Drogen

Wie mir ein Wasserrohrbruch die Polizei ins Haus brachte

Wasserrohrbrüche scheinen der Endgegner eines jeden Kiffers zu sein. Gefühlt alle zwei Wochen hört man Geschichten von Hobby-Gärtnern, deren private Hanf-Plantagen durch einen Wasserschaden zufällig von der Polizei oder der Feuerwehr entdeckt wurden. Dass letztere nicht zu unterschätzen ist, was das Aufspüren von Gras betrifft, hat uns bereits ein Anwalt gesagt, der mit uns über die Folgen vom Erwischtwerden gesprochen hat.

Auch Christopher hatte sein Glück einem Feuerwehrmann zu verdanken. Die ganze Sache ist genau so absurd und verkifft, wie man sie sich vorstellt. Eine Geschichte, wie sie nur ein Wasserrohrbruch schreiben kann. Und vielleicht ein Growschrank, und irgendwie auch Schnittabfälle.

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Ich kann mich noch gut daran erinnern. Es war der Abend des Champions League-Finale 2013, Bayern gegen Dortmund. Ich war zu der Zeit fliegender Koch—das heißt, ich war zuständig für das seltsame Essen, das einem an Bord eines Flugzeugs serviert wird und oft geometrische Formen hat, so als wäre es die modernste Erfindung der Menschheit.

Jedenfalls kam ich gerade aus Tokio, ich war harte 14 Stunden unterwegs gewesen und hatte so ziemlich den schlimmsten Jetlag meines Lebens. Ich lief noch schnell beim Billa vorbei, um eine Palette Bier für das Match mitzunehmen. Als ich dann so gegen halb 9 mit Koffer und Alk bei meiner Wohnung im Dritten anrollte, klebte an meiner Tür ein Zettel—ich solle mich bis spätestens 22:00 Uhr bei der Polizeiinspektion Marokkanergasse melden. Keine Ahnung wieso.

Vor mir dann die Sintflut. Wortwörtlich. Meine Wohnung war total überschwemmt, überall Wasser, gab wohl einen Rohrbruch im Badezimmer. Scheiße. Das war aber noch gar nicht das Abgedrehte an der Geschichte—alle meine Türen standen weit offen und die Kästen sahen so aus, als hätte sie erst kürzlich jemand gründlich durchwühlt. Der Zettel an der Tür—fuck. Ich hatte mein Weed aber doch schon vor drei Monaten geerntet, mein Growschrank war also leer gewesen. So an die 12 Gramm mussten noch irgendwo rumliegen, mehr aber auch nicht.

Foto: CC0 Public Domain

Da war also jemand in meiner Wohnung gewesen, wohl wegen dem Rohrbruch. Was genau die Polizei jetzt von mir wollte, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Außerdem stand meine fucking Wohnung unter Wasser. In irgendeiner Ecke lag noch ein Plastiksack mit Schnittabfällen drin rum, die gammelten da seit Monaten vor sich hin—irgendwie hatte ich es nie geschafft, die loszuwerden. Ich war halt einfach dauernd super breit.

Der Sack war aufgerissen. Egal, jetzt musste ich ihn irgendwie loswerden und meinen Growschrank in den Keller räumen, bevor ich meinen Vermieter wegen dem Schaden herbestellen würde—der bräuchte nicht mitzukriegen, dass hier halbfaule Stängel und Blätter vor sich hin modern. Er war schließlich auch mein Arbeitskollege und aus der Fliegerei ist man schnell mal raus, da kann schon das kleinste Vergehen genügen. Er kam dann vorbei und meinte, wir würden das schon irgendwie über die Versicherung regeln. Guter Mann.

Da war aber noch immer dieser Zettel von der Polizei. Und die durchwühlten Kästen. Aber verdammt, es war Champions League-Finale und ich hatte schon einen Kumpel eingeladen. Ich würde dann einfach am nächsten Tag bei der Polizei vorbeischauen, ganz easy. Wir haben uns also trotz allem das Spiel in meiner halb überschwemmten Wohnung angesehen, obwohl ich zugegebenermaßen nicht ganz bei der Sache war. Hatte jemand irgendwas bei mir gefunden? Und wer hat eigentlich was gesucht? Wurscht, Bayern holte den Titel, ich verabschiedete meinen Kumpel und legte mich gechillt hin.

