Wagyu-Rindfleisch ist bekannt für seine intensive Marmorierung und eine Textur, die auf der Zunge zergeht. Wenn Köche dann hochqualitative Steak-Cuts oder Beef Sliders, kleine Burger, mit dem Wagyu-Label versehen, werden Gäste, die nach Premium-Fleisch lechzen, gern einen höheren Preis zahlen. Doch wagyu ist ein weitgefasster Begriff, es gibt große Qualitätsunterschiede. Wie kann man also als Erzeuger sicherstellen, dass Restaurants auch ein Produkt servieren, bei denen die Gäste wissen, dass es auf dem oberen Ende der Wagyu-Skala rangiert?
Man füttert seinen Kühen Schokolade.
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So wird das auf der Mayura Station Farm im Süden Australiens gemacht. Hier essen reinrassige Wagyu-Rinder in den letzten Monaten ihres Lebens Schokolade. Scott de Bruin, einer der Teilhaber der Farm, hat 2006 damit begonnen, seinen Rindern Schokolade zu füttern, weil er das empfohlene Futter wegen der Abgeschiedenheit seiner Farm nur schwer auftreiben konnte.
„Ich habe das Futter in die einzelnen Nährstoffkomponenten aufgeteilt und dann wieder zusammengesetzt und meine eigene Futterrezeptur entwickelt”, erinnert er sich. „Die Grundnährstoffe sind gleich oder zumindest ähnlich. Doch wir erreichen sie auf etwas andere Art und Weise.”
Für seine Rezeptur war eine Zutat enorm wichtig: Schokolade von Cadbury. Für die Kühe muss es keine Edelschokolade aus Bio- und Fair-Trade-Produktion und ohne Zusätze sein. Am Anfang war es nur ein Experiment, nun gehört die Schokolade fest zu den Alleinstellungsmerkmalen seines Wagyu-Fleisches, genauso wie die schneeflockenartige Marmorierung und der buttrige Geschmack.
Rindern Schokolade zu füttern hört sich erst einmal unkonventionell an, doch so neu ist das Konzept ist gar nicht. Nachdem die Maispreise 2012 stark angestiegen waren, haben auch viele Farmer in den USA versucht, mit Süßigkeiten und Schokolade Geld beim Futter zu sparen. Wiederkäuer wie Kühe haben vier Mägen und können quasi fast alles verdauen. Die Pennsylvania State University, die als ein Kompetenzzentrum für Landwirtschaft in den USA gilt, empfiehlt sogar unter anderem Süßigkeiten und Schokolade als alternatives Futtermittel.
„Viele Leute fragen mich, wie ich meinen Kühen nur Schokolade füttern kann. Aber sie sind ja nicht lange hier”, meint Scott de Bruin. „Bald gehen sie in den Kuhhimmel, aber so sind sie glücklicher und schmecken besser.”
Mit ihrem köstlichen Rindfleisch ist die Mayura Station Farm seit 1845 im Geschäft und ist damit die älteste Farm in Südaustralien. Heute führt de Bruin das Familienunternehmen, das seit 1998 Wagyu-Rinder aus Japan importiert. Mit 7.500 Wagyu-Rindern auf drei Hektar Fläche ist es eine der größten privaten Farmen mit reinrassigen Wagyu-Rindern weltweit. Das ist fast ein Viertel aller reinrassigen Tiere in Australien.
Doch nicht jeder Bulle kommt in den Genuss dieses süßen Futters. Nur die Kälber fressen Schokolade und dann auch nur zu bestimmten Zeiten in ihrem kurzen Leben.
Die ersten sechs Monate verbringen die Kälber bei ihrer Mutter, trinken Milch und grasen auf den Weiden. Dann werden sie entwöhnt und haben von nun an sorgsam ausgearbeitete Essenspläne. Jeder Zwei-Monats-Plan ist auf ihr Alter und ihren Nährstoffbedarf abgestimmt. Die Schokolade gibt es erst, wenn die Kälber 30 Monate alt sind—je näher das Schlachthaus rückt, desto mehr Schokolade essen sie.
„Bei den letzten zwei Etappen geht es darum, für so viel Marmorierung wie nur möglich zu sorgen, deshalb bekommen sie auch so viele Kalorien zu essen”, meint de Bruin. „Denk mal drüber nach: Wenn du selbst viel isst, bist du wahrscheinlich auch gut marmoriert.”
Während des letzten Essensplans—ihnen bleiben noch vier Monate auf der Erde—isst jedes Tier pro Tag fast zwei Kilo Schokolade. Zehn Kilo Futter essen sie täglich, damit macht die Schokolade also ein Fünftel der Tagesration aus.
