AfD-Deutsch, Deutsch-AfD

Collage mit einem Foto von imago | epd

Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit der Amadeu Antonio Stiftung entstanden

In den Kommunalwahlen in Hessen geht die AfD wahrscheinlich als drittstärkste Kraft aus dem Rennen hervor. Während CDU und SPD landesweit mit 28,2%, bzw. 28% fast gleichauf liegen, erreichten die Rechtspopulisten 13,2% und liegen damit vor den Grünen mit 11,6% und der FDP mit 6,3%. Aber was will die AfD eigentlich wirklich? Klar gibt es immer wieder Schlagzeilen über rassistische Hetze. Frauke Petry und Beatrix von Storch sprachen davon, an der Grenze Frauen und Kinder zu erschießen, und Björn Höcke macht sich mit Deutschlandfähnchen wedelnd gerne auch selbst lächerlich, aber natürlich hat auch die AfD ein Wahlprogramm, aus dem schließen kann, was eigentlich hinter all dem Rassismus, der Hetze und der Homophobie so steht.

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Unsere Beispiele sind hauptsächlich der sehr exemplarischen Präambel des AfD-Wahlprogramms zu Baden-Württemberg entnommen. Diese Sprache und Themen kommen so oder ähnlich auch auf AfD-Facebook-Seiten, Wahlplakaten, Reden, Interviews und anderen lokalen Wahlprogrammen vor—weil sie Klassiker der AfD– und auch sonstiger rechtspopulistischer Rhetorik sind.

Sorge um Demokratie und Rechtsstaat

„Die Alternative für Deutschland betrachtet diese Entwicklungen, die mit einem rapiden Verfall unserer Demokratie und unseres Rechtsstaats einhergehen, mit großer Sorge.” (Wahlprogramm B-W, S. 4)

„Verfall der Demokratie” ist für die AfD, dass die Bundesregierung Menschenrechte achtet (Flüchtlingspolitik), auf Atomenergie verzichtet (Atomausstieg) und zur Europäischen Gemeinschaft steht wie vereinbart (Eurorettung).

Lasst uns rassistisch und sexistisch sein!

„Von Diffamierungen im Zeichen der ‚politischen Korrektheit’ lässt sich die AfD nicht einschüchtern, denn sie weiß das Recht und das Grundgesetz auf ihrer Seite.” (Wahlprogramm B-W, S. 4)

Die AfD will politisch unkorrekt sein und weiß laut diesem Zitat sogar, dass es sehr viele Abwertungen und Diffamierungen gibt, die zwar gesellschaftlich fatal und beschämend, aber nicht strafbar sind. Warum inszeniert sie sich dann nur immer als Tabu-Brecher und lamentiert, die Meinungsfreiheit wäre in Gefahr?

Was heißt das?

„Die AfD steht für Freiheit und Selbstverantwortung”

Also, das heißt, für einige Freiheiten, aber längst nicht alle (etwa nicht die Religionsfreiheit der Muslime, vgl. Wahlprogramm B-W, S. 24) – und meint mit Selbstverantwortung auch, Menschen in Notlagen allein zu lassen (vgl. Wahlprogramm B-W, S. 27) …

„für gesundes Selbstbewusstsein und Heimatliebe”

… für Nationalismus mit Schlussstrich-Perspektive auf die Geschichte …

„für direkte Demokratie und Rechtsstaatlichkeit,”

… für populistische Entscheidungen und Law-and-Order-Politik (vgl. Wahlprogramm B-W, S.15, S. 12-13) …

„für ideologiefreien Realismus und ökonomische Vernunft,”

… für eine Realität, in der sie selbst interpretiert, was „ideologiefrei” ist, und gegen Solidarität und Unterstützung etwa von Arbeitslosen (vgl. Wahlprogramm B-W, S. 27 und Wahlprogramm Sachsen-Anhalt, S. 36) …

„für Bürgersinn und Tradition.”

… für anti-intellektuellen Anti-Modernismus, damit sich bloß nichts ändert (vgl. etwa Wahlprogramm B-W, S. 28, 39).

