Am Tag bekomme ich bis zu 100 Nachrichten auf Instagram, Facebook und Twitter. Meist von Männern, die mein Aussehen kommentieren, oder die mir Fragen stellen wie: “Ist es gefährlich, mit einer menstruierenden Frau zu schlafen?” oder “Bist du eine Hure?” Als Sex-Kolumnistin und Frau mit Internetanschluss bin ich diese ungebetene Aufmerksamkeit von Männern derart gewohnt, dass ich sie kaum noch bemerke.
Trotzdem ist mir eine Sache nach wie vor ein großes Mysterium: Männer, die mir ungefragt Fotos von ihrem Intimbereich schicken. Ich bekomme pro Woche durchschnittlich fünf Penisfotos von Personen, mit denen ich noch nie gesprochen habe und es vermutlich auch nie werde.
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Was genau erhoffen sie sich davon im Idealfall? Dass ich ihnen ein Nacktfoto mitsamt meiner Adresse schicke und mich anschließend in die Badewanne lege, um dort ungeduldig auf sie zu warten? Haben die sie noch alle? Es stört mich nicht zwingend, wenn mir jemand beim Kiosk um die Ecke mit irgendwelchen Doppeldeutigkeiten Avancen macht, aber ungefragt Penisfotos schicken geht auch mir zu weit. Rechnen sich diese Typen damit wirklich Erfolgschancen aus, oder geilen sie sich einfach nur daran auf, Frauen mit ihrem Gemächt zu überfallen?
Wenn ich eine Fotonachricht auf Twitter oder Instagram von einem Fremden bekomme, kann ich auf das verschwommene Bild klicken, um es normal sichtbar zu machen, oder die Nachricht komplett ablehnen. Als Sexologin und eifrige Eigentorschützin muss ich natürlich jedes Mal klicken. Wenn das Bild sich als Penis herausstellt, lösche ich es sofort und zerbreche mir dann lange den Kopf über den Absender. Als ich vor Kurzem wieder so ein verschwommenes Bild anklickte und es sich – natürlich – wieder als Penis herausstellte, stand mein Entschluss fest: Ich muss dieser Sache auf den Grund gehen. Also fragte ich nach, mit folgendem Ergebnis:
Ich frage, ob er schon anderen ungefragt Fotos von seinen Genitalien geschickt hat, und er bejaht. Als ich nach seiner Erfolgsquote frage, klappt mir die Kinnlade herunter: Zwei von fünf Frauen sollen positiv reagieren. Das sind 40 Prozent!
Natürlich weiß ich nicht, ob er mich nicht einfach anlügt. Vielleicht ist es ihm peinlich, sich jetzt für diese Aktion rechtfertigen zu müssen. Vielleicht glaubt er auch, mich mit der Aussage überzeugen zu können, dass andere Frauen sich aufgrund eines Penisfotos mit ihm getroffen haben. Ich hake nach und frage, was er sich davon verspricht.
Er hofft also im besten Fall auf eine Art Fickbeziehung, gesteht aber auch, dass allein das Senden des Penisfotos ihn schon erregt hat. Ich frage, ob ihm nicht mal in den Sinn gekommen sei, dass die Empfängerin vielleicht keine Lust hat, seinen Penis zu sehen. Doch, das habe er bedacht, deswegen mache er das sonst auch kaum. Und weshalb dann bei mir?
Ich hätte es mir vorher denken: Natürlich glauben Typen, dass ich nichts lieber sehen möchte als ihre Penisse, wenn ich für VICE Texte über Sex schreibe. So auch mein neuester Dickpic-Sender. Als ich ihm erkläre, dass ich mich von seinem Verhalten entmenschlicht fühle, behauptet er, dass er das verstehe – aber wie sonst hätte er meine Aufmerksamkeit bekommen sollen?
In diesem Punkt hat er Recht: Ein Schwanzfoto sticht in meinem täglichen Wust aus Nachrichten tatsächlich hervor. Der Rest seiner Antworten macht mich allerdings traurig. Sie erinnern mich daran, dass Männer im Internet den Luxus haben, mich (und andere Frauen, vor allem solche, deren Beruf mit Sex zu tun hat) nicht als reale Person zu sehen, sondern als Postkasten für ihre einseitigen Anmachen und Masturbationsmaterial. Ich schreibe seit Jahren über Sex und habe dabei festgestellt, dass es viele Männer anscheinend schon unfassbar erregt, wenn eine Frau Sex auch nur erwähnt – geschweige denn detailliert beschreibt, wie sie sich Gegenstände einführt. Entweder hat sich dieser Mann wirklich ausgemalt, dass eine Frau wie ich auf seine visuelle Belästigung anspringt, oder es ist ihm schlicht egal, dass er mich damit verletzen könnte.
