Asher Roths Karriere liest sich wie das Drehbuch eines Musikindustrie-Horrorstreifens:
Anfangsszene: Der jüdische Junge Asher Roth, der gerade seinen Collegeabschluss in Erziehungswissenschaften macht, will seinen Traum verwirklichen: Ein Rapstar werden. Asher schreibt über MySpace Scooter Braun an, einen Promoter aus Atlanta mit Kontakten zu Universal. Braun gefallen die Mixtapes von Asher, der darauf die Vorzüge des Collegelebens so verführerisch beschreibt. Und wie viele Jungs gibt es in Amerika, die im Dorm Beerpong spielen und Tupac hören? Genau, so einige. Es fällt Braun nicht schwer, den Majors Roth als Eminem des Mittelstands zu verkaufen.
Zweite Szene: Roth unterschreibt bei Schoolboy und SRC, zwei Tochterlabels von Universal. Und schnell muss ein Hit her. Kein Problem, „I Love College” wird zum Superhit zwischen UCLA und UConn, der perfekte Rhythmus zu jedem „Chuck” Miller Lite. Das Album Asleep in the Bread Aisle landet auf Platz fünf des amerikanischen Billboard Charts und zementiert Roth als Posterboy des Collegerappers. Problem nur: Ash ist nicht mehr auf der Uni und er ist längst erwachsen geworden.
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Dritte Szene: Wie soll der Sound des zweiten Roth-Albums aussehen, fragt man sich in den Türmen von Universal. Welches Konzept fahren wir? Asher interessiert das nicht, er will einfach nur Musik machen, mit großen Künstlern wie Pharrell arbeiten und sich musikalisch weiterentwickeln. Zwei Alben, die bereits Titel hatten (Spaghetti Tree und Is this too orange?) werden verworfen, und bis auf einer EP und einem Mixtape steht in vier Jahren neben seinem Namen nichts zu Buche.
Was ist passiert? Ist Roth im Hamsterrad Majorindustrie stecken geblieben, oder ist die Entwicklung vom Collegekid zum ernstzunehmenden Musiker doch nicht so leicht? Wir haben ihn einen Tag nach seinem Auftritt in Berlin getroffen und darüber gesprochen, wie das Drehbuch weitergeschrieben wird.
Noisey: Wie war dein Auftritt im Festsaal Kreuzberg?
Asher Roth: Großartig, Mann. Der Sound war unfassbar. Aber es war das erste Konzert, bei dem ich eine kleine Sprachbarriere gemerkt habe. Das liegt natürlich daran, dass wir amerikanischen Rapper Slang sprechen. Das deutsche Publikum versteht zwar „Make some noise”, aber nicht „Give it up”. Was aber in Ordnung ist, es erinnert dich daran, dass es in erster Linie um die Musik geht und dass du direkter sein muss.
Bist du überrascht, dass du immer noch so viele Leute zu deinem Auftritt kommen, obwohl dein letztes Album schon vier Jahre her ist?
Wir haben zwar Musik veröffentlicht, aber eben nur online und nicht so professionell. Ich fühle mich wirklich gesegnet, dass die Leute meine Karriere verfolgen, ohne dass wir etwas fürs Radio oder den Mainstream veröffentlicht haben. Es ist unglaublich, dass die Leute die Musik kennen, auch wenn sie sich nicht direkt vor ihren Augen abgespielt hat.
Ich weiß, die Frage wird dir zum Hals heraushängen. Aber, Alter, wann kommt das Album endlich?
Für mich geht es darum aus diesem Spinnennetz rauszukommen, in das ich reingeraten bin. Wir haben sehr früh einen Majordeal unterschrieben. Ich habe schnell realisiert, dass meine Arbeitsweise nicht gerade zum Majorlabelsystem passt. Dort geht es um „Beeil dich und warte!”. Du sollst schnell Songs aufnehmen und dann Däumchen drehen. Aber heutzutage funktioniert das nicht mehr. Wenn ich einen Song aufnehme, will ich ihn am nächsten Tag veröffentlichen. Wir strampeln uns gerade aus diesem System raus und gehen gerade einen mehr selbstgesteuerten und eigenständigen Weg, aber immer noch mit den gleichen Spielern. Steve Rifkind ist immer noch dabei, wir stellen gerade nur unsere Offense etwas um.
