Ant Antic hat uns ohne hinzuhören innerhalb von zehn Minuten einen Song gebastelt

Als ich mit Tobi Koett von Ant Antic über unser kommendes Interview schreibe, erwähnt er, dass er mit Marco (der übrigens auch als Karma Art und Teil von Leyya Musik macht) einen schönen Zeitvertreib gefunden hat, um sich den Kopf wieder frei machen, wenn sie zu viel an ihren Songs gearbeitet haben. Die beiden Oberösterreicher geben sich zehn Minuten Zeit, in Ableton einen Track zu erstellen, ohne dabei zu hören, was sie eigentlich machen. Erst nach den zehn Minuten dürfen die Speaker wieder aufgedreht werden. Klingt unglaublich witzig, wollte ich unbedingt in meinem Interview haben.

Also habe ich Tobi unter einem fotogenen Baum am Wiener Karlsplatz sein Ding machen lassen und ihm beim Track-erstellen zugesehen. Normalerweise macht er mit Ant Antic Musik irgendwo zwischen Contemporary R’n’B und Elektro Pop. Der fertige Track wurde dann doch eher irgendwas zwischen Blues, TripHop und Sommerhit #1. Davor stellte ich ihm ein paar Fragen zu ihrem neuen Album Wealth, wie es für ihn ist, seit einem Jahr in Berlin zu wohnen und welche Laster er in seinem Leben hat. Marco konnte nicht dabei sein, weil er gerade mit Leyya in New York war. Dazu aber auch mehr im Interview. Den Track findet ihr ganz unten.

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Wir haben einen Marienkäfer gefunden.

Noisey: Hat sich durch Berlin etwas an der Zusammenarbeit von dir und Marco geändert?
Tobi: Wir haben von Anfang an mit Distanz gearbeitet und uns nur fernbeziehungsmäßig getroffen. Das hat sich im Wesentlichen nicht geändert. Wir starten immer noch ein Projekt allein und schicken das dem anderen dann zu. Allein das Proben ist jetzt ein bisschen schwieriger.

Marco wird wahrscheinlich gerade sehr beschäftigt mit Leyya sein, oder?
Wir haben jetzt das Agreement, dass Marco nur noch Österreich-Shows spielt. Für Deutschland und Europa haben wir einen neuen Drummer, weil’s anders nicht möglich ist für ihn.

Wie ist das für dich?
Ich find das voll OK. Ist ja auch schön, dass Leyya dadurch nicht weniger wird, sondern zwei meiner besten Freunde immer bekannter werden. Natürlich muss man dabei Kompromisse schließen. Jonas, unser neuer Drummer, ist ja auch sehr gut. Den kenn ich noch aus meiner Indie-Zeit. Ich finde, Musikmachen ist wie eine Beziehung. In dem Moment, in dem es ein bisschen schwierig wird, muss man daran arbeiten. Oder einen Dritten dazu holen. Haha.

“Ich bin in letzter Zeit mit ein paar Kommunisten unterwegs und die sind super spannend.”

Was würdest du sagen, hat Berlin mit dir gemacht?
Generell, wenn man sich auf etwas Neues einlässt und alles wegnimmt, das einen definiert – Stadt, Freunde, Familie, Business-Kontakte, was auch immer –, fragt man sich, was dann eigentlich übrig bleibt. Ich habe in Berlin weniger Zwang, etwas sein zu müssen oder etwas erreichen zu müssen. Man lernt so ja auch wieder neue Leute kennen, die einen wieder neue Ansichten zu gewissen Dingen geben. Ich bin in letzter Zeit mit ein paar Kommunisten unterwegs und die sind super spannend.

Letzte Berlin-Frage: Wie unterscheidet sich Berlins und Wiens Musikbranche für dich?
In Wien ist die Menge an interessanten und kreativen Musikern begrenzt und dadurch ist es sehr familiär. Man tauscht sich sehr viel aus und weiß sehr genau, was jeder gerade macht. Man hat schnell einen Platz in der Musikfamilie. In Berlin sind extrem viele kreative Leute unterwegs. Aber man hat kein Gefühl, dass hier eine Community herrscht, sondern jeder schaut, dass er seinen Stuff macht. Es ist auch weniger professionalisiert. Es gibt viele Leute, die wahnsinnig kreativen Stuff machen und wenn sie das in Wien veröffentlichen würden, der Shit wären. Das Problem ist, dass sie es nicht schaffen, sich eine Struktur dahinter aufzubauen. Das funktioniert in Wien definitiv besser. Du bist dort nicht einer von dreien, der Elektro-Pop macht, sondern einer von 500. Mann muss sich dann dementsprechend interessant halten. Es reicht nicht, mit einer Gitarre am Lagerfeuer zu sitzen und “Wonderwall” zu spielen.

