„Bomberjacke auf Orange, heute fängt es endlich an, endlich wieder Stadion und keiner der uns halten kann…”, heißt es in einem Song vom Rostocker Rapper Milz. In der Fankurve ist die umgedrehte Bomberjacke beliebt, weil sie für ein auffälliges martialisches Bild sorgt. Genau dafür wurde die Jacke ursprünglich auch konzipiert. Die „Bomber” war eine Pilotenjacke vom amerikanischen Militär. Im Falle eines Absturzes konnte der Pilot mit der umgedrehten Jacke für Sichtbarkeit sorgen.
Auch Sven Friedrich erinnert sich, wieso die Jacke auf Orange gedreht wurde: „Wer früher zum Fußball gefahren ist, hat die Bomberjacke mit dem Innenfutter nach außen angezogen. Wenn es Stress gab und die Polizei jemanden gesucht hat, haben einfach alle die Jacken umgedreht.”
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Friedrich ist Fan vom BFC Dynamo und Inhaber vom Berliner Geschäft Hoolywood. Seit 1991 verkauft er dort Bomberjacken als „Gegenwear”. „Bekleidung für den erlebnisorientierten Jugendlichen” nennt er es. Für ihn ist die Jacke eine Art Lebenseinstellung, die aber nichts mit Nazis zu tun hat. Auf der Webseite von seinem Laden steht „Unpolitisch – Antirassistisch”. Er ist froh, dass die Jacke heutzutage nicht mehr so stark mit Rechtsradikalen in Verbindung steht, schließlich haben sie ursprünglich keine Nazis getragen.
Die ersten Teile der Zivilbevölkerung, die flächendeckend Bomberjacken trugen, waren „Mods” in den 60er-Jahren in Großbritannien. „Mods” und „Rocker” waren zwei rivalisierende und stark polarisierende Jugendbewegungen in Großbritannien. Über die Jahre entwickelten sich die Mods zu Punks und Skinheads, was aber nicht widersprüchlich war. Skinheads hatten damals noch keine feste politische Meinung. Erst aus einer hohen Jugendarbeitslosigkeit in den 70er-Jahren heraus resultierte ein Rechtsruck in der britischen Gesellschaft. „Anfang der 70er-Jahre war die Jugendarbeitslosigkeit in England ähnlich hoch wie jetzt in Spanien oder Griechenland”, erklärt Gabriele Rohmann, Leiterin des Archivs für Jugendkultur. Deswegen erhielt die rechtsradikale Partei „British National Front” bis in die 80er-Jahre extremen Zulauf.
Als die Skinhead-Bewegung Ende der 70er nach Deutschland schwappte, hatte sie längst einen rechtsradikalen Kontext. Skinheads und Hooligans pflegten eine enge Verbindung und waren seither die Hauptabnehmer von Bomberjacken und Springerstiefeln in Deutschland. Das Länderspiel gegen die Türkei im Oktober 1983 nutzten einige von Ihnen, um zum Kampf gegen die „Kanacken” aufzurufen. Das Problem war allerdings nicht nur auf Deutschland beschränkt. Jacek Purski, Mitglied der polnischen Antirassimus-Initiative „Nigdy Wiecej” („Nie wieder”), erklärt: „Zu Beginn der 90er-Jahre war das eine richtige Massenbewegung—die Stadien waren voll mit Fans, die ihre Bomberjacken mit dem orangefarbenen Innenfutter nach außen tragen mussten, da sie an der Außenseite der Jacke faschistische Symbole trugen.” Das ging soweit, dass Bundesfamilienministerin Christine Bergmann sich 2001 für ein Verbot aussprach.
Neben den Hooligans kam Ende der 90er-Jahre in Deutschland die Ultrabewegung auf, die seit jeher politisch links angehaucht ist. Die Bomberjacke spielte jedoch zunächst eine untergeordnete Rolle. Lediglich die Frankfurter Ultras nutzten sie im Dezember 2000 beim Auswärtsspiel in Stuttgart, um eine Choreographie zu unterstützen. Unter dem Motto „Orang Ultras” und „Ultra Kaos” hüllten sie den Gästeblock mit Papptafeln und ihren umgedrehten Jacken komplett in Orange. Danach wurde es jedoch ruhig um die Bomberjacke. Wirklich getragen wurde die Jacke nur noch in der Fetisch- und schwulen Skinhead-Szene. Die Nazi-Verbindung war zu abschreckend. „Das Image war so schlecht, dass man mit einer Bomberjacke nirgendwo mehr rein kam, weder in Clubs noch ins Stadion”, erinnert sich Friedrich.
Größere Aufmerksamkeit erhielt die immer in Subkulturen beliebte Jacke hierzulande erst wieder durch Bushido. Der allgemein für Provokation bekannte Rapper trug seit 2007 häufig eine Version von Alpha. Seit 2013 gelangte sie von einigen Kollektionen großer Modemarken sogar in den Mainstream. „Bei mir in den Laden kamen plötzlich Kunden und haben nach einer Bushido-Jacke gefragt”, erinnert sich Friedrich. Wahrscheinlich ein wichtiger Punkt, damit die Jacke ihr Nazi-Image loswerden konnte. Das eigene Feindbild in „Bomber” war zu viel für die Skins und Hools. Viele wanderten zu anderen Marken und Klamotten, beliebt ist heute beispielsweise Thor Steinar.
Seither sieht man die Jacke auch wieder in größerer Anzahl in den Fankurven. Die Frankfurter Ultras starteten beispielsweise „Orange Kaos”-Aktionen. 2009 traten sie in Karlsruhe geschlossen mit Bomberjacke auf—genauso 2013 in Bordeaux. Dynamo Dresden ist 2015 in selber Montur zum Duell nach Rostock gefahren. Das einheitliche orangene Bild wird gerne mit Pyrotechnik unterstützt. Genauso will es auch der Rapper Milz: „Pyrotechnik und Fußball gehören zusammen, das sollte nicht zu stark kriminalisiert werden.”
Abseits vom Stadion wurde die Jacke mittlerweile zur Fashion-Ikone. Seit einigen Jahren ist sie Dauergast der größten Laufstege der Welt. Trotzdem hat sich die Jacke ihre Anziehungskraft auf gesellschaftliche Randgruppen bewahrt. So wird die „Bomber” immer etwas Provokatives haben, ob „auf Orange gedreht” oder nicht.