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Ältere Paare verraten, wie sich Sex und Liebe über Jahrzehnte verändert haben

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Eine lebenslange Partnerschaft ist heutzutage selbst nach einer Hochzeit keine Selbstverständlichkeit mehr. In Deutschland etwa lag die durchschnittliche Scheidungsrate im Jahr 2019 bei fast 36 Prozent – das heißt, auf drei Eheschließungen kam ungefähr eine Scheidung. Es gibt aber trotzdem noch viele ältere Pärchen, die sich auch nach mehreren Jahrzehnten Beziehung noch genauso lieben wie an Tag 1.

Aber wie verändern sich Liebe und körperliche Zuneigung, wenn der Körper immer schlaffer und gebrechlicher wird? Genau darüber haben wir mit drei älteren Paaren gesprochen.

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Clémence (96) und Lambert (96)

Die beiden Rentner Clémence und Lambert in jungen Jahren und heute
Clémence und Lambert damals und heute

VICE: Ihr seid jetzt seit 76 Jahren verheiratet. Wie lief es mit dem Flirten bei eurem Kennenlernen? Lambert: Ich war gut mit Clémences Brüdern befreundet und habe Clémence deswegen öfter gesehen. Bei mir war es Liebe auf den ersten Blick. Immer wenn ich bei ihnen zu Hause war, saß ich in der einen Ecke des Zimmer und Clémence in der anderen. Da haben wir natürlich Blicke ausgetauscht – und eines Tages wagte ich den ersten Schritt.
Clémence: Als wir heirateten, feierten wir keine wilde Party oder so. Es herrschte ja gerade Krieg und um 18 Uhr war Sperrstunde. Da wäre eh nichts Großes drin gewesen.


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Wie hat sich eure Liebe über die Jahre entwickelt? Lambert: Als wir noch jünger waren, kamen wir jeden Abend erst um Mitternacht nach Hause und mussten am nächsten Morgen um sieben Uhr wieder raus. Wir hatten ja fünf Kinder zu versorgen. Mehr als die gemeinsame Zeit im Bett blieb uns da kaum.
Clémence: Wir haben uns nicht so oft gesehen. Jetzt sind wir älter und genießen unsere gemeinsame Zeit. So konnten wir uns selbst neu entdecken. Als wir heirateten, hätten wir nie gedacht, dass wir so lange zusammenbleiben. Die Leute beglückwünschen uns immer zu unseren 76 gemeinsamen Jahren, aber für uns fühlt sich das ganz natürlich an.

Der Körper verändert sich mit dem Alter. Wie geht ihr damit um? Clémence: Wenn ich im Fernsehen andere Männer sehe, die genauso alt sind wie Lambert, dann denke ich mir immer, dass er viel besser aussieht als sie. Die ganzen gemeinsamen Erinnerungen machen ihn für mich besonders schön.

Marguerite-Marie (74) und José (77)

Die beiden Rentner Marguerite-Marie und José in jungen Jahren und heute
Marguerite-Marie und José damals und heute

VICE: Ihr seid seit 58 Jahren zusammen, 54 davon verheiratet. Wie schafft ihr es, dass es nicht langweilig wird? José: Wir sind vernünftig und reden über unsere Fehler, wenn wir mal streiten. Und Streit gab es schon viel. Aber so ist unsere Beziehung danach stärker als zuvor. Außerdem geben wir uns gegenseitig Zeit für uns selbst – und entdecken uns danach immer wieder neu. Inzwischen weiß ich auch, wenn sie kurz davor ist, durch die Decke zu gehen. Unsere Auseinandersetzungen sind zu einer Form der Kommunikation zwischen uns geworden.

War euch beim Kennenlernen schon klar, dass ihr so lange zusammen sein werdet? Marguerite-Marie: Ich habe natürlich nicht mit dem Gedanken geheiratet, dass die Ehe nur zehn Jahre halten wird. Vielleicht haben wir ein bisschen mehr Glück gehabt als andere Paare. Wir haben uns zusammen weiterentwickelt. Früher war ich eher konservativ, heute schon fast eine Anarchistin. Das habe ich von ihm.
José: Es sind viele kleine Dinge, die unsere Beziehung so stark machen: Erinnerungen an die Vergangenheit, unsere Kinder, unsere Enkel und unser fortlaufendes Zusammenleben. All das verändert sich natürlich im Laufe der Jahre, wir müssen immer andere Probleme meistern.

