Wer provozieren will, muss damit leben, dass sich Menschen provoziert fühlen. Schon klar, Werbung soll Aufmerksamkeit erzeugen. Besonders, wenn man wie das Bonner Unternehmen True Fruits ein ziemlich unglamouröses Produkt wie Fruchtsaft an konsumfaule Millennials verkaufen will.
“Voulez-vous cashew avec moi?” auf einen Nusssaft zu schreiben, kann man unangenehm-angesext finden, aber wenn ein Unternehmen meint, spätpubertär-cringy Wortspiele seien eine Marketingstrategie – OK.
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Was nicht OK ist: Berechtigte Kritik zu verhöhnen, wenn man mit seinen superfrechen Sprüchen Grenzen überschreitet – wenn aus Marketing Diskriminierung wird.
Auf Instagram, wo 117.000 Menschen True Fruits folgen, kritisierten Menschen in der vergangenen Woche einen Slogan aus dem Sommer 2017: “Abgefüllt und mitgenommen”, so bewarb das Unternehmen einen To-go-Trinkaufsatz für ihre Flaschen.
Der Vorwurf, der nun hundertfach auf Instagram, aber auch bei Facebook und Twitter erhoben wird: Der Slogan verharmlose Rape Culture, um Fruchtsaft zu verkaufen.
In der Nacht zum Donnerstag äußerte sich die Social-Media-Abteilung per Instagram-Story zu dem Vorwurf: “Uns wurde in den vergangenen Tagen vorgeworfen, dass wir Sexismus propagieren. Jetzt möchten wir dazu Stellung beziehen.”
Doch statt einer Entschuldigung folgte ein kurzer Clip des Schauspielers und Musikers Jamie Foxx, in dem er süffisant in die Kamera singt: “Fuck you”. Die Social-Media-Abteilung des Unternehmens entschied sich dafür, die Kritik an ihrem Produkt lächerlich zu machen, statt sich mit ihr auseinanderzusetzen.
Dahinter steckt etwas, das man nicht allein bei True Fruits für eine Social-Media-Strategie hält: die kalkulierte Beschimpfung derjenigen, die sie kritisieren. Wer sich in Berlin etwa über die U-Bahn beschwert, darf sich nicht wundern, danach in einem Post der Verkehrsbetriebe vorgeführt und verarscht zu werden.
Der Fall True Fruits ist natürlich anders, sexistische Diskriminierung ist nicht damit zu vergleichen, dass es nervt, wenn man ständig seine Bahn verpasst. Aber: Das Publikum, das die Posts der Unternehmen sieht, verhält sich in solchen Fällen ähnlich.
Denn auch auf das “Fuck you” von True Fruits folgten zwei gegensätzliche Reaktionen. Die erste: Sprachlosigkeit und Wut gegenüber der völligen Uneinsichtigkeit. Und die zweite: Vor allem Weiße Männer erklärten stellvertretend für True Fruits, warum es sich bei einem Spruch, der Rape Culture reproduziert und verharmlost, eben nicht um sexistische Diskriminierung handele. Es sei eben einfach derber Humor.
Es ist nicht das erste Mal, dass True Fruits mit seinem Marketing Grenzen überschreitet. So hielt es das Unternehmen für eine gute Idee, Saft in geschwärzten Glasflaschen zu verkaufen – und diese mit dem Slogan “Quotenschwarzer” zu bewerben.
Die Kritik, vorgebracht von Schwarzen Menschen und jenen, die sich mit ihnen solidarisieren, wurde ebenfalls von Weißen Männern (und ja, auch ein paar Frauen) gekontert: Das sei halt derber Humor, da solle man sich nicht so haben.
Das Unternehmen selbst teilte zu den geschwärzten Flaschen nun bei Instagram mit: “Uns gehen die ständigen Fehlinterpretationen auf die Nerven.” True Fruits nimmt die Flasche jetzt aus dem Sortiment – was von Fans und Kunden des Unternehmens als Einknicken vor Political Correctness gewertet wird.
Schon im Jahr 2016 wurde dem Unternehmen von der Stadt München verboten, dort Werbung für Chiasamen-Saft mit dem Slogan “Oralverzehr – schneller kommst du nicht zu deinem Samengenuss” zu plakatieren.
True Fruits reagierte damals in einem Statement, als rettete es mit seiner Werbung die Meinungsfreiheit: “Als wir erfuhren, dass München unsere Plakate nicht erlaubt, wollten wir der Stadtverwaltung nicht klein beigeben und haben auf diese Weise gehandelt. Wir lassen uns den Mund und Humor nicht verbieten.” Das Unternehmen plakatierte trotzdem und schmückte die Werbung mit einem riesigen “ZENSIERT”-Button.
Zum aktuellen Fall – dem Verharmlosen von Rape Culture und dem Spott über alle, die das kritisieren – schreibt True Fruits auf Anfrage gegenüber VICE: “Die Art, wie mit Kritik auf unseren Social-Media-Kanälen umgegangen wird, ist von uns so gewollt.”
Das Unternehmen betont, es sei weder rassistisch noch sexistisch, vielmehr “ein Saftladen mit 31 Leuten”. Und bezüglich der Kritiker schreibt True Fruits weiter: “Wenn diese Gruppe nun meint, auf die Barrikaden klettern zu müssen und einen Shitstorm anzufachen, bitte: Wir senden ihnen ein kräftiges ‘Fuck you’, denn Intelligenz lässt sich nun mal schwer versenden.”