Am nächsten Tag um 6:30 Uhr weckt mich plötzlich ein Riesenknall auf. Um die acht Typen in Sturmhauben und Kampfstiefeln brechen die Tür auf und stürmen meine Wohnung, brüllen rum wie verrückt. Vor Schreck lasse ich erst mal einen Schrei los, als würde ich gerade elendig verrecken—ich dachte ernsthaft, ich würde jetzt sterben müssen. „Hier ist nichts!”, ruft einer der vermummten Männer, bevor sie mich aus meinem Bett zerren und mir mit einem Taser vor der Nase rumfuchteln: „Wo ist der Sack mit dem Cannabis?”

Ich weiß nur noch, dass ich zitternd in Boxershorts auf meiner Couch kauerte, als ein Beamter, der offensichtlich nicht zu diesem heftigen WEGA-Einsatzkommando gehörte, reinkam und in einem ruhigeren Ton fragte, wo denn mein Equipment sei. Der Name meines Vermieters fiel auch ein paar Mal, er sei offenbar mein Komplize. Ich hab natürlich erst mal alles geleugnet und wollte zu einer Zigarette greifen. „Wenn du noch einmal deine Hand bewegst, dann breche ich sie dir”, sagte einer der Polizisten. Diesen WEGA-Typen hat man richtig angemerkt, dass sie Spaß an der Aktion hatten.

Irgendwann fanden sie dann meine Kellerschlüssel und damit auch meinen leeren Growschrank, den ich ja dorthin verräumt hatte. Es war das erste Mal, dass ich den Ausdruck „achtern” hörte—mittlerweile weiß ich, dass das wohl so viel heißt wie „Handschellen anlegen”. Jedenfalls wurde ich dann geachtert.

Nachdem mir die Beamten zwei verschiedene Socken, eine viel zu weite Hose und einen kaputten Hoodie angezogen hatten—ich hatte ja schon die Handschellen angelegt bekommen—, wurde ich abgeführt wie der zachste Schwerverbrecher. Meine Nachbarin, der ich manchmal die Einkäufe hochgetragen hatte, bekam das alles mit. Die Polizisten riefen ihr noch zu, sie solle dringend wieder reingehen, hier ginge es nämlich um Suchtgift. Im Haus würde man mich von jetzt an nur noch als gefährlichen Drogendealer kennen. Schade, ich mochte diese Wohnung.

Foto: CC0 Public Domain

Draußen erwartete mich bereits ein Aufgebot aus Rettung, noch mehr Polizisten und der Feuerwehr. Das war ein Einsatz, als würde man einen Serienmörder hochnehmen. Und das alles wegen eines leeren Growschranks und 12 Gramm Gras? Als ich in diesen engen Zellenwagen gedrängt wurde und mich fühlte wie Hannibal Lecter, realisierte ich erst, dass das die Realität war. Bis dahin hatte ich noch ein bisschen gehofft, das wäre ein Alptraum und ich würde bald aufwachen. Jetzt musste ich aber einfach nur noch pissen.

Keine zwei Minuten nach der Abfahrt blieben wir schon wieder stehen. Ich hab davon nicht viel mitbekommen, aber wie mir später erzählt wurde, haben die dieselbe Nummer nochmal bei meinem Vermieter abgezogen. Der hatte in seinem ganzen Leben noch nie was mit der Polizei zu tun gehabt und plötzlich brechen die ihm seine teure Altbau-Tür auf und schleifen ihn mitsamt Freund nackt aus dem Bett. Er hat das bis heute noch nicht ganz verkraftet.

