Hier liege ich also, auf meinem Bett, und swipe lustlos bald nach links, bald nach rechts. Die Typen auf Tinder sehen so aus, als hätten sie für ihren Schnurri eigens Spezialwachs gekauft. Andere scheinen in ihrem Leben nichts anderes zu machen, als pumpen gehen. Von denen will ich wahrlich nicht gefickt werden. Enttäuscht werfe ich mein Handy weg, ohne darauf zu achten, wo es am Ende landet. Ich bin mal wieder in einer meiner Depri-Phasen, nachdem meinem Ex-Freund nach ein paar Monaten Beziehung plötzlich der Gedanke kam, dass das Leben für etwas Ernstes „gerade viel zu verrückt ist” und das Timing „einfach nicht stimmt”. Mit anderen Worten: Er hat mich abgeschossen. Also wieder zurück bei Punkt null. Wer wird der nächste emotional verkrüppelte Kindskopf sein, der schon vor Ende 20 plötzlich in einer Midlifecrisis steckt und sich deswegen nicht auf mich festlegen will?
Anstatt aufzustehen und nach meinem Handy zu suchen (das ich hoffentlich nicht kaputt gemacht hatte), blieb ich lieber liegen und beschloss, einer meiner liebsten und besonders stimmungsaufhellenden Beschäftigungen nachzugehen: masturbieren. Dieses Mal mit einem Dildo aus 100 Prozent geschliffenem schwarzen Onyx. Ich starre ihn an, seufze, ziehe das Höschen runter und beginne zu rubbeln.
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Seit ich den Chakrub vor einer Woche bekam, habe ich jeden Tag mit ihm masturbiert. Chakrubs gehören zu einem wachsenden Markt von kristallenen Sexspielzeugen (auf Etsy und Co. erhältlich), die aus teuren Mineralien hergestellt werden und eben nicht aus billigem Silikon oder Plastik. Kristallen dieser Art werden metaphysische Eigenschaften nachgesagt, die man zum Heilen, Erleuchtungfinden, positiv Denken und weiteren Bullshit verwendet.
Ich habe bereits einen nicht unwesentlichen Teil meines hartverdienten Geldes für Kristalle rausgeschmissen. Meine Wohnung ist voll mit Citrinen und Quarzen. An meiner Wand über dem Schreibtisch hängen unter einem Heiligenfoto zwei kleine Kreativitätskristalle. Auf meinem Nachttisch steht ein weiterer Kristall, der einen angeblich von Stress befreien soll. Obwohl es Kristalle schon seit Ewigkeiten gibt, scheinen ihre Heilkräfte erst seit Kurzem besonders gut zu vermarkten sein. Überall kann man Gegenstände aus irgendwelchen Edelsteinen und Kristallen kaufen, sei es als Schmuck, Kerzenständer, Lampen, Pfeifen und jetzt—der Logik stringent folgend—natürlich auch als Dildos.
Trotz des Vormarsches von Kristallen bleibt die Wissenschaft mehr als skeptisch, was deren angebliche Zauberkraft betrifft. Im Jahr 2001 hat Dr. Christopher French—Professor am Godlsmith’s College in London—eine Studie durchgeführt, in deren Rahmen er die angebliche Heilwirkung von Kristallen getestet hat. Die Hälfte der Teilnehmer erhielten dabei echte Kristalle, wohingegen die andere Hälfte mit Fake-Kristallen abgespeist wurde. Dann bekamen alle Teilnehmer eine Broschüre, in der die Wirkung, die sie von den Kristallen zu erwarten hätten, beschrieben wurde. Von den 80 Teilnehmern gaben nur sechs an, nichts gespürt zu haben. Der Rest, ob nun mit echtem oder gefälschtem Kristall in der Hand, gab an, an bestimmten Körperstellen Wärme oder einfach nur eine höhere Konzentration verspürt zu haben. French sagte zum Telegraph: „Die Tatsache, dass dieselbe Wirkung sowohl bei echten als auch bei unechten Kristallen wahrgenommen wurde, schwächt die Behauptung, dass Kristalle über magische Kräfte verfügen würden.”
Skeptiker sind sich eh einig, dass die einzige Kraft, die von den Dingern ausgeht, in der Kraft der Suggestion liegt. Aber was soll ich sagen? Ich bin ja auch einer von denen, die sich eine Menge Schwachsinn kaufen, in der Hoffnung, dass ein paar der versprochenen Wirkungen wirklich eintreten.
Darum habe ich mir auch den Chakrub aus schwarzem Onyx zugelegt. Bei Selbstbefriedigung soll er angeblich eine heilende Wirkung entfalten. Da konnte ich natürlich nicht nein sagen. Außerdem verspricht der steinerne Liebesknochen dabei zu helfen, „über vergangene Beziehungen hinwegzukommen.” Doch damit nicht genug: Er soll auch „vor negativen Schwingungen schützen und für emotionale Stabilität sorgen.” Genau diese drei Punkte gehören zu meinen größten Baustellen. Wer meine Kolumne kennt, weiß auch, dass mein Liebesleben ein einziges Schlachtfeld ist. Zudem dreht sich ein Großteil meiner Sorgen eh um das Thema Sex. Darum dachte ich mir: Wenn du dir diesen Chakrub kaufst und die Sache wirklich ernst nimmst, könntest du eine dringend benötigte Heilung erfahren, die dir wiederum dabei helfen könnte, deine Sorgen in den Griff zu kriegen und dein Liebesleben wieder in Schwung zu bringen.
