Eine Illustration mit Müll, der im Wasser schwimmt, Einwegbesteck, Mülltüten, eine Person, die taucht, und anderes
Illustrationen: Jordan Lee | VICE
Politik

Auf der Spur des Plastikmülls in Asien

Durch die Corona-Pandemie kaufen Menschen mehr im Internet ein. Der zusätzliche Plastikmüll belastet die ohnehin schon überforderten Abfallsysteme.
Pallavi Pundir
Jakarta, ID

Es ist Zeit für ein Umdenken. Am Global Day of Climate Action veröffentlicht VICE ausschließlich Geschichten zur aktuellen Klimakrise. Hier erfährst du mehr über die jungen Klimaaktivistinnen aus der ganzen Welt und was du selber unternehmen kannst.

2020 war kein gutes Jahr im Kampf gegen den Plastikmüll. Gesichtsmasken, Schutzanzüge und Latexhandschuhe sind im Kampf gegen das Virus unverzichtbar. Aber nicht nur der erhöhte Materialbedarf in Krankenhäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen macht den ohnehin schon überforderten Abfallwirtschaften vieler Länder zu schaffen, sondern auch das Verhalten von Privathaushalten. Viele Menschen meiden weiterhin öffentliche Orte, shoppen vermehrt im Internet und bestellen sich Essen nach Hause. Der dadurch entstehende Verpackungsmüll war schon immer ein Problem, aber durch Corona ist alles noch viel schlimmer geworden.

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Im Juli zeigte eine von der internationalen Naturschutzorganisation Oceana gesponserte YouGov-Umfrage, dass Amazon-Kunden in den USA seit Beginn der Pandemie verstärkt online einkaufen. Und das, obwohl 40 Prozent der 1.286 Befragten angaben, dass sie die zusätzliche Plastikverpackung stören würde.

In der Asien-Pazifik-Region shoppen 58 Prozent der Konsumenten jetzt häufiger im Internet, heißt es in einer Umfrage des Software-Herstellers Adobe. Die US-amerikanische Beratungsfirma McKinsey & Co zeigte, dass Menschen in asiatischen Ländern aufgrund von Corona zwischen 16 und 70 Prozent mehr im Internet für Lebensmittel ausgegeben haben.

Auch das Weltwirtschaftsforum warnte im Mai davor, dass die zunehmende Verwendung von Einwegplastik eine neue "Gesundheitskrise" auslösen werde, insbesondere in Entwicklungsländern, in denen sich der Müll entweder in Stadtzentren ansammele oder in die Gewässer und schließlich ins Meer gelange. Das ist besonders alarmierend, weil wir alle schon vor Corona jedes Jahr 29 Millionen Tonnen Plastik in die Weltmeere gekippt haben.

Die durchschnittliche Verpackung eines Online-Einkaufs sieht so aus:

Grafik zu Online-Shopping-Verpackungen, mit Luftpolsterfolie, Schaumstofftaschen, Klebeband etc

Verpackungen für Essenslieferungen sehen so aus:

Verpackungen, die für die Lieferung von Essens gebraucht werden. Alubehälter, Einwegbecher, Papiertüten

Fast immer enthalten diese Verpackungen Einwegmaterialien wie Luftpolsterfolie, Styroporschalen oder Plastikbesteck. Entsorgen wir diese nicht vernünftig, werden sie zu Mikroplastik, das im Meer, der Erde, in Meerestieren und schließlich in unseren Körpern landet. Studien haben gezeigt, dass ein Mensch im Jahr durchschnittlich mindestens 50.000 Partikel Mikroplastik isst und einatmet, das sich in alarmierenden Mengen im menschlichen Körper ablagert.

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Asien produziert 51 Prozent des weltweit verwendeten Plastiks. Südostasiatische Länder gelten als größte Verursacher für die Verschmutzung der Meere mit Kunststoff. Schuld daran sind mangelhafte Abfallsysteme und Mülldeponien, gepaart mit einem Bevölkerungswachstum und einem stetig steigenden Bedarf für Konsumartikel, die oft in Plastik verpackt sind. Aber die Verpackungsflut ist nicht bloß ein regionales Problem. Viele Verpackungen, die in Asien verwendet werden, stammen von multinationalen Firmen aus westlichen Ländern. Umweltorganisation machen schon seit Jahren darauf aufmerksam, dass asiatische Länder zur Müllhalde des Westens geworden sind.

Länder in Asien haben unterschiedlich darauf reagiert, einige effektiver als andere.

Thailand

Thailand, mit seinen circa 69 Millionen Einwohnern, produziert geschätzt 27,8 Millionen Tonnen Müll im Jahr. 12 bis 13 Prozent davon sind Plastikmüll.

Experten für Abfallentsorgung warnten außerdem davor, dass sich Thailand zum "Mülleimer der Welt" entwickelt. Das Land importiert große Mengen Plastikmüll aus Ländern wie Japan, Hongkong und den USA. Heute gehört es zu den fünf Ländern, die für den meisten Plastikmüll in den Weltmeeren verantwortlich sind.

2017 hatte Thailands Regierung angekündigt, seinen Plastikmüll bis 2030 zu reduzieren. Anfang 2020 wurden sogar Plastiktüten in großen Läden verboten. Über ein komplettes Verbot der Müllimporte 2021 wird gerade debattiert. Die Regierung hat allerdings zugegeben, dass der Kampf gegen den Plastikmüll seit dem Beginn der Pandemie weit zurückgeworfen wurde. Verantwortlich dafür sind die vermehrten Essensbestellungen. Lieferdienste wie Line Man und Grab verzeichneten 300 bis 400 Prozent mehr Aufträge seit Beginn des Lockdowns.