Kurz darauf wurde ich in einem Polizeigebäude in der Taborstraße verhört, nachdem ich mich kurz in einer Zelle hingelegt hatte und mein Leben nicht packte. Mir wurde vorgeworfen, Mitglied einer kriminellen Vereinigung zu sein, mit Suchtgift zu handeln und eine Indoor-Plantage zu betreiben. Ich habe versucht, ihnen zu erklären, dass ich niemals mit dem Zeug gedealt habe und ganz abgesehen davon wären sie ohnehin Monate zu spät dran, es war ja schon längst nichts mehr da. Ich wollte lediglich nicht nachts durch den Stadtpark krebsen müssen, um an ein bisschen Gras zu kommen. Glauben wollten sie mir dennoch nicht und ich wusste noch immer nicht so recht, wie mir eigentlich geschieht.

Foto: CC0 Public Domain

Beim anschließenden zweiten Verhör wurde mir dann mein Handy abgenommen. Ich beteuerte weiterhin, dass diese abstrusen Vorwürfe schlicht und einfach nicht wahr wären und wollte wissen, ob ich mir einen Anwalt nehmen könnte, woraufhin einer der Beamten mir nahelegte, das mit dem Anwalt sein zu lassen. Immerhin koste der nur Geld, und in meiner Situation könne mir der sowieso nicht weiterhelfen.

Es dauerte ziemlich lange, bis mir endlich gesagt wurde, warum ich überhaupt abgeführt wurde. Ein Amtsorgan—wie sich herausstellen sollte, war es einer der Feuerwehrmänner, die wegen des Rohrbruchs in meiner Wohnung waren—hätte einen Sack voller Marihuana-Barren in der Größe von Kaffeepackungen bei mir gefunden und dies gemeldet. Die Schnittanfälle. Bis heute kann ich mir das nur so erklären, dass der Feuerwehrmann einfach nicht die geringste Ahnung von Gras hatte. Sonst ergibt diese völlig überzogene WEGA-Stürmung einfach keinen Sinn.

Irgendwann am späten Nachmittag, als sie wohl merkten, dass ich die Wahrheit sage und wirklich kein Mafiaboss bin, ließen sie mich dann gehen. Ich konnte noch immer nicht ganz fassen, was da gerade passiert war. Ich stand irgendwo mitten im Zweiten ohne Handy—das hatten sie vorerst behalten—ohne Geldbeutel, ohne Würde und mit zwei verschiedenen Socken. Glücklicherweise wohnte der Kumpel, mit dem ich am Abend zuvor das Champions League-Finale gesehen hatte, nicht weit entfernt. Er hatte auch was zu Rauchen, also haben wir erst mal was geraucht.

Mein Vermieter verabscheut mich bis heute für das Polizei-Trauma, das er durchleiden musste, und die aufgebrochene Tür, die ihm die WEGA-Einsatzeinheit verpasst hatte. Der Witz ist, dass die Polizei anderthalb Jahre lang versuchte, die 1800 Euro entstandenen Schaden, die sie ihm rückerstatten mussten, von mir einzufordern. Nachdem ich aber weder bezahlen konnte noch wollte, haben sie es nach zig Mahnbriefen einfach aufgegeben. Ich hatte schon täglich einem Besuch vom Gerichtsvollzieher gerechnet—nichts.

Letztendlich wurde ich ohne Kaution aus meiner Wohnung geschmissen, meine gesamte Nachbarschaft hielt mich für den ärgsten kinderfressenden Drogenboss, und nachdem unter Arbeitskollegen das Gerücht aufkam, ich hätte Breaking Bad-Style ein Meth-Labor in meiner Wohnung gehabt, blieb mir nichts anderes übrig, als auch meinen Job zu kündigen.

Heute kann ich darüber lachen, oder es zumindest versuchen. Immerhin klingt das Ganze nach einem ziemlich schlechten Film. Irgendwann im letzten Sommer kam dann ein Brief von der Kibarei, mit der Info, dass die ganze Sache eingestellt worden sei. Still und heimlich, als wär’s nie passiert. Scheiß Wasserrohrbruch.


Header: Ri 13 | Flickr | CC BY 2.0