Politik

Aserbaidschan-Affäre: Warum weicht CSU-Mann Florian Hahn unseren Fragen aus?

Der stellvertretende CSU-Generalsekretär lässt VICE-Fragen zu seinen Lobby-Kontakten weiter unbeantwortet. Was hat er zu verbergen?
Collage mit CSU Politiker Florian Hahn und Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev vor dem Bundestag, der CSU-Politiker antwortet nicht auf unseren Fragenkatalog
Aliyev: IMAGO / ITAR-TASS | Hahn: IMAGO / Sven Simon | Bundestag: IMAGO / IPON || Collage: VICE

Es ist ein beliebtes Ausweichmanöver, das wir bei unseren Recherchen zur Aserbaidschan-Affäre oft beobachten: Sobald sich ein Politiker mit Belegen seiner Regime-Kontakte konfrontiert sieht, verwandelt er sich in einen Völkerverständiger, der natürlich mit allen Seiten redet – im Sinne des Weltfriedens.

Dieses Manöver führt aktuell auch Florian Hahn auf, stellvertretender CSU-Generalsekretär, der gerade in den Strudel der Aserbaidschan-Affäre gerät. Nachdem er detaillierte VICE-Fragen zu seinen langjährigen Kontakten mit der regimenahen Aserbaidschan-Lobby unbeantwortet ließ, sprach er nun mit dem Lokalteil der Süddeutschen Zeitung. Allerdings beantwortete er dort nur eine Frage von vielen.

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Auf eine Lobby-Veranstaltung zum Bergkarabach-Konflikt angesprochen, bei der er 2016 eine Rede hielt, antwortet Hahn der SZ, er habe diese Gelegenheit genutzt, um Aserbaidschan und Armenien "zu Verständigung und Versöhnung aufzurufen".

Die Veranstaltung wurde von der "The European Azerbaijan Society" (TEAS) organisiert, unterstützt von Leyla Aliyeva, der Tochter des aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev. TEAS ist eine inzwischen aufgelöste Lobby-Firma mit direktem Draht zum autokratischen Herrscher in Baku. Sie hatte den Auftrag, in Berlin Unterstützung für das Aliyev-Regime zu organisieren. TEAS steht offenbar im Zentrum der Aserbaidschan-Affäre.

Bei einer derartig einseitigen Veranstaltung scheint Hahns Erklärung zur "Verständigung und Versöhnung" zumindest fragwürdig. Fast alle Fragen aus dem VICE-Fragenkatalog lässt der CSU-Mann weiterhin komplett unbeantwortet. 

Wie häufig hatte Florian Hahn Kontakt zur obskuren Lobby-Firma TEAS?

Wir haben recherchiert, dass Hahn gegenüber TEAS mehrmals regimefreundliche Statements abgegeben hat. Wie genau sah die Zusammenarbeit aus? Wie oft traf Hahn TEAS-Vertreter? Aber auch eine andere Frage bleibt offen:

Wie eng arbeitete Hahn im Europarat mit Axel Fischer (CDU) zusammen?

Hahn war mit Unterbrechung von 2014 bis 2018 Mitglied der parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE). Der Europarat in Straßburg war über Jahre das europäische Epizentrum der Aserbaidschan-Affäre. Hier versuchte das Aliyev-Regime offensiv, Politiker zu beeinflussen und kritische Resolutionen zu verhindern – auch durch Bestechung. Gegen verschiedene ehemalige PACE-Mitglieder wird wegen Korruptionsvorwürfen ermittelt. Auch gegen den deutschen CDU-Politiker Axel Fischer, seine Immunität ist inzwischen aufgehoben.

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Fischer steht im Verdacht, als Gegenleistung für politischen Einfluss Geld aus Aserbaidschan erhalten zu haben. Fischer ist noch immer Bundestagsabgeordneter und Mitglied der Unionsfraktion. Wir haben Fischer zu den Vorwürfen schriftlich befragt, er hat unsere Anfrage bis Fristablauf nicht beantwortet. Florian Hahn war im Europarat zeitweise Axel Fischers Stellvertreter – im Ausschuss für politische Angelegenheiten und Demokratie. Hat Hahn als PACE-Mitglied jemals mit Fischer zum Thema Aserbaidschan zusammengearbeitet, zum Beispiel durch gemeinsames Formulieren von Anträgen?

Weshalb besuchte Florian Hahn trotz Protesten eine Veranstaltung von Aserbaidschan-Lobbyist Eduard Lintner?

Wir haben Hahn auch zu einer Veranstaltung gefragt, zu der er im Juli 2010 eingeladen war. Organisator war eine Firma des CSU-Politikers Eduard Lintner, der im aserbaidschanischen Lobby-Netzwerk eine zentrale Rolle spielt. Gegen ihn wird staatsanwaltschaftlich im Zusammenhang mit Vorwürfen der Bestechlichkeit von Abgeordneten des Bundestags und des Europarats ermittelt. Lintner räumte im Juni zwar gegenüber dem SWR ein, Gelder aus Aserbaidschan erhalten und weiterverteilt zu haben, die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft wies er jedoch zurück. Es habe sich bei den Geldern lediglich um Aufwendungsersatz gehandelt.

