Ausgrenzung passt vielleicht zu Rechtspopulismus, aber eher nicht zu einer Schule. Eine Waldorfschule in Berlin sieht das offenbar anders: Sie hat ein Kind eines AfD-Abgeordneten abgelehnt, da man Sorge habe, der Vater könne den “Schulfrieden” gefährden. Der Geschäftsführer der Waldorfschule teilte der Berliner Zeitung mit, dass sie das Kind nicht “unvoreingenommen” aufnehmen und behandeln könnten. Name und Alter wurden zum Schutz des Kindes nicht veröffentlicht, fest steht aber, dass es von einer Waldorfkita auf die Waldorfschule wechseln wollte. Es ist also noch nicht in dem Alter, indem es eigenständig politische Flugblätter verfassen und an Mitschülerinnen und Mitschüler verteilen könnte. Ist es also wirklich klug, das Kind auszugrenzen, anstatt es täglich mit einer aufgeklärten Haltung in der Schule zu konfrontieren?
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Kinder haften nicht für ihre Eltern
Wer ein aktive Kindheit hatte, der weiß, dass nicht die ganze Welt ein guter Spielplatz ist. Vor allem nicht das eingezäunte Baugelände mit dem großen Schild “Eltern haften für ihre Kinder”. Da hatte man immer das mulmige Gefühl, Mama und Papa würden direkt in Handschellen abgeführt, sobald man über den Zaun klettert. Das Schild sagt im Prinzip, dass Eltern für die Erziehung ihrer Kinder verantwortlich sind. Anders herum macht diese Logik keinen Sinn. Denn Kinder können nichts für ihre Eltern.
Ende November befragten etwa 20 Lehrkräfte den AfD-Abgeordneten und seine Frau bei einem Treffen zu ihren politischen Ansichten. Die Antworten, die dort gegeben wurden, führten laut Geschäftsführer nicht dazu, dass sich der Konflikt schneller lösen lasse. Denn über die Aufnahme des Kindes wurde bereits Monate diskutiert. Es ist grundsätzlich nicht verkehrt, die AfD und ihre Vertreterinnen zu hinterfragen. Aber es ist fragwürdig, ein Elternpaar zu verhören, wenn sich nicht gleichzeitig alle Eltern einem Kreuzverhör stellen müssen. Denn man muss kein Parteimitglied der AfD sein, um sexistisch, homofeindlich oder ausländerfeindlich zu sein.
Der Fall wird zu Recht geprüft
Formal ist es so: Privatschulen dürfen sich ihre Schüler und Schülerinnen aussuchen. 30 Plätze konnten an besagter Schule vergeben werden, und circa 140 Anmeldungen seien eingegangen. Das heißt, 110 Kinder mussten abgelehnt werden. Da das Kind des Abgeordneten schon eine Waldorfkita besucht hat, sollte es eigentlich bevorzugt werden. Durch den Job des Vaters bei der AfD wurde es nun aber benachteiligt. Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres von der SPD hat von dem Fall aus den Medien erfahren und findet es “sehr kritisch, wenn ein Kind für das politische Engagement der Eltern verantwortlich gemacht wird”. Sie lässt den Fall nun von der Privatschulaufsicht prüfen.
Wovor fürchtet sich die Schulleitung? Ein Politiker allein kann keine ganze Schule unterwandern. Und es klingt auch unrealistisch, dass ein einzelnes Kind Propaganda für Rechtspopulismus betreiben könnte und eine Waldorfschule zur neuen AfD-Mini-Parteizentrale umkrempelt. Außerdem können Schülerinnen sich auch ohne Erwachsene gegen die AfD zur Wehr setzen – wie eine Berliner Schule diesen September zeigte.
Bekämpft nicht Feuer mit Feuer
“Gegenüber Intoleranten sei keine Toleranz angezeigt”, sagte der Geschäftsführer der Waldorfschule. Und es gibt sicher viele gute Gründe, warum man mit der AfD nicht diskutieren kann. Zum Beispiel, weil ihre Argumente auf verdrehten Fakten und falschen Zahlen basieren. Oder weil sie bei einer Konfrontation in Alice-Weidel-Manier wütend aus dem Raum stürmen. Aber sobald Kinder involviert sind, sollte man diesen Konflikt nicht scheuen. Denn Kinder wissen nicht, wie man die AfD in 60 Sekunden verbal zerlegen kann. Kinder müssen erst noch lernen, dass man Probleme nicht löst, indem man sie einfach wegschiebt.
Diese Schulleitung verhält sich ziemlich kindisch. So gewinnt man den Kampf gegen rechts sicher nicht.
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