Kaveh Ahi galt bis zum Winter 2016 als die personifizierte Partyikone Wiens. Seit gefühlten zwei Leben managte und hostete er die Events in Wiens bekanntester und ehrwürdigster Diskothek am Heldenplatz. Seine MC-Einlagen waren legendär – ebenso seine Trinkfestigkeit. Seit einem Jahr ist es nun ein wenig ruhiger geworden. Ich traf ihn in seiner neuen Bar auf einen Kaffee …
Noisey: Du bist seit 16 Monaten weg aus dem Hochglanzpartyfokus, aber eigentlich bist du ja nicht weg. Wir sitzen hier in deiner neuen Bar Das kleine Vorspiel. Magst Du mir darüber was erzählen?
Kaveh Ahi: Es war immer schon mein Traum, eine eigene Bar zu haben. Das kleine Vorspiel ist ja nur temporär.
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Temporär, weil?
Ich wollte eigentlich zuerst schon das fertige Produkt präsentieren und umbauen, doch so etwas braucht Zeit, siehe Einreichungen und Genehmigungen. Darum hab ich- weil ich ja einen kleinen, feinen Schanigarten habe- mir gedacht, die Sommermonate noch zu nutzen und das kleine Vorspiel auf das große Finale noch einzuschieben.
Magst du mir über das Endprodukt auch schon etwas verraten?
Es wird mehrere Schritte und Phasen geben. Ende August will ich schließen und spätestens Anfang November eröffnen. An den Details arbeite ich gerade.
In deiner Bar deutet ja außer dem DJ Pult nichts mehr darauf hin, dass du einst der große Volksgarten-Veranstalter warst.
Nein, ich habe von heute auf morgen aufgesperrt und hatte ja eigentlich davon null Plan. Im Stress habe ich mich dabei ertappt, in alte Muster zurückzufallen und mir eingebildet, hier ein Eventprogramm zu installieren. Dann erkannte ich jedoch, dass man hier keine Events planen kann. Wenn es dann beim finalen Konzept zu einer Party kommt, dann habe ich aber nichts dagegen. Ich will nicht zwingend Partys konzipieren, sie sollen selber entstehen.
Das nehme ich ja einmal an, bei einem Mann, der bis in die Nullerjahre die schicke Wiener Partyszene dominiert hat …
Darf ich dich unterbrechen: Ich wollte nie nur die Schicken alleine hier haben. Ich wollte die kreativen Schicken haben. Die, die erdig und am Boden geblieben sind. Ohne nun das böse Wort “Hipster” zu verwenden.
Kommen dich viele Freunde von früher besuchen?
Ja, es kommen durchaus viele, die mich sehen wollen, ich muss aber sagen, dass ich mit diesem PopUp-Konzept auch nicht so intensiv in die Öffentlichkeit gegangen bin. Davor waren an diesem Ort fünf Konzepte da, die nicht so funktioniert haben und die alle eher auf Wein fokussiert waren. Ich habe es ja per Zufall beim aufs Klogehen entdeckt und mich sofort verliebt. Dann habe ich meine Pläne präsentiert und konnte die Ablöse aufbringen, um nun auch richtig umzubauen.
Du bist ja geographisch nicht weit weg von deiner alten Wirkungsstätte und deinen alten Partnern. Das Palmenhaus und der Volksgarten sind sehr nahe. Kribbelt es noch manchmal?
Ja klar, das Thema Volksgarten ist noch lange nicht abgeschlossen. Es ist so wie bei einer Trennung mit meinen Exfreundinnen. Ich hatte ja nur zwei, Antje und Sophia und es ging mir immer extrem schlecht nach der Trennung. Bei Antje hab ich zwei bis drei Jahre gebraucht, bis ich drüber hinweg gekommen bin, was ja quasi bei sieben Jahren der Hälfte der Beziehungszeit entspricht. Ähnlich war es bei Sofia. Nun war ich 22 Jahre im Volksgarten, also kann man sich vorstellen, was das bedeuten würde, wenn man bei der Formel bleiben würde. Dann würde ich elf Jahre brauchen, um damit abgeschlossen zu haben.
Nun rätselt man ja seit letztem Winter über deinen Ausstieg. Was waren denn die wirklichen Gründe dafür?
Ich hab den Volksgarten über alles geliebt und war schon als Kind in jungen Jahren dort. Ich habe dann mit dem Besitzer Michael Böhm eine Partnerschaft begründen dürfen und den Volksgarten zu dem machen können, was er dann wurde – und vielleicht heute noch ist. Aber ich habe natürlich auch schon nach den guten Anfangsjahren gewusst, dass ich dort nicht alt werde beziehungsweise mich gefragt, ob ich mit 50 Jahren noch dort stehen will. Denn es war ja Michaels Volksgarten und nicht meiner. Die letzten Jahre vor meinem Ausstieg waren ja dann auch die erfolgreichsten Jahre des Volksgartens. Wir haben wilde und sehr geile Jahre erlebt in den Neunzigern und auch Anfang der Nullerjahre. Am Ende haben wir beide das Ziel gehabt, ein professionelles Unternehmen auf die Beine zu stellen, das an allen Ecken und Enden flutscht und das ist ist der VoGa heute.