Um also meinem Superkristall den nötigen Respekt entgegenbringen zu können, habe ich mich mit seiner Erfinderin, Vanessa Cuccia, in Verbindung gesetzt. Ich wollte von ihr wissen, wie genau ich zu masturbieren hätte, um die Zauberkräfte in Gang zu setzen. Doch da stellte Cuccia gleich mal klar, dass mein Chakrub über keine Zauberkräfte verfügen würde. „Die molekulare Struktur von Kristallen ist so perfekt, dass sie vibrieren und sehr starke, sehr harmonische und sehr gesunde Frequenzen abgeben. Wenn du einen Raum mit einem Kristall teilst, dann passt sich deine Energie an seine an, was dich gesünder macht.”
Hört sich logisch an.
Dann war da aber noch die Frage, ob ich beim Masturbieren routinemäßig vorgehen durfte. Oder musste ich vielleicht ein bestimmtes Mantra wiederholen? Dürfte ich mir in der Gegenwart des heiligen Kristalls überhaupt einen Porno reinziehen? Musste ich vielleicht sogar in einer Art Yoga-Stellung sitzen? Cuccia gab Entwarnung. Sie betonte, dass es beim Masturbieren mit dem Chakrub kein richtig oder falsch gibt. Das Wichtigste sei vielmehr, dass man—während man sich ihn rein und raus schiebt—stets sehr bewusst bleibt. Außerdem müsse man seine physischen wie emotionalen Blockaden aktiv bekämpfen, um den Spaß in vollen Zügen ausschöpfen zu können.
Mit all diesen schlauen Ratschlägen im Hinterkopf begann ich also. Der Chakrub ist ziemlich schwer und vibriert nicht. Gleichzeitig fühlt er sich extrem weich an und schenkt meiner Klitoris samt Umgebung ein sehr angenehmes Gefühl von Kühle (Borat hätte es wohl „very nice” genannt). Aufgrund des Fehlens einer physisch wahrnehmbaren Vibrierfunktion dauern meine Masturbationssessions mittlerweile doppelt so lang. Mein getreuer Vibrator von davor hat Masturbieren zu einer unfassbar schnellen (lies: zu schnellen) Angelegenheit gemacht. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, hatte das fast schon was von einem Uhrwerk. Die Arbeit war schnell getan und ein Orgasmus nach höchstens fünf Minuten war garantiert.
Munchies: Sex + Food: Highloves Liebestrank
Mein schwarzer Chakrub hingegen bewirkte, dass ich härter arbeiten musste, um zum Orgasmus zu kommen. Das fühlte sich aber keineswegs nach harter Arbeit an. Ganz im Gegenteil: Indem ich deutlich mehr Zeit mit meiner Klitoris verbrachte, wurde mein Masturbationserlebnis viel intimer und intensiver. Ich wurde an meine Pionierzeit erinnert (also die ersten Male, als ich mich selbst befriedigte), als Orgasmen noch etwas ganz Neuartiges waren. Ich war damals ungefähr 12 und das einzige phallische Objekt, das ich mir legal besorgen konnte, war eine Zahnbürste. Ich holte mir eine mit so einem speziellen Zungenaufsatz, der—das weiß ich noch ganz genau—sehr, sehr effizient war. Ich versteckte sie unter meinem Bett und wartete so lange, bis meine Eltern ganz sicher eingeschlafen waren. Erst dann holte ich sie hervor. An diesem Tag fand ich eigenhändig zum ersten Mal heraus, dass meine Vagina tatsächlich einen Hohlraum hat.
Nach einer Woche mit meinem Chakrub kann ich definitiv sagen, dass ich Dinge spüre, die ich mit anderen Sex-Toys noch nie gespürt habe. Es fühlt sich sogar irgendwie falsch an, von ihm als Spielzeug zu reden. Wohl wissend, dass viele Leute mit Kristallen spirituelle Erfahrungen assoziieren, fühle ich mich dazu verpflichtet, ihm den Respekt entgegenzubringen, auf den meine flinken Vibratoren bis heute noch warten.
Während sich meine Selbstbefriedigungssitzungen deutlich verbessert haben, verspüre ich noch immer Beklemmungen, wenn es um Sex und Dates geht. Noch immer fühle ich die Last meiner vorherigen Beziehungen, bin zu pessimistisch und sehne mich nach emotionaler Stabilität. Vielleicht muss ich noch mehr Zeit mit meinem Schwanz aus Stein verbringen? Vielleicht bin ich nicht bewusst genug, während ich es mir selbst mache? Oder ist der Chakrub am Ende einfach nur Schwachsinn?
Wie dem auch sei, ich bereue nicht, ihn gekauft zu haben, und werde ihn auch weiterhin benutzen. Denn eins steht fest: Seitdem ich ihn mein Eigen nennen kann, ist Masturbieren wieder etwas Besonderes für mich geworden. Es ist wieder etwas, auf das ich mich freue, wenn ich an den Abend denke—und nicht einfach nur so eine Sache, die man möglichst schnell über die Bühne bringt. Dank des Chakrubs habe ich gelernt, mich selber mehr zu lieben. Wenn ich so darüber nachdenke, ist das ein ziemlich guter Anfang und deutlich besser, als sich immer nur in neue Beziehungen mit Männern zu stürzen.
Thumbnail-Foto: Take Back Your Health Conference | Flickr | CC BY 2.0