Als Frau die Haare zu verlieren, ist furchtbar

Ich sage es nicht gern, aber die Wahrheit ist, dass ich schon immer eine attraktive Frau mit vielen vorteilhaften Attributen war. Ich habe Erfolge, die mir aufgrund meines Aussehens zuteil wurden, allerdings noch nie zu schätzen gewusst: Ich war es einfach gewöhnt, dass die Leute mich bemerkten und ich sie mir irgendwie vom Leib halten musste. Deswegen brach für mich auch eine Welt zusammen, als ich plötzlich etwas verlor, das mich attraktiv machte—oberflächliche Menschen haben mich schon immer angewidert.

Es passierte mehr oder weniger urplötzlich. Es war nicht einer dieser schleichenden Prozesse, bei denen du nicht bemerkst, dass du ein Problem hast, bis du durch und durch am Arsch bist. Ein paar Wochen lang fielen mir mehr Haare aus als normal, doch ich achtete nicht wirklich darauf, denn bei mir waren andere Dinge los, um die ich mich kümmern musste. Zum Beispiel eine neue Bleibe finden, nachdem mein Freund mich mit einer Wohnung alleingelassen hatte, die ich mir solo nicht leisten konnte.

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In der Geschichte meiner Alopezie gibt es einen schicksalshaften Tag. An diesem Tag wachte ich spät auf und musste mich wie jeden Morgen mit etwa 100 Stundenkilometern bewegen, um rechtzeitig in der Arbeit zu sein. Ich beeilte mich in der Dusche, wickelte mir ein Handtuch um den Kopf und als ich es abnahm, um mir die Haare zu bürsten, fiel eine Strähne nach der anderen. Eine nach der anderen, in Strähnen von zehn Haaren, dann fünfzehn, und immer mehr bei jedem Bürstenstrich. Ich fühlte mich wie in einem verdammten Albtraum. Ich bürstete meine Haare weiter, in der Hoffnung, dass sie aufhören würden, sich von meiner Kopfhaut zu lösen. Offensichtlich stimmte etwas ganz und gar nicht. Innerhalb von zehn Minuten war das gesamte Waschbecken voll langer brauner Strähnen, die einen so großen Haufen bildeten, dass sie die gesamte Oberfläche bedeckten. Ich hob sie mit beiden Händen auf und formte einen großen Ball daraus. Ich war so fassungslos, dass ich sogar daran roch.

Mein Herz klopfte mir im Hals, als ich mich vor den Spiegel in meinem Eingangsbereich stellte. Mit beiden Händen zog ich meine Haare zurück. Scheiße! Eine Seite war vorne komplett kahl, der Haaransatz fing ein paar Zentimeter weiter hinten an als auf der anderen Seite. Da ich seit dem Kindesalter einen Pony getragen hatte, war mir vorher nie aufgefallen, dass meine Stirn in etwa die Dimensionen des Kosmodroms Baikonur hat. Aber halt, wie kann mein Haar nur auf einer Seite ausfallen? Was ist mit der anderen Seite los? Solche Sachen laufen doch symmetrisch ab? Funktioniert das in der Natur nicht so? Das hier kann nicht wirklich passieren.

Ich kam weinend bei der Arbeit an, halb panisch und halb unter Schock. In der Hoffnung, dass es sich bei all dem nur um eine Art Halluzination handelte, schob ich mein Haar zurück und fragte meine Kollegin: „Welche Seite fängt weiter hinten an?”

Ich werde nie im Leben ihren Blick vergessen. „Na, die linke Seite. Was ist passiert?”

Ich hatte keine verdammte Ahnung, was mit mir passierte.

Nach dieser Episode folgten Tage des Frusts und der Verstörung. Innerhalb von ein paar Wochen bestand mein einst dicker Pony aus ein paar aufgereihten Haaren. Von meinem Scheitel fielen auch inzwischen die Haare aus. Und nichts half, weder die komplexen Nahrungsergänzungsmittel gegen Haarausfall, die man mir in der Apotheke empfohlen hatte, noch das besondere Shampoo. Also ging ich zum Arzt.

Dort wiederholte ich die Bewegung, die ich inzwischen vor vielen mir vertrauten Personen gemacht hatte. Hände an beiden Seiten, Haare zurückschieben, trauriges Gesicht. „Und hier auch, oben am Scheitel.”

„Sind Sie sehr gestresst?”

„Na ja, schon. In letzter Zeit bin ich ziemlich angespannt.”

Es dauerte nicht lange, dem Arzt zu erzählen, dass mein Freund (der Mann, mit dem ich die letzten fünf Jahre meines Lebens verbracht hatte) ein paar Monate zuvor verschwunden war und dass seitdem nichts Gutes in meinem Leben passiert war.

Sein Gesichtsausdruck, seine Stimme und seine Worte waren voller Mitgefühl für die Frau, die vor ihm saß. Eine Frau in der Blüte ihres Lebens, die eine Glatze kriegt, ist eine Katastrophe, ein Fluch. Eine Frau ohne Haar? Eine Frau ohne Haar ist keine Frau. Er sagte mir, wir würden ein paar Hormontests durchführen und das Ganze hinbekommen, keine Sorge. „Keine Sorge”—alles klar.