Aber ich muss ehrlich sagen, die Kavehseele kam dann am Ende ein wenig zu kurz und es hat ein wenig an Kreativität gefehlt. Ich habe dann keine Herausforderung mehr gesehen und mein Herz war nicht so happy. Dazu haben uns unsere alten Konflikte immer auch wieder eingeholt. Als dann das Thema aufkam, die Pratersauna eventuell zu übernehmen und sie zu unserem zweiten großen Club zu machen, habe ich mich dabei ertappt, wie sehr ich mich darauf freute, etwas Neues zu machen. Und da ist für mich klar geworden, dass ich aus dem Volksgarten raus muss. Dazu kam, dass die Stimmung auch innerhalb des Teams schlecht war – wegen mir natürlich –, weil ich auch nicht happy war. Ich habe ja schon einmal mit 37 in einem Interview für die Kronen Zeitung gesagt, dass mit 40 Schluss ist, jetzt bin ich 41.
Gab es da einen großen Crash?
Nein, die Stimmung war einfach nicht gut. Es lief alles super, ich hab auch wirklich gutes Geld verdient, aber ich war nicht zufrieden. Und dann war da eben die Sache mit der Sauna.
Hättest du denn die Sauna alleine machen wollen oder gemeinsam mit den Böhms?
Die hätten wir auch gemeinsam gemacht, aber ich hätte dann dort etwas mehr das Sagen gehabt, ich hätte mehr als 50 Prozent gehabt. Das wäre auch für Michael Böhm OK so gewesen, der ja gewusst hat, wie gerne ich etwas Eigenes gemacht hätte. Ich hätte ja dann auch entsprechend bezahlt dafür. Aber wie man weiß, ist die Sache mit der Sauna nicht aufgegangen– Gratulation hierzu an Martin Ho. Dann gab es noch das Projekt mit dem Tlapa-Kaufhaus im 10. Bezirk. Ich habe dann gemerkt, dass ich nur am Suchen bin und das hat auch mein Team gemerkt (Ali Pascha, Philipp und Cathrine). Im Zuge der Tlapa-Sache habe ich dann registriert, dass ich etwas verändern muss und habe ein langes Mail an Michael Böhm geschrieben, in dem ich eben meinen Abschied 2016 angekündigt habe. Ich wollte es ja im Februar ankündigen und dann im Sommer endgültig aufhören.
Am Anfang hat er mir nicht geglaubt und war sichtlich betroffen. Als wir uns dann getroffen haben, hat er mir dann allerdings mitgeteilt, dass er mich nun nicht mehr ein halbes Jahr im VoGa sehen möchte und gemeint, wenn du gehen willst, dann sofort. Uncharmant gesagt: Schleich di, aber sofort [schmunzelt]. Nein, so hat er es nicht gesagt, aber er meinte auch sinngemäß, dass es mein Team auch so sehen würde. Seither ist auch das Verhältnis zu Ali etwas unterkühlt. Dann war es so. Es war nicht das, was ich mir vorgestellt habe. Ich wollte eben meinen Abschied mit einigen Festen gestalten und das durfte ich dann nicht mehr, das hat mir natürlich zugesetzt. Aber natürlich verstehe ich, dass nicht alles nach meinem Kopf gehen kann und muss.
Aber klarerweise hat es mich geärgert und ich war beleidigt, vor allem, weil ich ja alle aus dem Team noch selber hineingeholt habe (Anm.: Die Firma war ja früher auch nach Kaveh benannt als Team K.) Die Trennung war klar, dass sie härter kam, als ich dachte, hat mir natürlich nicht gefallen, das gebe ich zu. Denn einen Sommer lang wollte ich noch dabei sein.
Du warst aber danach auch noch einige Male im Volksgarten?
Ja, ich war noch einige Male dort
Sex mit dem Ex?
Angeheitert, eher. Als ich dann beim dritten Mal mit dem Personal diskutieren musste, ob ich meine Begleitung mitnehmen darf, habe ich gewusst, dass es Zeit für eine Pause ist. Und die habe ich mir genommen, auch, um mich zu erholen und Kräfte für meine neuen Projekte zu sammeln.
Wie lange soll denn die Pause dauern?
Ich habe nicht vor, nie wieder hinzugehen, aber man wird sehen.
Das heißt, es gibt noch Kontakt zu den Böhms und zum Team?
Ja, hin und wieder haben wir uns geschrieben. Aber man hat sich voneinander gelöst und braucht nichts mehr voneinander. Aber ich würde sagen, dass jetzt keine schlechte Stimmung mehr herrscht.
Ist es dann ohnehin nicht besser, so zu leben? Es geht dir ja nicht schlechter als wenn du tatsächlich nun auch noch die Pratersauna leiten würdest?
