Jetzt ist sie weg, in ihr schwarzes Auto gestiegen und nach Hause gefahren. Vielleicht sitzt sie gerade auf dem Sofa, vielleicht kocht sie. Getragen von jener Welle der Zuneigung, die sie aus dem Amt geleitete.
Der Personenkult, den der Abschied von einer Politikerin in den Medien auslöst, finde ich peinlich. Die politische Verklärung die dabei stattfindet, ist nicht auszuhalten. Jemanden aus Nostalgiegründen heilig zu sprechen, ist zwar nicht gerechtfertigt, aber das hält wahrscheinlich kaum jemanden davon ab, sentimentale Abschiedstweets zu verfassen. Merkel ist ja eigentlich nur die Beste, weil sie uns so vertraut ist. Und während andere ihre ganze Person in den Himmel loben, will ich mich darauf konzentrieren, was mir wirklich wichtig ist. Nämlich: Ich bin ganz froh, dass Angela Merkel so selten lacht. Sowieso scheint ihre Persönlichkeit fein säuberlich portioniert bei jedem öffentlichen Auftritt, damit nie zu viel Charakter hervor schwappt. Berühmt geworden ist ein Video-Schnipsel, in dem man Merkel sieht, die mit ernster Miene einen Trupp Karnevalisten beobachtet, die im Kanzleramt vor ihr tanzen und marschieren. Angela Merkel findet das nicht lustig.
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Als Kind wollte ich auf YouTube immer Videos von Lachanfällen von Politikerinnen und Berühmtheiten schauen. Wahrscheinlich weil es Menschen in Machtpositionen menschlich erscheinen lässt, wenn sie mal ein bisschen entgleisen. Mittlerweile finde ich das eher nervig. Manchmal wollen Politiker mehr Mensch sein und weniger ihr Amt. Bei der Bundeskanzlerin der letzten 16 Jahre denke ich das nicht. Angela Merkel ist nicht nahbar. Wenn ich mir vorstellen müsste, wie sie zuhause ihr Leben lebt und sich Brote schmiert und die leere Klopapierrolle mit einer neuen austauscht, dann hätte ich Schwierigkeiten. Es würde mich eigentlich auch nicht verwundern, wenn sie in ihrer Freizeit wie ein Sims stundenlang gegen ihre Wohnzimmerwand geht. Das liegt daran, dass sie über die letzten 16 Jahre ihre Person immer stark von ihrem Amt getrennt hat und sich kaum dazu gezwungen gefühlt hat, eine gute Laune vorzutäuschen. Und das obwohl sie eine Frau ist. Und Frauen sollen ja eigentlich immer sehr freundlich aussehen.
Auf Tanzflächen von Clubs sehe ich meistens unzufrieden aus. Das ist nicht meine Meinung, sondern die vieler Typen, die mich unbedingt wissen lassen wollen, dass ich eine ziemliche Spaßbremse bin. Sie führen ihre Zeigefinger an ihre Mundwinkel und ziehen sie nach außen, damit ich weiß, wie ein Lächeln funktioniert. Und dann scheine ich es trotzdem nicht zu wissen.
Angela Merkel wird das wahrscheinlich nie erklärt, obwohl sie wahrscheinlich die beste und bekannteste Nichtlächlerin Deutschlands ist. Ihr würde niemand unterstellen, nicht lachen zu können. Es ist allen klar, dass sie einfach nicht will. Diese Sturheit in Bezug auf meine Mimik wünsche ich mir auch. Ich ertappe mich manchmal dabei, wie ich mein Genervtsein weglächle oder wie ich eine Situation zu deeskalieren versuche, indem ich meine Wut runterschlucke und meine Augenbrauen davon abhalte, sich zusammenzuziehen.
Von Frauen wird oft erwartet sich zu zensieren, damit sie nicht als hysterisch gelten. Hysterisch gelten wir dann oft schon, wenn wir angemessen auf eine Situation reagieren. Wir sollen zugänglich und gefällig sein. Angela Merkels unbeeindrucktes Gesicht symbolisiert das Gegenteil. Freundlich auszusehen, war nie eine ihrer Prioritäten. Und das ist gut. Ich will mehr schlecht gelaunte Politikerinnen.
Ich werde keinen sentimentalen Abschiedstweet verfassen, aber vielleicht werde ich den ganzen Tag grimmig schauen. Die CDU und die GroKo wird mir nicht fehlen, aber ein grimmiges Frauengesicht an der Spitze Deutschlands schon. Ich setze mich jetzt mal raus, damit mich alle sehen können, und sehe unfreundlich aus.
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