(Zitat von Wahlprogramm B-W, S. 4)

Veränderung der politischen Kultur

„Ein Hauptziel der Alternative für Deutschland ist die Veränderung der politischen Kultur in unserem Land.” (Wahlprogramm B-W, S. 4)

Das stimmt! Und zwar in diesem Sinne: Grundrechte und Menschenrechte einschränken oder abschaffen (z.B. für Geflüchtete, die kaum noch eine Chance auf Asyl mehr bekommen sollen, vgl. Wahlprogramm B-W, S. 19/20), Homosexuelle, die nicht mal mehr dort als gleichberechtigt zu Heterosexuellen behandelt werden sollen, wo sie es gerade geschafft haben (vgl. Wahlprogramm B-W, S. 30).

Die AfD möchte mehr Volksentscheide statt parlamentarischer Demokratie oder in anderen Worten: Populistische Entscheidungen für den lautesten Vorschlag aus selbstbezogener Perspektive statt sachlich abgewogene Entscheidungen nach Informationen von VolksvertreterInnen (dieses wird von der AfD „Bevormundungspolitik” genannt) (vgl. Wahlprogramm B-W, S. 15).

Sprech- und Denkverbote

„Eine ideologisch motivierte Bevormundungspolitik (…) führt zunehmend zu Sprech- und Denkverboten, zu einem Klima der Repression und Intoleranz in Namen von trügerisch wohlklingenden Begriffen wie ,Vielfalt’, ,Buntheit’, ,Toleranz’ und ,Gleichstellung’.” (Wahlprogramm B-W, S. 5)

1. Wir wollen rassistisch, sexistisch, intolerant, antimodern, wirtschaftschauvinistisch, sozialdarwinistisch usw. sein, ohne dass uns das jemand vorwirft—sonst sagen wir, der ist selbst ein Nazi, betreibt Zensur oder ähnliches. Rücksichtnahme und Perspektivübernahme fordern wir nur für uns!

2. Wir wollen eine 1950er-Jahre-Welt wiederhaben, in der alte, weiße, christliche Männer das Sagen haben, Frauen am Herd stehen, Menschen mit anderer Hautfarbe oder Religion gar nicht hier sind oder wenn, dann offen diskriminiert werden dürfen.

3. Wir fordern an dieser Stelle keine Sprechverbote, aber stellen weiter hinten im Wahlprogramm ebensolche auf

a. für die Presse (soll angewiesen werden, positiver über Familien schreiben, Wahlprogramm B-W, S. 29),

b. den Kulturbetrieb (soll mehr deutsche Werke auf Theaterbühnen bringen, Wahlprogramm Sachsen-Anhalt, S. 20) oder die

c. Wissenschaft (sollen gefälligst auf Deutsch schreiben, Wahlprogramm B-W S. 38).

„Massenzuwanderung als Katastrophe”

„Die aktuelle Massenzuwanderung – von Grün-Rot ideologisch vorbereitet, von der Merkel-CDU gefördert und ‚verwaltet’ – betrachtet die AfD als Katastrophe für Deutschland (…).” (Wahlprogramm B-W, S. 5)

Erst mal zum rhetorischen Dampfhammer greifen, so wie Rechtsextreme es aktuell auch tun: „Massen-” klingt gruselig, „Katastrophe” nach Urgewalt. Während man diese Metaphern verarbeitet, fällt vielleicht nicht auf, dass die AfD hier Menschen, die vor Krieg und Diskriminierung aus ihren Heimatländern fliehen, als Zuwanderer bezeichnet—dabei ist völlig unklar, wie viele der Geflüchteten wie lange in Deutschland bleiben werden. Das Asylgesetz sieht jedenfalls (leider) nicht vor, dass Geflüchtete dauerhaft bleiben dürfen, wenn sich die Lage im Heimatland ändert.

„Die Integrationskraft unseres Landes reicht bei weitem nicht aus, um die derzeitigen Zuwandererzahlen zu bewältigen.”

Schade. Allerdings: Das sagt die AfD. Wirtschaftsexperten und andere Politiker z.B. sehen Zuwanderung eher als Chance.

„Bleiben sie unverändert hoch, dann werden Parallelgesellschaften, die Überlastung der Sozialsysteme, schwere Gefährdungen der inneren Sicherheit und soziale Unruhen unweigerlich die Folge sein.”