Wie steht es um die körperliche Anziehung, was hat sich da bei euch verändert? Marguerite-Marie: Ich war 17, als wir uns kennenlernten. Wir fühlten uns sofort zueinander hingezogen. Ich weiß nicht, ob es Liebe auf den ersten Blick war, aber bei seinem Anblick schlug mein Herz plötzlich schneller. Damals war er noch nicht so dick wie heute, aber inzwischen mag ich sein Hüftgold. Alt zu werden, ist eigentlich gar nicht so schlimm. Es ist ja nicht so, als hätte sich Josés Äußeres von einem Tag auf den anderen komplett verändert.

Wie geht ihr in eurer Beziehung mit dem Thema Tod um? José: Ich denke manchmal über dieses Thema nach, aber mit der richtigen Perspektive. Für mich ist das Leben eine Kette von Ereignissen – und am Ende verlassen wir eben diese Welt. Ich hoffe, dass mein Ende so spät wie möglich kommt und so angenehm wie möglich verläuft.
Marguerite-Marie: Wir wissen, dass wir nicht unsterblich sind. Langsam kommen wir in die Jahre, in denen es für einen von uns ganz plötzlich vorbei sein kann. Ich will nicht alleine sein. Wenn José vor mir stirbt, hätte ich niemanden mehr zum Streiten. Ich glaube, ich würde dann irgendwo ein Bild von ihm aufstellen und mich damit zanken.

Michèle (71) und Jean-Marie (75)

Die beiden Rentner Michèle und Jean-Marie in jungen Jahren und heute
Michèle und Jean-Marie damals und heute

VICE: Ihr seid seit 43 Jahren verheiratet. Wie habt ihr euch überhaupt kennengelernt? Jean-Marie: Durch die Zeugen Jehovas. Michèle war schwanger und gerade aus Italien wiedergekommen. Ich war damals noch verheiratet. Als ihre Tochter auf die Welt kam, wurden wir Nachbarn. Ihre Tochter nannte mich immer “Papa Jean-Jean”, obwohl Michèle und ich noch gar nicht zusammen waren.
Michèle: Meine Tochter brauchte einen Vater. Ich schaltete sogar Annoncen, obwohl das bei den Zeugen Jehovas eigentlich verboten ist. Eines Abends legte Jean-Marie seine Hand auf meine und fragte mich, ob er so jemand sei, nach dem ich suchte. In diesem Moment spürten wir dieses Knistern, von da an wurden unsere Gefühle füreinander immer stärker. Da er aber noch verheiratet war, bestand das Risiko, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden, falls unsere Beziehung auffliegen sollte. Deswegen legten wir das Ganze vorerst auf Eis und ließen etwas Zeit vergehen. Dann kam die Scheidung.
Jean-Marie: Mehrere Jahre später schrieb Michèle mir in einem Brief, dass sie mich erwarte. Als ich das las, musste ich weinen. Wir trafen uns auf einen Kaffee in einem Hotel und entschieden, wieder zusammen zu sein. Allerdings gingen wir dabei sehr rational vor und hielten uns im Zaum. Zwei Monate später heirateten wir, damit wir keine Probleme mit den Zeugen Jehovas bekommen. Wir schliefen auch erst nach der Hochzeit miteinander. Heute sind wir seit 43 Jahren verheiratet, aus den Zeugen Jehovas sind wir vor 25 Jahren ausgetreten.

Wie würdet ihr eure Beziehung nach so langer Zeit beschreiben? Michèle: Wir haben den gleichen Takt und gehen den gleichen Weg – auch wenn es da mal schwierige Abschnitte gibt. Wenn einer von uns einen schwachen Moment hat, kommt der andere zu Hilfe. Niemand versteht mich so gut wie er. Manchmal ist es nur die Art, wie man ausatmet, oder eine minimale Bewegung und der andere weiß sofort, dass etwas nicht stimmt. Wenn wir mal streiten, diskutieren wir oft noch am nächsten Tag. Es ist unglaublich wichtig, miteinander zu reden, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen und sich auch zu entschuldigen.

Was hat sich bei euch im Bezug auf die Sexualität geändert? Michèle: Gemeinsames sexuelles Vergnügen ist wichtig. Aber wir wissen auch, dass man auch mal weniger Verlangen danach hat. Das ist Liebe. Sexuell gesehen hatten wir unsere Höhen und Tiefen, heute geht es in unserer Beziehung um mehr als nur Sex. Irgendwelche akrobatischen Stellungen sind schon lange nicht mehr drin. Jetzt ist eher Arthritis angesagt.
Jean-Marie: Wir hatten 25 wunderschöne Jahre voller körperlicher Liebe. Mit der Zeit ging das aber vorbei. Brüste sind geschrumpft, Schniedel sind schlaff geworden und alles hängt. Aber so ist es eben. Unsere Beziehung ist trotzdem noch so stabil wie eh und je.

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