Es ist mal wieder an der Zeit, sich über ein paar Menschen zu wundern, die mit der Welt nicht fertigwerden.
Heulsuse #1: Cathy-Hummels-“Fans”
Der Vorfall: Cathy Hummels äußert in einem Instagram-Post, dass sie sich wegen ihrer Periode etwas “down” fühlt.
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Die angemessene Reaktion: Sich freuen, dass es zumindest noch eine Sache gibt, die man mit einer millionenschweren Fußballergattin gemein hat.
Die tatsächliche Reaktion: Sich darüber echauffieren, dass sie ihre Periode überhaupt thematisiert.
Wir wissen, wir rennen hier offene Türen ein, aber: Frauen haben es nicht leicht. Einmal im Monat bekommt der Großteil von ihnen ihre Periode und versaut sich so nicht nur regelmäßig die Unterwäsche, sondern hat oben drauf noch unangenehme bis unerträgliche Unterleibsschmerzen. It’s fun. Und dann dürfen sie dieses große Unrecht noch nicht einmal thematisieren, weil es zwar genug Menschen gibt, die über Furz- und Kackewitze in Til-Schweiger-Komödien lachen, die aber gleichzeitig einen halben Nervenzusammenbruch bekommen, wenn sie auch nur für eine Sekunde über Menstruationsblut nachdenken müssen.
Dass normale Vorgänge des weiblichen Körpers auch bei den Frauen eklig gefunden wird, die optisch so mainstream-attraktiv sind, wie man überhaupt nur sein kann, musste nun Cathy Hummels erfahren. Die Influencerin und Frau von Fußballnationalspieler Mats Hummels postete Anfang der Woche ein Foto, auf dem sie im übergroßen Kuschelpullover nachdenklich in die Kamera starrt. In der Bildunterschrift erklärt die 30-Jährige: “Meine Stimmung ist etwas ‘down’. (Kommt bei Frauen wohl einmal im Monat vor, gibt da so hartnäckige Gerüchte.)”
Grund genug für eine Nutzerinnen und Nutzer, empört in die Tasten zu hämmern. “Unappetitlich” und “unangebracht” sei es, über Menstruation zu sprechen, heißt es in den Kommentaren. Und: “Es interessiert niemanden, wann du deine Tage hast.” Eine Person sieht zwar ein, dass es sich bei der Periode um einen “natürlichen Vorgang” handle, gerade deswegen müsse man sie aber “nicht extra im Netz betonen”. Es reicht also nicht, dass Tampon- und Bindenwerbungen immer noch Frauen in reinweißer Kleidung zeigen, die blaue Flüssigkeit auf Hygieneartikel träufeln – jetzt darf man nicht mal mehr auf seinem Instagram-Account die harte Realität des Frauseins thematisieren. Cool. Immerhin: Nachdem der Post von mehreren Online-Magazinen aufgegriffen wurde, finden sich unter dem Bild größtenteils positive Kommentare. Vor allem von Frauen, die sich nicht länger vorschreiben wollen, dass sie sich für ihre Körper schämen müssen.
Heulsuse #2: Sawsan-Chebli-Hater
Der Vorfall: SPD-Politikerin Sawsan Chebli besitzt eine Rolex und hat sie sogar schonmal auf Fotos getragen.
Die angemessene Reaktion: Gar nichts tun. Auch Menschen, die ich für soziale Gerechtigkeit einsetzen, dürfen teure Uhren besitzen.
Die tatsächliche Reaktion: Einen riesigen Shitstorm lostreten.
Was macht ihr, um euch für einen Erfolg zu belohnen? Eine Jobzusage, die euer Leben verändert, zum Beispiel, oder ihr seid das erste Mal nicht im Dispo. Kauft ihr euch eine Flasche Discounter-Champagner? Einen neuen Laptop? Nun, SPD-Politikerin Sawsan Chebli entschied sich anscheinend für eine Rolex. Sie wuchs als Tochter von Asylsuchenden in armen Verhältnissen auf – dann kam der Durchbruch in der Politik, 2014 sogar der Posten als stellvertretende Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Manche würden sich dafür einen Sportwagen in die Garage stellen, sie hängte sich lieber eine Luxusuhr ans Handgelenk. (Und die ist deutlich günstiger als ein Sportwagen.) Eine private Entscheidung, die die Armen in Deutschland nicht ärmer macht, sondern höchstens ein größeres Loch in Cheblis Konto reißt.
Umso absurder ist es, was geschah, als am vergangenen Wochenende vier Jahre alte Fotos der Politikerin verbreitet wurden, die sie mit ihrer Rolex zeigten. Die Geschichte, die damit erzählt werden sollte: Die SPD tut zwar so, als ginge es ihr um soziale Gerechtigkeit, eigentlich machen die sich aber nur die eigenen Taschen voll. Auf Facebook wurde die 40-Jährige wegen ihrer Uhr so heftig beschimpft, dass sie ihren Account deaktivierte. Wer politisch im eher linken Spektrum stattfindet, darf also sozial und wirtschaftlich nicht aufsteigen, sonst macht sie sich angreifbar. Insbesondere für rechte Twitter-Trolle dürfte Chebli auch deswegen so ein dankbares Ziel gewesen sein, weil sie Migrationshintergrund hat – und Frauen, vor allem die, die nicht aussehen wie Alice Weidel, dürfen es natürlich erst recht nicht zu irgendetwas gebracht haben.
Der beste Beitrag zu dieser peinlich-konstruierten Empörungsgeschichte kommt übrigens vom Postillon: “Nach Rolex-Streit um Sawsan Chebli: Diese Uhren tragen Deutschlands Spitzenpolitiker” Das ist zwar Satire, macht dann aber doch ziemlich deutlich, wie lächerlich diese Uhrendiskussion ist. Egal, welcher Partei jemand angehört.
Und jetzt dürft ihr abstimmen: Wer soll die Heulsuse der Woche sein?*
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