Nein, nichts davon. Das ist nur rechtspopulistische Panikmache. Nicht die Zahlen machen die Probleme, sondern höchstens die Verweigerung vernünftiger Integrationsmaßnahmen wie Hilfe beim Spracherwerb, Unterbringung in Wohnungen statt Wohnheimen, Bildung für Kinder und Erwachsene und eine schnelle Arbeitserlaubnis.

„Die AfD fordert mit Nachdruck (…) die unverzügliche Beendigung des Massenzustroms größtenteils nicht integrierbarer, kulturfremder Menschen in unser Land”.

Ah, Rassismus! Neben der erneuten Naturgewalt-Methapher wird hier eine (dabei auch noch in sich außerordentlich diverse) Gruppe, nämlich „Geflüchtete”, mit Verallgemeinerung, Abwertung und Kulturrassismus bedacht. Falsch: Es sind alles individuelle Menschen mit eigenen Werten, Vorstellungen und Voraussetzungen, und natürlich können sie in der deutschen Gesellschaft ankommen und klarkommen—und sie wollen es in der Regel auch.

Schule: Leistungsorientiert, ohne Durchlässigkeit für sozial Benachteiligte und bitte ohne Behinderte

„Der Kampf um den Erhalt bürgerlicher Errungenschaften und Tugenden beginnt in der Schule. Die AfD wendet sich (…) gegen die (…) Planierung unseres leistungsorientierten, mehrgliedrigen Schulsystems zur semi-sozialistischen Gleichmacherei der Gemeinschaftsschulen.” (…) „Auch das Konzept der Inklusion sieht die AfD kritisch (…)”. (Wahlprogramm B-W, S. 5)

Die AfD möchte also lieber Elitenförderung nach Nützlichkeitsdenken statt bessere Bildung für alle Kinder (vgl. Wahlprogramm B-W, S. 33), und statt Inklusion lieber Ausgrenzung von lernbehinderten Kindern— nicht ohne zu sagen, dass das doch viel besser für sie sei.

Außerdem fordert die AfD „Beendigung der Frühsexualisierung” und der „Eingriffe in die Intimsphäre” und die „ideologische Indoktrination der […] anvertrauten Kinder” (Wahlprogramm B-W, S. 5).

Gemeint ist: Kinder sollen in der Schule nicht aufgeklärt werden und es soll ihnen auch niemand erzählen, dass es andere Formen von Sexualität als die zwischen Mann und Frau gibt. Und erst recht nicht, dass das auch OK ist und kein Grund, sich schlecht zu fühlen.

Wer gleichberechtigt wird, entscheide immer noch ich

„Die Politik des ,Gender Mainstreaming’ mit all ihren Folgeerscheinungen wie Frauenquoten, Gleichstellungsbeauftragen und staatlicher Propaganda für sexuelle Minderheiten lehnt die AfD rigoros ab. Sie setzt sich für den Schutz der traditionellen Ehe und Familie ein und erinnert an das Gebot der Gleichberechtigung in unserem Grundgesetz, dem staatliche verordnete Quoten Hohn sprechen.” (Wahlprogramm B-W, S. 6)

Also:

– Instrumente für Gleichberechtigung von Frauen sind unfair, denn sie gelten ja nicht für Männer!

– Wenn die Menschen in traditionellen Ehen und Familien lernen, dass sie auch homo- oder transsexuell sein können, wollen sie das alle—sonst müsste man sich ja keine Sorgen machen, dass deren Gleichstellung die „traditionelle” Ehe gefährden könnte.

– Warum gibt es Minderheitenschutz im Grundgesetz nur für Minderheiten?

