Es passiert immer wieder: Kinder treten oder fassen auf Spielplätzen in Spritzen, die Drogenuserinnen dort liegen lassen, nachdem sie sich einen Schuss gesetzt haben. Die Angst der Eltern ist verständlicherweise groß. Immerhin könnten in dem an den Spritzen klebenden Blut HI- oder Hepatitis-Viren stecken.
Im August trat ein vierjähriges Mädchen in Kreuzberg in eine Spritze. In diesem Bezirk Berlins sammeln die Streetworkerinnen des Vereins für akzeptierende Drogenhilfe “Fixpunkt” jährlich 7.000 Spritzen ein. Wieso aber lassen die Konsumierenden sie überhaupt liegen? VICE hat Drogenuserinnen in Kreuzberg befragt.
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Tamara: war vor ein paar Jahren “voll drauf”, ist mittlerweile aber in der Substitution
“Wenn ein Kind Spritzen in die Hand nimmt, ist das ganz schlimm. Das weiß ja noch nicht, was es ist. Und dann ist da was dran, Hepatitis oder HIV, dann hat es das von klein auf schon und nicht mal gewusst, was passiert.
Ich habe einen Hund, der ist für mich auch wie ein kleines Kind. Und ich mag es auch nicht, wenn der irgendwo reintritt. Da passe ich höllisch auf, am Halleschen Tor, am Kottbusser Tor, überall liegt die ganze Scheiße.
Wenn ich mal was spritze, dann räume ich alles hinter mir weg. Ich mag es gar nicht, wenn ich fixe und irgendwas von mir daliegt. Ich habe immer eine kleine Tüte oder so dabei, wo ich das reintun kann. Oder ich tu es hinten in die Arschtaschen meiner Hose. Und wenn ich zu einem Mülleimer komme, werfe ich das weg.
Aber ich kenne viele, die das anders machen. Die haben keine Kinder oder Hunde oder verstehen das nicht. Und es gibt eben auch Frauen und Männer, die sind von sich aus so, dass sie denken: ‘Ach, scheiß egal, mach ich später weg.’ Wenn ich’s zusammen mit jemandem mache und er lässt sein Zeug liegen, dann sage ich das auch oder räume die Sachen von ihm auch weg. Das geht einfach nicht.
Vielleicht würde helfen, wenn man etwas erfinden würde. Zum Beispiel einen extra Mülleimer oder so, wo man das sicher wegtun kann. Gerade an solchen Stellen, wo das so oft vorkommt. Das ist doch eine gute Idee, oder? Ich hab mir das schon oft überlegt, weil ich Leute gesehen haben, die das machen. Oder man erfindet irgendwas anderes. So wie diese Spender für Kackebeutel für Hunde. Die man so rausziehen kann. Sowas könnte man doch auch für Spritzen machen. Dass man die hinterher irgendwo reintun kann.”
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Susi: ist im Methadon-Programm und spritzt selbst nie
“Ich glaube, Spritzeneimer oder so würden nichts bringen. Weil die Leute, die darauf achten, dass sie ihre Spritzen wegschmeißen, die schmeißen sie so oder so weg. Weil sie nicht wollen, dass andere sich verletzen. Entweder die Leute denken so oder eben nicht. Wenn die Leute das Bewusstsein dafür nicht haben, dann werden die, selbst wenn der Eimer einen Meter entfernt steht, die Spritze wieder auf den Boden schmeißen. Voll oft stehen da ja auch Mülleimer, da kann man auch aufstehen und es da rein werfen. Aber die Leute sind halt so fett, dass sie nur so dahängen und gar nichts mehr können oder so.
Ich kann mir vorstellen, dass man prophylaktisch mehr tun sollte. Anstatt zu versuchen, die Spritzen wegzukriegen. Dass man versucht, ein anderes Bewusstsein in der Gesellschaft zu kriegen. Wir sind ja immer noch Abschaum, wenn es heißt, Drogenkarriere, dann wird man immer voll abgestempelt. Das finde ich so scheiße, warum muss man jemanden so verurteilen? Wir sind doch alle Menschen. Also, man müsste etwas tun, dass die Konsumierenden gar nicht erst so abrutschen, dass sie sich so dringend auf Plätzen einen Schuss setzen müssen. Dass sie schneller ins Methadon-Programm kommen, zum Beispiel.”
Paul: hat vor 25 Jahren aufgehört zu schießen
“Auch Drogen kann man mit Verstand nehmen. Egal, wie drauf man ist. Es gibt ein paar Eckpfeiler, die man beachten sollte. Spielplätze: nein. Das ist wirklich verkommenes Gesocks, was sowas tut. Das muss man so sagen.
Ich kann mir vorstellen, dass Druckräume fehlen. Ob ich sie damals selbst benutzt hätte, kann ich nicht sagen. Damals hatte ich noch eine Wohnung und habe zu Hause konsumiert.
Von der Politik wünsche ich mir, dass sie Drogen entkriminalisiert. Aber bis das durch wäre, wäre ich 90. Oder weg.”
