber er ist gut damit klargekommen. Und dadurch sind wir irgendwie enger zusammengerückt. Alles in allem war das Zusammenziehen eine gute Entscheidung, auch wenn man das normalerweise langsamer angehen würde. – Gina, 26

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"Es gibt gute und schlechte Seiten"

Mein Freund und ich sind seit gut eineinhalb Monaten ein Paar, jetzt sitzen wir zusammen zu Hause. Weil wir in einer ländlichen Gegend wohnen, ist es uns wichtig, die Ausnahmesituation gemeinsam durchzustehen – vor allem, weil ich mit einem anderen Pärchen zusammenwohne. Das wäre sonst etwas komisch.

Es gibt gute und schlechte Seiten daran. Positiv ist, dass ich jetzt nicht im Zölibat leben muss. Zudem kann er richtig gut kochen. Und wir lachen viel zusammen. Negativ ist, dass wir keinen Freiraum haben, was uns beiden auf die Nerven gehen kann. Wir beide sprechen Dinge immer direkt an, was oft zu kleinen Streitigkeiten führt. Das bin ich nach nur wenigen Wochen Beziehung nicht gewohnt. – Oli, 31

"Ich wollte, dass sie mich etwas länger von meiner besten Seite sieht"

Nach einem Monat Dating befinden wir uns jetzt in der ersten Woche der gemeinsamen Isolation. Bis jetzt läuft es OK. Wir haben noch nicht die Schnauze voll voneinander. Und es macht Spaß, einen Menschen ohne Ablenkung kennenzulernen. Wir haben immer Zeit füreinander und müssen uns keine Gedanken darüber machen, wann die andere Person zurückschreibt.

Eigentlich wollte ich aber, dass sie mich etwas länger von meiner besten Seite sieht. Am Anfang einer Beziehung macht man sich für die Treffen ja immer etwas schicker. Das ist in der gemeinsamen Isolation nicht wirklich möglich. Wir sehen uns ohne Make-up und ohne schöne Klamotten. Wir lernen die verletzliche Seite des jeweils anderen kennen und rasten wegen Familienangelegenheiten oder der ganzen Scheiß-Situation auch mal aus. Ich habe sogar schon geheult. Vielleicht schweißt uns diese Situation langfristig enger zusammen, aber derzeit kann ich das noch nicht beurteilen. – Grace, 23

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"Schon witzig, das alles zu machen, ohne 'Ich liebe dich' zu sagen"

Wir sind jetzt seit fast drei Monaten zusammen. Für die kommenden Wochen oder Monate hat er einen Haufen Lebensmittel gekauft und seine Wohnung so umgeräumt, dass ich einen eigenen Platz zum Arbeiten habe. Gestern wurde ich dann richtig krank, weshalb wir nun zwei Wochen lang in Quarantäne sitzen. Aber er kümmert sich ganz lieb um mich. Ich mache mir nur ein wenig Sorgen, weil ich glaube, dass er noch irgendeine andere Beschäftigung braucht. Aber es gibt einfach nichts zu tun.

Irgendwie komisch, dass wir jetzt schon zusammenwohnen, obwohl das zwischen uns gerade erst anfängt. Ich bin aber froh, bei ihm zu sein, weil ich mich in seiner großen Wohnung zumindest etwas mehr bewegen kann als bei mir. Außerdem hat er eine riesige Büchersammlung. Dazu habe ich einen Haufen Brettspiele gekauft. Wenn es mir wieder besser geht, haben wir hoffentlich richtig viel Spaß zusammen.

Schon witzig, das alles zu machen, ohne "Ich liebe dich" oder so zu sagen. Wir sind jetzt zwar seit zwei Wochen offiziell ein Paar, aber ich habe trotzdem fast meinen Tee ausgespuckt, als sein Arbeitgeber ihm in einer Mail gewünscht hat, dass seine "Partnerin" doch schnell wieder gesund werde. – Leila, 28

"Wir schauen Filme, kochen oder sitzen einfach zusammen und reden"

Zwei Wochen vor der Quarantäne lernte ich auf Tinder einen Typen kennen, wir fingen an zu daten. Als das Coronavirus offiziell zur Pandemie erklärt wurde, zog ich bei ihm ein, damit wir mehr Zeit miteinander verbringen können. Während er von zu Hause aus arbeitet, kann ich Fähigkeiten trainieren, die ich schon immer haben wollte, für die ich alleine zu Hause aber nicht die Kraft hatte. Wenn ich ihm beim Arbeiten zusehe, will ich auch arbeiten. Außerdem ist er sehr ordentlich, durch ihn habe ich angefangen, meine Klamotten zu falten. Wir schauen Filme, kochen oder sitzen einfach zusammen und reden. Ich mache mir keine Sorgen, sondern sehe das Ganze eher als Möglichkeit, diesen Mann wirklich kennenzulernen. – Marcin, 28

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