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Der Titel der Veranstaltung im Juli 2010 lautete "Flucht und Vertreibung – Verbrechen an Menschen". Doch es regte sich Protest. Der Ankündigung entnahm ein Alumniverein armenischer Austauschstudenten, dass es sich um eine einseitige Veranstaltung handeln könnte. Der Verein schrieb einen Protestbrief an Lintner und Florian Hahn. Dieser Brief liegt VICE vor. Auch eine Soziologieprofessorin schrieb einen Protestbrief an Lintner, in Kopie auch an Hahn. Auch dieser Brief liegt VICE vor. Hahn ignorierte die Proteste offenbar. Hat Hahn für seine Teilnahme materielle Zuwendungen erhalten? Und falls ja, welche? Auch diese Fragen lässt Hahn weiter unbeantwortet.

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Falls Hahn tatsächlich nur zwischen Aserbaidschan und Armenien vermitteln wollte, dann hätte er nichts zu verbergen und könnte unsere sehr konkreten Fragen beantworten. Warum weicht er weiter aus?

Update vom 21.09.2021, 17:30 Uhr: Der Generalsekretär der bayerischen SPD Arif Tasdelen fordert Florian Hahn auf, eine Eidesstattliche Erklärung abzugeben. Er solle darin versichern, dass er "keine Gefälligkeiten des Regimes im Zusammenhang mit seinen Aserbaidschan-Verbindungen erhalten" habe. Es müsse geklärt werden, was das Motiv des Engagements für einen Diktator wie Herrn Aliyev gewesen sei und ob es eine Gegenleistung gab.

Update, 29.12.22: Florian Hahn hat uns ein Statement zukommen lassen, das wir hier in ungekürzter Form veröffentlichen:

Im vergangenen Jahr erreichten mich mehrere Anfragen der VICE zum Themenkomplex Aserbaidschan. Die erste Anfrage vom März beantwortete ich mit diesem Statement.

"Ich habe bisher weder privat noch beruflich das Land Aserbaidschan je besucht. Ebenso habe ich keinerlei Geschäftsbeziehung mit der Organisation TEAS unterhalten, geschweige denn irgendwelche materiellen Leistungen oder Spenden erhalten."

Meines Erachtens war damit im Grundsatz alles beantwortet, auf das der Fragenkatalog der VICE abzielte. Dem sei noch hinzugefügt, dass ich mich niemals einseitig für Aserbaidschan, geschweige denn für das Aliyev-Regime, eingesetzt habe. Keines meiner Statements zum Bergkarabach-Konflikt, wie beispielsweise das von 2013, das mit der Arbeitsgruppe Auswärtiges der CDU/CSU-Fraktion abgestimmt war, hat einseitig Position für Aserbaidschan gegen Armenien bezogen. Im Gegenteil habe ich stets zur Deeskalation des Konflikts aufgerufen.

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So auch auf allen Veranstaltungen zum Thema Armenien/Aserbaidschan, an denen ich seit 2009 teilgenommen habe. Insgesamt waren das in einem Zeitraum von 12 Jahren drei Stück – von einer politischen Fokussierung auf dieses Thema kann also keine Rede sein.

An der Veranstaltung im Juli 2010 habe ich auf Bitte meines CSU-Kollegen Lintner teilgenommen. Finanzielle Zuwendungen hat es auch hier selbstverständlich nicht gegeben. So wie 2010 habe ich auch 2016 in meinem Vortrag an der Humboldt Universität zur Deeskalation des Bergkarabach-Konflikts aufgerufen. Tatsächlich ist es so, dass sich die aserbaidschanischen Veranstalter – als Lobbyisten ihres Landes – weniger Neutralität von mir gewünscht hätten. Wie die TEAS den Kontakt zu mir intern dargestellt hat, kann ich nicht beurteilen. Fest steht jedoch, dass ich mich niemals habe von der TEAS oder irgendjemand anderes inhaltlich für oder gegen etwas einspannen lassen. 

Als Außen- und Sicherheitspolitiker sehe ich aber die Stabilität des Kaukasus als von zentralem Interesse für Europa und deshalb werde ich auch weiterhin sich mir bietende Kanäle nutzen, um auf die Wichtigkeit dieses Konflikts hinzuweisen und die friedliche Beilegung hinzuwirken. 

In den knapp 2 Jahren als stellvertretendes Mitglied in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats für die CDU/CSU-Fraktion habe ich an keiner einzigen Sitzung des Europarats oder entsprechender Ausschüsse teilgenommen. Außerdem gab es keinerlei Zusammenarbeit mit Axel Fischer im Zusammenhang mit dem Europarat, noch zum Thema Aserbaidschan.

Die Anfrage aus dem September hatte mit der Beantwortungsfrist genau eine Woche vor der Bundestagswahl 2021 – in der heißesten Wahlkampfphase – einen unglücklichen Zeitpunkt und ist bei mir und meinem Büro schlicht untergegangen. 

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