„Ich kann nur sagen, dass sie in diesen letzten vier Monaten sehr, sehr glückliche Kühe sind”, sagt er. „Sie durchforsten das Futter auf der Suche nach Schokolade. Wenn man die Schokolade in der Hand hat, traben sie hinter einem her. Es ist, als würde man Kindern Süßigkeiten geben. Sie lieben es einfach.”
Diese letzte Etappe nennt Scott de Bruin auch die „Geschmacks-Ration”, weil dadurch die einzigartige Textur und der Geschmack des Fleisches entstehen. Die meisten anderen Farmer überspringen diese letzte Fütterungsphase, weil dadurch der Herstellungsprozess um ein paar weitere Monate verlängert würde—ohne einen direkt spürbaren Vorteil. Der Preis für Wagyu-Rindfleisch hängt größtenteils vom Marmorierungsgrad ab, also vom prozentualen Fettanteil und weniger vom Geschmack oder der Textur.
„Das ist, als würde man den Wert nur über Äußerlichkeiten bestimmen”, meint Jason Lo, Geschäftsführer beim Hongkonger Fleischhändler Waves Pacific. „Aber es geht nicht nur um die Marmorierung, genauso wie es bei einem guten Wein nicht nur um das Anbaugebiet oder die Farbe geht.”
Der Markt für Wagyu-Rindfleisch entwickelt sich ähnlich wie der Weinmarkt: Genauso wie Weintrinker die Rebsorte, das Jahr und den Hersteller kennen wollen, wollen auch immer mehr Verbraucher sich über die Produkte informieren und wissen, woher ihr Fleisch genau kommt. Deshalb bittet die Mayura Farm auch die Restaurants, den Markennamen auf der Karte abzudrucken. De Bruin möchte, dass die Gäste das Fleisch als ein einzigartiges Produkt mit eigener Geschichte wahrnehmen.
„Wenn man es zu sehr als Wagyu-Rindfleisch bewirbt, dann gibt es automatisch die Erwartung, dass man ein japanisches A5-Steak mit viel Fett in der Mitte bekommt”, erklärt er. „Bewirbt man es mit dem Label ,Mayura Station Wagyu’ haben die Kunden nicht unbedingt eine vorgefasste Meinung, wie das Fleisch schmecken wird.”
Wagyu heißt eigentlich „japanisches Rind” und ist ein Begriff, der vieles umfasst. Je nach Abstammung und Marmorierungsgrad wird es in unterschiedliche Klassen eingeteilt. Das meiste Wagyu-Fleisch auf dem australischen Markt kommt aus verschiedenen Quellen. Es gibt verschiedene Stufen: Reinrassige Rinder, die genetisch zu 100 Prozent Wagyu-Rinder sind. Bei Rindern der Kategorie F1 war der Vater ein Wagyu-Rind und die Mutter eine Angus-Kuh. In der Kategorie F2 war der Bulle ein Wagyu, die Mutter ein F1-Rind. Und bei F3-Rindern war der Vater ein Wagyu-Rind, die Mutter eine F2-Kuh.
Doch trotz der genetischen Vermischungen werden sie alle Wagyu genannt. Weil de Bruin nur reinrassige Rinder züchtet—wenn auch mit einer eigenen, süßen Strategie—, will er sich von der weitgefassten Wagyu-Kategorie distanzieren. Und wie Köche in Hongkong, einem boomendem Markt für Wagyu-Rindfleisch, bestätigen, funktioniert die Strategie von Mayura der etwas langsameren, dafür perfekt abgestimmten Zucht. Der italienische Koch Umberto Bombana vom 8½ – Otto e Mezzo Bombana, war einer der ersten, der das Fleisch von Mayura Station verwendet hat. Es folgten zahlreiche weitere Top-Restaurants in Hongkong, die bereit waren, für dieses ihrer Meinung nach Wagyu-Fleisch höchster Güte einen hohen Preis zu zahlen, immerhin 20 bis 30 Prozent mehr als für F1-Rindfleisch.
„In Hongkong kann man nicht so viele Kleinproduzenten haben wie in Europa oder Australien. Das Tolle am Fleisch von Mayura ist die Nachverfolgbarkeit”, meint Shane Osborne, Koch im modernen britischen Restaurant Arcane in Hongkong.
Zungen, Wangen, Flank-Steaks—auf der Karte vom Arcane findet sich fast immer Fleisch von Mayura, wenn auch immer unterschiedliche Cuts. „Nach unseren Rippchen sind die Leute verrückt. Eine Kreuzung aus Rindfleisch und Crème Brûlée: süß und außen schön knusprig.”