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Als Gast in den dreckigsten Fisch-Lokalen Londons

Mann isst Meeresfrüchte

Keine Frage, Hygienevorschriften für Restaurants sind sinnvoll. Sie sorgen dafür, dass die Leute, die dein Essen zubereiten, sich an grundlegende Regeln halten, damit dich dieses Essen nicht anwidert, vergiftet oder umbringt. Das ist eine gute Sache – aber gleichzeitig auch verdammt bürokratisch und für die Gäste nicht immer einfach nachzuvollziehen.

Während du in Deutschland nicht mal erfährst, wie ernst deine liebste Eckkneipe Küchenhygiene nimmt, sind andere Länder in diesem Punkt wesentlich transparenter. In Dänemark kleben beispielsweise bunte Smileys an den Fensterscheiben der Restaurants und in Großbritannien vergibt die staatliche Food Standards Agency (FSA) ein Hygiene-Rating von null bis fünf, die jeder im Internet nachlesen kann.

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Vor allem London ist berühmt berüchtigt für die lange Liste an Läden, die von der FSA mit null Punkten bewertet wurden. Überraschenderweise befinden sich darunter nicht nur zwielichtige Fish’n’Chips-Buden, sondern sogar angesehene, teure Restaurants, die auf Tripadvisor und anderen Seiten gut abschneiden.

Darum wollte ich selbst testen, was es mit dem FSA-Rating auf sich hat. Wie schmeckt Fisch, der in Sachen Hygiene null Punkte bekommen hat? Befriedigend abartig, wie der Döner im U-Bahnhof? Sagt ein miserables Hygiene-Rating gleichzeitig etwas über den Geschmack aus? Und: Kann ich so viel von dem Zeug essen, dass es mich umbringt? Mit diesen Gedanken startete ich den Selbstversuch.

Barry’s Fish Bar

Der Autor posiert vor Barry's Fish Bar

Für die erste Verkostung ging ich in Barry’s Fish Bar im Osten Londons, die von der FSA null Punkte erhalten hat. Um mich auf den Besuch einzustimmen, googelte ich vorher noch schnell die Symptome für eine Fischvergiftung: unkontrolliertes Erbrechen, Durchfall, starke Bauchschmerzen, allergische Reaktionen, Atemnot. Los geht’s!

Fettiger frittierter Fisch und frittierte Scampis

Der Autor mit einem Stück Fisch im Mund.

Meine Erwartungen an Barry’s Fish Bar wurden nicht enttäuscht: Das Kabeljaufilet im Backteig sah eher wie eine frittierte Socke aus und aus der Küche schlug mir der Geruch von frischen Fürzen entgegen. Ich bestellte eine frittierte Socke und ein paar Scampi, die glücklicherweise frisch für mich zubereitet werden mussten.

Obwohl der Fisch so fettig war, dass er durch zwei Lagen Einschlagpapier durchtriefte, schmeckte er auch nicht schlechter als andere frittierte Socken, die ich in der Vergangenheit gegessen habe. Die Scampi waren so heiß, dass ich mir die Zunge und den Mund verbrannte, deswegen kann ich über den Geschmack nicht viel sagen. Vielleicht auch besser so, denn optisch erinnerten sie mich an eine blassere und grauere Version von Rotze.

Fazit: Ich stimme dem FSA-Rating voll und ganz zu.

Bonnie Gull’s Seafood Shack

Der Autor vor Bonnie Gull's Seafood Shack

Als Nächstes ging es in Bonnie Gull’s Seafood Shack in Soho. Der Laden ist mit 4.5/5 Punkten auf Tripadvisor und 4.6/5 Punkten auf Google bewertet. Gastronomie-Kritikerin Grace Dent scherzte in ihrer Lobeshymne im Evening Standard sogar, dass das Essen hier so “verdammt gut” sei, dass sie fürchte, der Laden werde nach ihrer positiven Kritik so überrannt werden, dass sie erst Monate später wieder einen Tisch darin bekäme.

Nichtsdestotrotz: Die FSA verpasste dem Restaurant 0 von 5 Punkten. Da Bonnie Gull auch rohe Austern serviert, besteht – wie immer bei rohen Austern – zusätzlich zu herkömmlichen Lebensmittelvergiftungen die Gefahr, dass du dir Vibrio-vulnificus-Bakterien einfängst. Sie führen zu einer potenziell lebensgefährlichen Infektion mit “großen, entstellenden Geschwülsten”, die eine Amputation nötig machen können. Vielen Dank auch!

Krebsbeine und Austern

Da ich Austern sowieso noch nie leiden konnte, bestellte ich lieber Krebsbeine mit Zitronenmayonnaise. Wenn ich schon durch eine amnestische, diarrhöische, neurotoxische oder paralytsiche Muschelvergiftung sterben sollte, wollte ich davor wenigstens noch mal richtig gut essen.

Zu meiner großen Enttäuschung erlebte ich weder “Kribbeln und Taubheitsgefühl in Mund und Fingern” noch “lebensgefährliche Atembeschwerden”. Stattdessen war das Restaurant genauso, wie in den begeisterten Bewertungen beschrieben: angenehmes Licht, ordentliches Design, glänzendes Besteck, nettes Personal. Ich bekam sogar gratis Mineralwasser, so verdammt vornehm war es hier. Laut FSA waren jedoch in Sachen Lebensmittelhygiene “Verbesserungen” nötig, “dringende Verbesserungen” in Punkto Sauberkeit und “erhebliche Verbesserungen” in der “Organisation der Lebensmittelsicherheit”.

Fazit: Kann sein, dass hier totales Chaos im Kühlschrank herrscht, aber das Essen war spitze. Deswegen war ich unentschlossen. Satt und unentschlossen.

Der Autor mit einem Teller Krebsbeine

Sakana Sushi

Außenansicht vom Restaurant Sakana Sushi
Teller mit Sushi

Da ich mir entgegen aller Erwartungen bisher noch nicht die Seele aus dem Leib gekotzt hatte, setzte ich alle meine Hoffnungen in das unscheinbare Sushi-Restaurant Sakana Sushi im East End.

Während ich auf mein Essen wartete, lernte ich dank Google, dass der rohe Fisch in Sushi “Anisakis” enthalten kann – winzige Fadenwürmer, die sich in den Magen des menschlichen Wirtes bohren. Sie können schwere allergische Reaktionen, einen Darmdurchbruch, Herzrasen und Atemnot verursachen und sogar zum Tod führen.


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Also aß ich tapfer meinen rohen Thunfisch und Lachs und wartete geduldig darauf, dass sich ein Wurm durch meine Eingeweide fressen, ich tot umfallen und kopfüber in der Soya-Sauce landen würde.

Leider trat nichts davon ein: Das Sushi schmeckte gut, die Atmosphäre war angenehm.

Fazit: Wenn ich nicht gewusst hätte, dass sich meine Chancen auf Bauchkrämpfe, Fieber und Parasitenbefall durch den Verzehr von fragwürdigem Sushi gerade um ein Vielfaches erhöht hatten, hätte ich das Essen noch mehr genießen können.

Der Autor isst ein Stück Sushi.

Was haben wir daraus gelernt? 24 Stunden später bin ich immer noch nicht gestorben. Es ist keine gute Idee, direkt vor dem Essen “Symptome einer Lebensmittelvergiftung” zu googeln. Und: Nicht alle Restaurants, die in der Food-Szene gehypt werden, sind so sauber, wie man denken mag – selbst wenn das Essen gut schmeckt.

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