Da magst du recht haben – ich war in einem Feiertrott drinnen und hatte sicher viele Abstürze in meiner Volksgartenzeit, weil ich nicht sehr kontrolliert feiern konnte. Für die Gesundheit und für mich wird es wohl besser sein. Ich war zum Schluss auch schon ein wenig am Ende, das muss ich zugeben. Nur hingehen und dort arbeiten oder Dienst schieben ging nicht. Aber ich muss dir etwas verraten, ein wenig kribbelt es schon wieder, einen Club zu machen.
Dein Werdegang im Volksgarten begann ja wahnsinnig früh. Du warst ja noch ein Küken.
Ich begann 1994 (mit 18) mit einer Studentenparty, seit 1995 habe ich dann Sodom und Gomorrha gemacht, das ist auch die Zeit, aus der die Fotos stammen, wo Falco da war und viele andere Promis ein und aus gingen. Damals haben wir uns extrem auf aufwändige Bühnenbilder konzentriert, was mir auch sehr gefallen hat, da ich ja Architektur studiert habe. Ich wollte einfach immer dekorieren und den Volksgarten verändern. Damals musste eben alles bunt schrill und sexy sein, heute ist das alles mehr Installation und Performance. Danach kamen Formate wie Kinky Disco und Garden Club.
Wie unterschieden sich diese Events von denen heute?
Die Events hatten einen ganz anderen Stellenwert im Leben eines Menschen. Es gab kein Facebook, wo man andauernd Selfies posten konnte. Man hat sich in den Clubs gezeigt, wenn man ein bisschen eine exhibitionistische Ader hatte, dann hat man sich in den Clubs ausgelebt. Da waren eben die Promis auch. Die waren unter der Woche daheim aber wenn sie sich eben zeigen wollten, gingen sie in den Club, das müssen sie heute nicht mehr tun. Durch das Internet wurde das alles abgenutzt und ersetzt. Vielleicht herrschte damals in den Endneunzigern auch so eine verrückte dekadente Fin de siecle-Stimmung wie im Jahrhundert davor
Welchen Stellenwert hatte denn damals die Musik? Hier haben wir ja heute ebenfalls das YouTube- und Spotify-Syndrom, das alles ersetzt. Es gab ja den typischen Volksgarten-Sound.
Ja, damals bin ich zum DJ hingegangen und hab mir auf einen Zettel die Nummer aufgeschrieben. Man musste sich einsetzen und engagieren, dass man solche Tracks überhaupt bekommt. Ich musste mir die Platte besorgen, was oft gedauert hat. Aber es ist eben der Lauf der Dinge und es ist gut, wenn heute jeder schnell zu Informationen kommt.
Hast du Fehler gemacht? Hättest du damals gern etwas anders gemacht, wenn du das Rad zurückdrehen könntest?
Im Großen und Ganzen haben wir vieles richtig gemacht. Vielleicht hätten wir beim ersten Umbau bessere Architekten nehmen sollen (2000/01), vielleicht den 2. Umbau früher machen sollen, aber das lag ja nicht immer an mir. Ja, und vielleicht haben wir uns damals zu lange auf den Lorbeeren des Garden Clubs ausgeruht, bis dann die Passage (Ende 2003) gekommen ist und uns die schicken Leute weggeschnappt hat und dann später hat uns die Pratersauna die undergroundigeren Leute abgesaugt, wodurch nicht mehr viel übrig blieb. Mit den White Line- Leuten, die zuerst bei uns begonnen und dann in die Passage gewechselt sind, gab es ja dann doch ein unschönes Ende. Mittlerweile ist auch das wieder ausgeräumt.
Noisey-Shortie: Tser gibt Wiens schwarzer Jugend eine Stimme:
Apropos Passage. Dort ging ja HC Strache in seinen jüngeren Jahren noch gerne ein und aus. Im Falle des Volksgartens hört man darüber nicht viel. Ihr seid ja eher sehr apolitisch. Wie habt ihr das Thema gehandhabt zu deiner Zeit?
Oje, du willst jetzt noch was wissen. Nun, zum Thema Strache kann ich sagen, dass er am Anfang dezidiert nicht willkommen war. Wir haben Tischanfragen immer ignoriert oder gesagt wir sind voll. Er kam aber schon auch hin, so war es nicht, nur haben wir ihm nie das Gefühl gegeben, dass er willkommen ist. Irgendwann hat dann aber das ganze Team entschieden, dass man Menschen aufgrund ihrer politischer Gesinnung nicht dezidiert ausschließen kann – egal, was ich davon halte. Es können sich natürlich Clubs und Lokale politisch positionieren, wir haben uns damals entschieden, das nicht zu tun.
Ganz untätig – was Events betrifft – bist du aber ja nicht, es gibt ja noch die Kunstmesse Parallel?
Wir waren letztes Jahr sehr groß, für heuer haben wir aber noch keine Location, ein wenig schwitzen wir deswegen schon. Jetzt fokussiere ich mich einmal auf meine Bar hier. Allgemein finde ich es schade, dass in Wien alt und jung nicht so entspannt zusammen feiern können, wie das etwa in Ibiza passiert. Dort gehen 60-Jährige noch ganz relaxt auf Partys, hier ist das völlig unmöglich, darum fahre ich ja auch so gerne hin.
Danke für Deine Zeit und das Gespräch.
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