Insgesamt schreibe ich mit dem Penis-Poster etwa eine Stunde lang. Am Ende fragt er, ob noch etwas zu retten sei. Ich sage Nein und bedanke mich für seine Zeit. Wer einem direkt zu Beginn ein Penisfoto schickt, kann sich nicht mehr retten.
Immer wieder weigern sich die Männer, die ich auf ihre Penisfotos anspreche, einzugestehen, dass auch das eine Form von Belästigung ist.
Andererseits: Gibt es irgendeinen guten Zeitpunkt für ein Penisfoto, wenn man sich gerade erst kennenlernt? Anfang 2013 flirtete ich seit einer Woche mit einem Tinder-Match, als der Mann mir auf einmal ein Video schickte, das seinen Penis beim Ejakulieren zeigte. Ein Video! Wir haben uns nur einmal persönlich getroffen – und zwar letztes Jahr. Ich wollte unbedingt wissen, warum er damals dachte, dass er mich damit auf jeden Fall rumkriegen würde.
“Etwas an dir hat mich einfach erregt, und bei dir habe ich mich total wohlgefühlt”, sagte er. Ich fragte ihn, ob mein Job als Sex-Kolumnistin ihn dazu ermutigt habe. “Zum Teil”, gesteht er. “Aber ich finde auch, wir haben viel gemeinsam. Du wirkst wie jemand, der offen ist und nicht urteilt.”
Immer wieder weigern sich die Männer, die ich auf ihre Penisfotos anspreche, einzugestehen, dass auch das eine Form von Belästigung ist. Sie insistieren, dass es sich dabei einfach um eine unkonventionelle Anmachmethode handle. Oft auch dann noch, wenn ich sage, dass es mir damit nicht gut geht.
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Bei meinen Recherchen zu diesem Artikel spreche ich mit zahlreichen Frauen über ungebetene Schwanzfotos. Die überwältigende Mehrheit empfindet es wie ich als Grenzüberschreitung und beschreibt es als schreckliches Gefühl. Eine Frau erzählt mir, ein früherer Mitschüler, mit dem sie damals kaum etwas zu tun hatte, sei per Schwanzfoto auf Twitter aus der Versenkung aufgetaucht. “Ich hatte einen tollen Tag in der Arbeit, ich war joggen und mache mir gerade Tacos”, sagt sie. “Ich schaue auf mein Handy, habe eine Instagram-Nachricht und da ist auf einmal sein Penis.” Sie habe ihn gefragt, ob es vielleicht ein Versehen gewesen sei. Er sagte Nein, sie forderte eine Erklärung für sein Verhalten. “Er antwortete: ‘Komm rüber und find’s raus.’ Da bin ich ausgeflippt. Er wollte es dann darauf schieben, dass er betrunken wäre.”
Statt sich bei ihr für die offensichtlich nicht erwünschte Nachricht zu entschuldigen, stellte ihr ehemaliger Bekannter sich also als das wahre Opfer dieser Auseinandersetzung dar. Sie bekam keine Entschuldigung.
Penisfotos erscheinen manchen Männern als ‘risikoarme’ Methode, sich um eine Art Verbindung oder Intimität zu bemühen, sagt die Psychologin Sarah Davies im Interview mit Esquire. “Dieses zutiefst menschliche Bedürfnis schützen sie hinter einer sehr maskulinen äußeren Form, ohne sich dabei emotional verletzlich zu machen.” Laut der Expertin sei es für viele einfacher, wegen ihres Penisses zurückgewiesen zu werden, als aufgrund ihrer Persönlichkeit.
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Der Guardian zitiert den Blog des Psychologieprofessors Justin Lehmiller von der Harvard University, der ebenfalls eine Erklärung für das Phänomen hat: “Männer schätzen falsch ein, wie groß das Interesse von Frauen an ihren Penisfotos ist”, schreibt er. Gleichzeitig könne aber auch Exhibitionismus dahinterstecken. Dabei sei es für die Männer oft besonders erregend, wenn sie mitbekommen, dass ihr Verhalten die Empfängerin schockiert und verstört.
Bei meinen Recherchen habe ich nur ein einziges Beispiel für eine positive Schwanzfoto-Geschichte gefunden: Eine Frau hat es geschafft, aus den belästigenden Nachrichten Profit zu schlagen. Sie verkauft den Absendern ein Abo für ihren privaten Snapchat-Account. “Ich finde meine Abonnenten komplett durch ungebetene Penisfoto-Nachrichten auf Twitter”, sagt sie. Wenigstens eine Frau, die etwas anderes davon hat als Abscheu und ein Gefühl der Entmenschlichung.
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