Sprichst du damit auch auf Images an?
Ja, wahrscheinlich. Image ist schon etwas Wichtiges. Aber für mich und Marco ist Authentizität viel wichtiger. Wenn uns Leute leiwand finden, finden sie uns leiwand. Und wenn wir manchmal ein bisschen blöd im Schädel sind, sollten sie das auch mitkriegen. Gerade Images werden in Österreich derzeit stark professionalisiert mit Mavi Phoenix oder Yung Hurn. Aber ich würd mir niemals sagen lassen, wer ich zu sein habe.

Also wird’s eher keine Kunstfigur von euch geben.
Ich glaube, man sucht sich sowieso eine eigene Kunstfigur, mit der man in der Öffentlichkeit auftritt. Genau so wie man sich im Privatleben immer wieder neu erfinden muss. Sonst wird es sehr schnell langweilig. Ich glaube nicht, dass David Bowie jemanden hatte, der ihm gesagt hat, er soll doch jetzt mal Ziggy Stardust sein. Aber ich bin generell offen für alles. Marco und ich haben ja auch immer wieder Kooperationen, die interessant sind. Ich habe jetzt zum Beispiel mit Ritornell am neuen Album zusammengearbeitet. Das ist halt Jazz. Das ist mir viel zu hoch und trotzdem super interessant. Dadurch hat das ein ganz anderes Momentum. Wobei es für Jazz auch wichtig ist, dass manchmal Leute dabei sind, die keine Jazzer sind.

Stimmt, sonst verfällt man irgendwann dem Freejazz.
Dann bist verloren. Das ist ein Limbus, der nirgendwo hinführt. Schlimm ist das! Sollte auf jeden Fall mehr angesprochen werden.


Wandl hat auch endlich ein Debüt-Album.


OK, ganz was Anderes: Warum heißt du in allen interviews Tobias Koett, anstatt Köttl?
Das ist ein Pseudonym, das ich angemeldet habe, aus einem ganz banalen Grund. Das “tl” am Ende von Köttl, kann niemand außerhalb von Oberösterreich richtig aussprechen. Teilweise haben sich schon Wiener Moderatoren schwer getan, es richtig auszusprechen und in Deutschland sagt auch jeder Köttel. Deswegen habe ich pragmatisch beschlossen, es anders zu schreiben, womit wir wieder bei der Kunstfigur sind. Wenn man die Kunstperson anders schreibt, dann kann man sich auch ein bisschen dahinter verstecken. Das ist sehr befreiend.

Weil’s noch zu wenige allgemeine Interviewfragen von euch gibt: Was ist gerade das Wichtigste in deinem Leben?
Schlaf. Ich krieg gerade viel zu wenig Schlaf. Gerade in den letzten zwei Monaten wegen der Band hauptsächlich. Schlaf und Zufriedenheit sind mir gerade sehr wichtig. Aber ich hatte vor kurzem die Platte zum ersten Mal in der Hand gehalten und das ist dann schon ein Moment, in dem dir viel Last abfällt.

Witzig, dass du “Lasten” erwähnst. Meine nächste Frage ist, welche Laster du so hast.
Kaffee. Ich bin unglaublich kaffeesüchtig.

Wie viel trinkst du so am Tag?
Vier mindestens. Ich hab einen ziemlich niedrigen Blutdruck, also geht’s. Und mir hat letztens jemand erzählt, dass ich immer anfange richtig blöde Insider-Witze zu verwenden, bis andere sie auch aufnehmen und ich dann damit aufhöre. Mir war das gar nicht bewusst, aber es ist anscheinend ein Laster von mir. Ich bin auch oft einfach in meiner eigenen Welt. Nicht, wenn ich weiß, dass ich sozial aktiv sein sollte, aber wenn ich nicht muss, dann bin ich weg. Es muss jemand schnipsen, dann geht’s wieder. Weiß nicht, ob das ein Laster ist.