Und der ganze Rest

Dann ist die Präambel vorbei, aber das Wahlprogramm geht weiter. Darin steht dann u.a. noch, dass eines der drängenden Probleme der inneren Sicherheit Vandalismus ist (Wahlprogramm B-W, S. 8, und wir dachten schon Rechtsextremismus oder Terrorismus), dass die Polizei vor allem „Einbruchskriminalität” durch „Banden ausländischer Herkunft” aufklären soll (Wahlprogramm B-W, S. 9, gute Nachricht für einheimische Diebe), dass die AfD Vorratsdatenspeicherung super findet und Datenschutz nicht (Wahlprogramm B-W, S.9), dass bei Tatverdächtigen der Migrationshintergrund erfasst werden soll (Wahlprogramm B-W, S. 9, ja, genau, nicht etwa bei Tätern)—natürlich nur für „Integrationsmaßnahmen”—dass die Jugend über Linksextremismus aufgeklärt werden muss (Wahlprogramm B-W, S.10, Überraschung), es wird die aktuelle Rechtsprechung diskreditiert (Wahlprogramm B-W, S. 12), der Entzug der Aufenthaltserlaubnis bei Bagatelldelikten gefordert (Wahlprogramm B-W, S. 13), Demonstrationen dürfen nicht verboten werden, erst recht nicht, wenn sei von rechts kommen (S. 15), energieeffizienter Wohnungs- und Hausbau ist teurer Mist und eine Bevormundung (Wahlprogramm B-W, S. 16) genauso wie erneuerbare Energie, wo es doch auch Atomstrom geben könnte (Wahlprogramm B-W, S. 47), dafür ist legaler Waffenbesitz zu Hause erstrebenswert (Wahlprogramm B-W, S. 16), Bezahlinhalte im Internet sind eine „Diskriminierung” (Wahlprogramm B-W, S. 17), die „gleichgeschaltete Medienlandschaft” betreibt „Massensuggestion” (über Geflüchtete) (Wahlprogramm B-W, S. 19), und wenn Geflüchtete per Boot nach Europa kommen, sind auf dem Mittelmeer aufgebrachte Flüchtlingsboote in ihre Heimathäfen zurückzuschleppen. Scheidet dies aus Sicherheitsgründen aus, werde die Menschen in mitgebrachten Rettungsbooten dorthin zurückgeschickt, ohne europäischen Boden betreten zu haben” (und wenn sie dabei ertrinken, Pech gehabt, Wahlprogramm B-W, S. 20).

Was vielleicht für potenzielle AfD-Wähler interessant ist:

– Die Wehrpflicht soll wieder eingeführt werden (Wahlprogramm B-W, S. 11).

– Das Jugendstrafrecht soll nur noch für Menschen bis 18 Jahre gelten (bisher 20-22) (Wahlprogramm B-W, S. 14).

– Hartz IV soll abgeschafft und durch „Bürgerarbeit” ersetzt werden, d.h. keine Sozialleistungen mehr ohne Gegenleistung (Wahlprogramm B-W, S. 27).

– Kinderlose sollen mehr Steuern zahlen als Familien (Wahlprogramm B-W, S. 29).

– Hilfen für Arbeitslose beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt sollen abgeschafft werden (Wahlprogramm Sachsen-Anhalt, S. 36).

Zum Glück finden laut aktuellen Umfragen rund 75 Prozent der Menschen in Deutschland die AfD unwählbar. Wir auch.

Mehr auf netz-gegen-nazis.de:

Simple Aussagen, diskriminierende Wirkung – Das Wahlprogramm der AfD in Baden Württemberg

Volk – Nation – Identität: Das Wahlprogramm der AfD Sachsen-Anhalt

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Seit ihrer Gründung 1998 ist es das Ziel der Amadeu Antonio Stiftung, eine demokratische Zivilgesellschaft zu stärken, die sich konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet. Die gemeinnützige Stiftung steht unter der Schirmherrschaft von Wolfgang Thierse. Antisemitismus, auch in Form von Israelfeindlichkeit, und Rassismus sind ein in Deutschland weit verbreitetes Problem, das noch zu wenig wahrgenommen wird. Dieser gesellschaftlichen Fehlwahrnehmung setzt die Stiftung Aufklärung, Sensibilisierung sowie Beratung und Förderung von lokalen Initiativen entgegen. Die Amadeu Antonio Stiftung hat überall in Deutschland bereits über 950 lokale Initiativen und Projekte in den Bereichen demokratische Jugendkultur, Schule, Opferschutz und Opferhilfe, kommunale Netzwerke sowie Hilfsangebote für Aussteigerinnen und Aussteiger aus der Neonaziszene unterstützt. Wichtigste Aufgabe der Stiftung ist es, die Projekte über eine finanzielle Unterstützung hinaus zu ermutigen, Öffentlichkeit für ihre Situation zu schaffen und sie zu vernetzen.