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Die Testergebnisse zeigten keine abnormale Konzentration von Androgenen (den männlichen Hormonen), also brauchte ich keine Behandlung gegen androgenetische Alopezie. Das wäre scheiße gewesen, weil die verlorenen Haare niemals wieder zurückwachsen würden, egal wie viel ich hoffte und betete. Sie konnten mir keine andere Erklärung geben, warum das mit mir geschah—wenn es nicht am Stress läge, dann sei es etwas Vorübergehendes, mit dem ich klarkommen müsse. Man sagt dir, deine Haare würden wegen Stress ausfallen, was zu mehr Stress führt. Ernsthaft, es ist ein Teufelskreis, der einen in den Wahnsinn treibt. Du sagst dir: „Versuch, dich zu beruhigen, das hier wird wie ein schlechter Traum verschwinden”. Doch es hilft nicht gerade beim Beruhigen, wenn du überall Strähnen deiner eigenen Haare findest—auf dem Kissen, in der Dusche, auf dem Sofa, im Waschbecken und in jeder anderen Ecke deiner Wohnung und jedes Ortes, an dem du dich aufhältst.

In meiner Welt konnte nichts noch schlimmer werden. Es wurde zu einer Obsession für mich, ich konnte an nichts anderes mehr denken. Ich hatte Depressionen und weinte andauernd. Ich hatte aufgehört auszugehen und wollte mit niemandem reden. Ich verbrachte Stunden damit, im Internet zu recherchieren und auf Frauenforen zu posten, wo andere in derselben Lage darüber sprachen, wie mutlos sie sich wegen unserem gemeinsamen Leiden fühlten. Ich suchte verzweifelt nach einem Bericht über die Existenz eines Wundermittels und war von Schrecken erfüllt, als ich den Höhepunkt dieser ganzen Tragödie erreichte: die Perücke.

Vier Monate nach dem schicksalhaften Tag, den ich anfangs beschrieben habe, war meine Mähne nicht mehr wiederzuerkennen. Ich hatte mehr als die Hälfte meines Haars verloren und die linke Seite war viel weiter zurückgegangen als die rechte (etwas, wofür mir nie jemand eine Erklärung bieten konnte). Es gab einen Fleck von etwa sechs Zentimeter Durchmesser auf meinem Scheitel, der komplett ausgelöscht war, mit nur zwei oder drei verbleibenden Haaren.

Ich versuchte Tausende verschiedene Frisuren: mit einem Seitenscheitel das Verschwundene verdecken, mit tiefhängenden Pferdeschwänzen, die mit den paar verbleibenden Haaren die kahlen Stellen verdeckten, strategische Hochsteckfrisuren …

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Dann fing ich an, Minoxidil zu benutzen, nahm zwei Monate lang die Minipille, um das kleine Ungleichgewicht männlicher Hormone auszugleichen und stopfte mir so viele Vitamine rein, wie ich konnte. Ich versuchte, so gesund wie möglich zu essen, ich versuchte es mit Meditation und letztendlich sogar mit Psychotherapie. Innerhalb von zehn Minuten sagte mir die Therapeutin, ich müsse mich damit abfinden, was mit mir geschah. Ich wusste nicht, wo ich hinsehen sollte.

„Schließen Sie ihre Augen und wiederholen Sie, dass das hier möglicherweise nie weggehen wird. Schaffen Sie Platz für die Gefühle, die das in Ihnen auslöst. Erlauben Sie sich, diese Emotion zu fühlen.”

Aber was sagte diese Frau mir da?

Ich verließ die Praxis in Tränen. Es war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Bis dahin hatte ich nicht gedacht, dass dieser Schrecken für immer andauern konnte. Ich weinte und weinte. Ich weinte so viel, dass ich damit sogar diese bescheuerte Aussage überprüfte, laut der irgendwann ein Punkt kommt, an dem man nicht mehr weinen kann. Es stellt sich heraus, dass es stimmt. Ich war leer. Ich hatte das Gefühl, dass mir alles egal war, nichts war es wert und ich würde nie wieder glücklich sein, und das erschreckte mich zutiefst. Ich hatte Angst, dass ich den Verstand verlor.

Ich kann nicht sagen, wann genau sich etwas in meinem Kopf änderte, aber eines Tages sah ich der Tatsache ins Auge, dass mir nichts anderes übrig blieb, als die Kontrolle über mein Leben zurückzunehmen. Ich hatte keine Ahnung, ob es jemals weggehen würde, doch ich wusste, dass ich nicht länger damit warten konnte, alles zurückzuholen, was um mich herum zum Stillstand gekommen war.

Inzwischen habe ich seit acht Monaten eine halbe Glatze und ich habe immer noch die Arschkarte—was das angeht, will ich niemandem was vormachen. Doch es ist auch wahr, dass es mir besser geht. Mein Haar wächst wieder nach (allerdings nicht annähernd so dick wie früher). Ich habe gelernt, wie ich die Kahlheit verstecken kann und in welchen Positionen ich Sex haben kann, damit sie es nicht merken. Ich glaube, ich habe akzeptiert, dass ich dieses Problem habe, genau wie die Psychologin von mir verlangt hat. Heißt das, ich bin glücklich? Nein, das bin ich nicht. Die Haare zu verlieren, ist so ziemlich das Beschissenste, was man sich vorstellen kann.


Titelfoto: Ariel Camilo