“Ich hab mich so viel mit der Materie beschäftigt, dass ich bei Konzerten immer der Arsch war, der bei der Bar steht und quatscht.”

Würde es eher als Eigenschaft bezeichnen, aber macht nichts. Kannst du mir sagen, welcher Song dich in letzter Zeit richtig umgehauen hat?
Sehr schwierige Frage, aber voll gut eigentlich. Da muss ich kurz überlegen. [Überlegt sehr lange]. Also Künstler, die mich umgehauen haben sind Noname, weil sie HipHop mit einer unglaublichen Fragilität und sehr verdrossenen, deprimierten Texten machen. Find ich großartig. Ja gehen wir mit DJ Shadow und Run The Jewels – “Nobody Speak“. Einfach ein geiler Song, der mit dem Satz anfängt “Picture this / I’m a bag of dicks / Put me to your lips” DJ Shadow ist schon immer geil gewesen und hat’s jetzt auch wieder geschafft, moderneres HipHop-Sampling zu machen und der jungen Generation zu zeigen, wie man das macht.

Mit Run The Jewels kann man auch nichts falsch machen.
Die waren auch ziemlich einflussreich für mich. Dass ich so viele Sub-Bässe verwendet habe, ist glaube ich deren Schuld.

Wir lieben dieses Bild ja.

Gibt’s auch abseits von Musik etwas, dass dich in deinem Machen beeinflusst?
Ich bin umgeben von Menschen, die visuelle Kunst machen und natürlich bin ich dann auch von denen inspiriert. Und gerade jetzt beim Aufnehmen habe ich so einen Punkt erreicht, wo ich Musik nicht mehr genießen konnte. Ich hab mich so viel mit der Materie beschäftigt, dass ich bei Konzerten immer der Arsch war, der bei der Bar steht und quatscht.

“Der Song handelt von purem Selbstzweifel und es ist schon schräg, wenn dir Leute deine Selbstzweifel grinsend ins Gesicht werfen.”

Du schreibst ja eure Texte, was ist dir wichtig daran?
Ich finde, Texte dürfen nie belehrend sein. Die Zeiten sind vorbei. Belehrende Texte sind mit Bob Dylan in den 60ern gestorben. Der konnte das am besten. Und unabhängig vom lyrischen Wert, müssen sie primär ein Gefühl vermitteln. Es ist aber auch mindestens genau so wichtig, die Worte, die man verwendet, auch wirklich für etwas zu nutzen. Gerade in der jetzigen Zeit, in der es viel um Kommunikation und Empathie geht, schreibe ich eigentlich primär darüber, dass ich mich in Situationen reinversetze oder bei einer Situation in einen anderen reinversetze.

Also basieren deine Texte eher auf echten Begebenheiten?
Genau, aber ich beschreibe nicht, was da genau passiert ist, sondern was der soziologische Hintergrund unseres Handelns ist. “Take” ist beim ersten Mal hören ein Song übers Fortgehehn. Die vier Stufen des Fortgehens. Für mich sind es aber auch vier Stufen der sozialen Interaktion. Wie man mit einer Freundschaft im Großen und Ganzen umgeht. Schon spannend, wenn man Sachen zweimal hören kann und das Leute erst in ein paar Jahren verstehen.

Wie ist es für dich, wenn du die Songs, die ja teilweise sehr persönlich sind, immer wieder aufführen musst?
Wenn ein Album rauskommt, sind die Songs ja meistens schon wieder ziemlich alt und man ist im Kopf wo anders. Man präsentiert dann immer etwas Altes. Bestes Beispiel ist eigentlich “Blood Sugar”. Der Song handelt von purem Selbstzweifel und es ist schon schräg, wenn dir Leute deine Selbstzweifel grinsend ins Gesicht werfen. Das ist aber gleichzeitig eine schöne Sache, weil es damit die Selbstzweifel entwertet. Aber man sollte die Probleme in den Texten nie lösen, sonst kann man keine weiteren Texte mehr schreiben! haha

Und hier noch der Track der 10-Minuten-Taub-Challenge in seiner elfsekündigen Pracht. Tobi verwendete übrigens kein MIDI:

Shoutout an Fact Mag, die mit ihrem Against The Clock-Format etwas sehr ähnliches machen.

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