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Um die Müllberge in den Griff zu kriegen, setzt sich Thailands Regierung lautstark für den Bau von Müllverbrennungsanlagen ein, die gleichzeitig Strom liefern können. Einige Experten befürchten allerdings, dass das den Plastikverbrauch und die Müllimporte steigern würde. Im thailändischen Fernsehen werden Plastiktüten jetzt sogar zensiert.

Eine Infografik zum Plastikmüll in Thailand, 2019 verbrauchte Thailand schätzungsweise 2.000 Tonnen Plastik am Tag. Während des Corona-Ausbruchs stieg die Menge zwischen Januar und April 2020 auf 3.440 Tonnen täglich.

Singapur

Singapur ist eins der saubersten Länder der Welt. Allerdings stellte die Umwelt-NGO Singapore Environment Council fest, dass dort jedes Jahr 467 Millionen PET-Flaschen und 473 Millionen Einwegplastikgegenstände verbraucht werden. Dazu gehören auch das Wegwerfbesteck und die Behälter von Take-Away-Restaurants. Eine kleine Umfrage, die zwischen April und Mai durchgeführt worden war, ergab, dass die 5,7 Millionen Einwohnerinnen Singapurs während des Lockdowns 1.334 Tonnen Plastikmüll zusätzlich produzierten. Das entspricht etwa dem Gewicht von 92 Doppeldeckerbussen.

Laut dem SEC-Bericht wurden 2018 nur vier Prozent aller Kunststoffabfälle recycelt. Von den durchschnittlich 1,56 Tonnen Abfall, die jeder Haushalt in Singapur pro Jahr produziert, setzt sich ein Drittel aus Plastik und Lebensmittelverpackungen zusammen. Das ist etwa das Äquivalent zu zehn Wettkampfschwimmbecken. 2019 landeten drei Millionen Tonnen Abfall auf der Semakau Landfill, der letzten Müllhalde des Landes. 30 Prozent dieses Abfalls waren Plastik.

Infografik zum Plastikverbrauch in Singapur,  Eine kleine Umfrage, die zwischen April und Mai durchgeführt worden war, ergab, dass die 5,7 Millionen Einwohnerinnen Singapurs während des Lockdowns 1.334 Tonnen Plastikmüll zusätzlich produzierten. Das entspricht etwa dem Gewicht von 92 Doppeldeckerbussen.

Bangladesch

Dünne Plastiktüten machen während der Corona-Pandemie den Großteil des Einwegplastiks in Bangladesch aus. Frühere Studien zeigten, dass allein in der Hauptstadt Dhaka 14 Millionen Tüten täglich benutzt werden. Viele von ihnen enden in Flüssen und im Meer. Dabei sind die Tüten seit 2002 verboten.

Laut einer Studie der Organisation für Umwelt und soziale Entwicklung in Bangladesch hat das Land allein im ersten Corona-Monat, im März, etwa 14.500 Tonnen giftigen Plastikmüll produziert – hauptsächlich medizinische Einmal-Masken, -Handschuhe und Plastikbeutel.

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Einer anderen Studie zufolge fielen in Bangladesch vor Corona bereits täglich 3.000 Tonnen Plastikmüll an. Die Pandemie soll dazu beigetragen haben, dass der Verbrauch von Kunststofftüten so stark anstieg "wie nie zuvor".

2019 ergab eine gemeinsame Untersuchung der Umweltbehörde der Regierung und der NGO Waste Concern, dass Bangladesch im informellen Sektor 36 Prozent seiner Plastikabfälle recycelt und 39 Prozent auf Halden lagert. 25 Prozent gelangen in die Umwelt und wandern schließlich in den Golf von Bengalen.

Plastikmüll in Bangladesch

Philippinen

Die Philippinen gelten als drittgrößter Plastikverschmutzer der Meere. Laut eines 2015 erschienen Berichts der Umweltschutzorganisation Ocean Conservancy produziert das Land 2,7 Millionen Tonnen Plastikmüll jährlich. In einer Abfalluntersuchung stellte die Global Alliance for Incinerator Alternatives 2019 fest, dass auf den Philippinen täglich 48 Millionen Einkaufstüten, 45 Millionen Obst- und Gemüsetüten und 163 Millionen Plastikbeutel weggeworfen werden.

Während des Corona-Lockdowns wuchs auch das Bewusstsein für und damit die Besorgnis über die Plastikmüllmengen, die in philippinischen Haushalten produziert werden. Die Lockdown-Maßnahmen haben allerdings auch dazu geführt, dass einige Städte ihren Kampf gegen Plastik etwas zurückgeschraubt haben. Parañaqe, eine Stadt an der Manilabucht, zum Beispiel hat sein Verbot von Einwegplastik vom Juni 2020 auf Januar 2021 verschoben. Geschäfte hatten sich beschwert, dass sie die Regelung in der angespannten Wirtschaftslage nicht umsetzen könnten. Quezon City, mit drei Millionen Einwohnern die größte Stadt in der Region Metro Manila, hat ebenfalls seine Bestimmungen zu Einwegplastik gelockert.

Anzeige des Plastikverbrauchs der Philippinen, In einer Abfalluntersuchung stellte die Global Alliance for Incinerator Alternatives 2019 fest, dass auf den Philippinen täglich 48 Millionen Einkaufstüten, 45 Millionen Obst- und Gemüsetüten und 163 Millionen Plastikbeutel weggeworfen werden
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