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Politische Überzeugung

SWR-Recherche: AfD-Politiker bieten Stadtratsmitglied 30.000 Euro, damit er verschwindet

Das Geld wollten die AfDler aus eigener Tasche zahlen.
Collage: VICE || Koffer: imago | STPP & Fiechtner: imago | Lichtgut 

Manche schmeißen Rasierschaumtorten, um AfD-Politiker mitzuteilen, dass sie nicht erwünscht sind, andere bauen Holocaust-Mahnmale vor ihre Haustür. Wenn das nichts bringt, bleibt nur noch das älteste Argument der Welt: Geld. Das dachten sich offenbar drei AfD-Funktionäre in Baden-Württemberg.

Die AfD-Fraktion im Stuttgarter Gemeinderat war so genervt von einem Kollegen, dass sie ihm eine fünfstellige Summen angeboten haben soll, damit er verschwindet. Laut SWR sollte der Stadtrat Heinrich Fiechtner bis zu 30.000 Euro bekommen, wenn er sein Mandat zugunsten eines Nachrückers niederlegt.

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Bisher bestand die AfD im Gemeinderat aus vier Mitgliedern, die Mindestzahl, um in Stuttgart eine Fraktion zu bilden. Fichtner war einer von ihnen. Dann kündigte er an, aus der AfD-Fraktion auszutreten, sein Mandat als fraktionsloses Mitglied aber zu behalten. Für die AfD hieße das: Wenn Fiechtner im Rat weiter arbeitet, blockiert er den Platz für einen Nachrücker aus der AfD. Die Partei würde daraufhin den Status als Fraktion verlieren und damit Geld und Einfluss im Gemeinderat.

Die drei verbliebenen AfD-Stadträte boten Fiechtner daraufhin Deals bis zu 30.000 Euro an, wenn er sein Mandat abgibt, so der Vorschlag des Ratsmitglieds Eberhard Brett. Das sei in einem Sitzungsprotokoll vom 14. Februar festgehalten, so der SWR.

Folgende Angebote sollen diskutiert worden sein: Fiechtner bekommt 25.000 Euro, den Betrag würden die drei Stadträte "privat" zahlen. Falls Fiechtner nicht nur die Fraktion, sondern auch den Gemeinderat verlässt, könne der Onkologe auch einen Beratervertrag für ein Stuttgarter Krankenhaus übernehmen, so die Überlegungen der AfDler. Dafür könnte Fiechtner 1.500 Euro monatlich für die laufende Amtsperiode erhalten und die endet erst im Frühjahr 2019.

Dieser Vorschlag solle vom Rechnungsprüfungsamt auf Zulässigkeit gecheckt werden, heißt es weiter im Protokoll. Falls der Vertrag rechtlich nicht durchgeht, solle Fiechtner 10.000 Euro von jedem Stadtrat bekommen, ebenfalls aus eigener Tasche, also noch mehr als in dem ursprünglichen Angebot. Laut SWR hat das Rechnungsprüfungsamt aber bisher keine Anfrage der AfD erhalten.

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Die vier AfD-Männer beschreiben die Stimmung in ihrer bisherigen Gemeindefraktion als ziemlich düster. AfD-Stadtrat Lothar Maier schließt "jede weitere persönliche Zusammenarbeit" mit Fiechtner aus. Er wolle sowieso sein Ratsmandat bald aufgeben, weil er nun Bundestagsabgeordneter sei. Sein Kollege Eberhard Brett droht mit seinem Austritt, falls Fiechtner bleibt, und bezeichnet ihn als "ehrlosen Polit-Clown". Dabei war Brett auch schon vor dem unmoralischen Angebot an seinen Kollegen nicht der Ehrlichste: Er wurde im Mai letzten Jahres wegen vorsätzlichen Betrugs zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Maier lehnte es ab, einen einmaligen Gesamtbetrag zu zahlen, weshalb er den Beratervertrag vorschlug. Beide Ratsmitglieder bestätigten die Überlegungen dazu. Der Südwest Presse sagte Heinrich Fiechtner, seine beiden ehemaligen Parteifreunde Maier und Brett denken, "Mandate seien ein käufliches Gut". Nur der Fraktionsvorsitzende Bernd Klingler sei gegen den Handel gewesen.

Für Fiechtner ist die Reaktion seiner Kollegen ein "eklatanter Affront gegen alles, was recht und billig ist". Ihm sei klar geworden, dass er den Gemeinderat nicht mehr verlassen könne, sagte er dem SWR, "weil ich dieser rechtlosen Haltung ansonsten Vorschub leisten würde".

Bereits im November trat Fiechtner aus der Partei und der AfD-Landtagsfraktion aus. Er warf seinen Kollegen in der Flüchtlingsdebatte fehlende Abgrenzung zum Antisemitismus vor und einen Rechtsruck, den er nicht mittragen wolle. Maßgeblich für Fiechtners Austritt war auch die Wiederaufnahme des AfD-Politikers Wolfgang Gedeon in den baden-württembergischen Landtag. Gedeon behauptete, die Juden arbeiteten an der "Versklavung der Menschheit im messianischen Reich der Juden". Fiechtner bezeichnete ihn deshalb auf einer Pressekonferenz als Antisemiten.

Es ist unklar, ob das Angebot der AfD rechtliche Konsequenzen hat. Laut SWR prüfe die Stadt Stuttgart rechtliche Schritte, falls es Anhaltspunkte für Straftaten gibt. Fiechtner ist mittlerweile aus der AfD-Fraktion des Gemeinderats ausgetreten.

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