Hermann: konsumiert seit 40 Jahren Heroin, wird mittlerweile aber substituiert
“Junkies haben auf dem Spielplatz nichts zu suchen. Kinderspielplätze sind für Kinder da und nicht für Junkies. So einfach ist das. Es gibt genügend Plätze, wo man sich in aller Ruhe hinsetzen und sich ‘nen Knaller machen kann. Die, die das machen, die haben ‘nen Knallschaden, sage ich immer. Die haben noch nichtmal am Leben gerochen, da sind sie schon tot, mehr oder weniger. Das ist schon traurig, aber es geht mir am Arsch vorbei.
Wenn man an einem öffentlichen Platz konsumiert, dann macht man es wenigstens so, dass es keiner mitkriegt. Das ist durchaus möglich. Man muss sich nicht mitten auf einen Platz setzen, da sucht man sich eine ruhige Stelle. Eigentlich will man ja auch selbst ein bisschen Ruhe haben und nicht, dass einer einem die ganze Zeit auf die Finger guckt. Andere machen das anders, aber das ist eine andere Generation. Mit denen habe ich nichts zu tun. Mit denen komme ich auch gar nicht klar. Die würde ich als Arschlöcher beschreiben. Asoziale Arschlöcher. Wirklich.
Wir haben hier so einen kleinen Eimer, da landen die Spritzen alle drin. Die Spritzen hole ich bei Fixpunkt. Die kommen dreimal in der Woche. Und wenn die Spritzen benutzt sind, bringen wir sie da wieder hin. Back to the roots, sozusagen.
Drogenkonsumräume nutze ich nicht. Da ist mir zu viel Alarm, zu viele Leute. Ich spritze aber auch nicht jeden Tag, sondern nur nach Lust und Laune. Ich gehe jeden Tag zum Arzt, kriege mein Methadon. Und wenn es mal was Vernünftiges gibt, dann kaufe ich auch was. Meistens ist der Stoff aber eine absolute Katastrophe.”
Ralf: spritzt seit vielen Jahren Heroin und wünscht sich mehr Hilfe
“Ich finde scheiße, wenn Leute ihre Spritzen irgendwo hinschmeißen. Die kann man auch mitnehmen und irgendwo anders entsorgen. Gerade am Spielplatz, wo Kinder spielen und rumtoben, haben die nichts verloren. Ich konsumiere selbst nicht an öffentlichen Plätzen, nur an meinem Schlafplatz an der Jannowitzbrücke oder in Toiletten. Mir ist wichtig, dass ich alleine irgendwo bin.
Ich entsorge meine Spritzen immer sorgfältig, zum Beispiel an dem Bus von Fixpunkt am Kottbusser Tor. Liegen lasse ich sie nicht. Das gehört sich nicht. Ich räume sogar manchmal den Müll von anderen weg. Ich finde das eine Sauerei, wenn Leute das machen. Es gibt zu wenig öffentliche Einrichtungen, Drogenkonsumräume zum Beispiel. Wenn ich die Möglichkeit habe, wenn ich in der Nähe bin, nutze ich die. Von der Politik würde ich mir mehr Hilfe für Drogenabhängige wünschen. Mehr Einrichtungen eben, Schlafplätze vor allem. Ich muss seit zwei Jahren auf der Straße leben.”
Clemens: versucht, so wenig wie möglich zu drücken
“An den Plätzen, wo ich gerade bin, in den Parks, auf den Spielplätzen oder auf der Straße, versuche ich eigentlich immer, diesen Mist aufzusammeln. Ich hab immer die Abfallbehälter von Fixpunkt dabei. Bei denen kann man den Deckel sichern. Ich bin selber Vater und wenn ich mit dem Kleinen auf dem Spielplatz bin und Spritzen sehe, dann könnte ich ausrasten. Ich spreche auch oft Leute an, die etwas liegen lassen.
Ich kann schon verstehen, dass Leute auf Spielplätzen konsumieren. Die versuchen halt, sich zu verstecken und auf Spielplätzen gibt es viele Büsche. Und auch viele Dealer stehen in der Nähe von Spielplätzen oder Schulen. Wenn der Druck hoch ist, macht man das eben da, wo es schnell geht.
Für mich sind sind Spielplätze aber tabu, zumindest tagsüber. Da sind ja Kinder unterwegs. Sichtbar mache ich es nur, wenn ich entzügig bin. Dann muss es eben schnell gehen, das fühlt sich furchtbar an. Sonst verstecke ich mich gut.
Drogenkonsumräume nutze ich, wenn es möglich ist. Gerade kann ich mich nicht wirklich bewegen, meine Beine sind kaputt, weil ich überfallen wurde. Ich kann nur eine begrenzte Zeit lang laufen. Da geht das nicht. Ob ich sie öfter nutzen würde, wenn es mehr gäbe, weiß ich nicht. Das hängt davon ab, wie es dort ist. Wenn es da stressig ist, nicht.”