War das Problem, dass du mit „I Love College” und dem Album zu schnell oben warst, und die Phase verpasst hast, in der das Fundament gegossen wird?
Ganz genau so war es, Mann. Du kannst dich nicht auf die Massenmedien und Industrie verlassen, dass sie sich um dich kümmern. Wenn du auf einen Hit nach dem anderen angewiesen bist, kann das für einige Künstler wunderbar funktionieren, aber andere Künstler verlieren dadurch ihre Identität. Die Fans kennen deine Songs, aber sie wissen nicht, wer du bist. Ich hatte zwar sofort einen Hit, aber normalerweise funktioniert das nicht so. Du musst dir das aufbauen und dann kommt irgendwann der Hit. Ich gehe jetzt wieder zurück zu der Basis.
Du willst es also machen wie Kendrick Lamar, der sich nie über Hits definiert hat. Glaubst du, dass sich besonders HipHop so verändert hat, dass solche Künstler, die keine gewollten Hitmaschinen sind, sich durchsetzen können?
Auf jeden Fall, wir waren etwas früh dran. Ich meine, ich habe „I Love College” auf MySpace veröffentlicht. Bei Kendrick ist es aber so, dass er einfach großartige Musik macht. Und meistens ist das wichtiger als alles andere. Integrität ist auch ein entscheidender Faktor. Was das System angeht: Klar waren wir bisschen früh dabei und würden gerne jetzt mitspielen. Aber das werden wir auch tun.
Was war denn das konkrete Problem, dass du mit den Majors hattest?
Es ist einfach so, dass du die ganze Zeit wartest und um Erlaubnis fragen musst. Alles ist so geldgesteuert, dass, wenn du kleine Dinge machen willst, die zu etwas Großem führen werden, du es nur schwer den Leuten verkaufen kannst. Und ich will niemandem eine Vision verkaufen müssen. Ich will es einfach machen, aber dann in Meetings gehen zu müssen und mich zu erklären, hat mich einfach verwirrt.
Aber die Schwierigkeiten lagen nicht bei dir selbst? Dass du vielleicht nicht wusstest, welche Richtung du einschlagen solltest?
Nein, ich wollte immer meine Musik sofort raushauen, was ich teilweise auch gemacht habe. Ich habe nicht geplant, vier Jahre an einem Album arbeiten, damit sich ein Hype aufbaut. Die Erwartungen könnten eh nicht erfüllt werden. Wenn Dr. Dre irgendwann Detox rausbringt, wird es niemals die Erwartungen erfüllen können, auch wenn es das beste Album aller Zeiten sein würde.
Das gleiche dachten die Leute aber auch bei 2001 von Dre. Das hat die Erwartungen sogar übertroffen.
Das stimmt allerdings. 2001 war großartig.
Von Anfang wurdest mit vielen Namen abgestempelt, als der weiße Mittelschichtsrapper, der Collegerapper, der Weedrapper, als jüdischer Rapper oder sogar der neue Eminem. Hat dich das gestört?
Nein, ich habe dadurch einfach die Perspektive verstanden, die die Leute auf mich hatten. Das College-Zeug und das weißer Rapper-Zeug ist unausweichlich, aber das sind Themen, die ich attackieren und nutzen kann um das zu zeigen, wer ich als Person wirklich bin, als nur ein weißes Collegekid.
Willst du den Leuten also etwas beweisen?
Nein, ich muss nur mir was beweisen. Es geht darum, dass der nächste Vers besser sein soll, als der Letzte. Und ich denke mir: Wenn ich es mag, werden es meine Fans wahrscheinlich auch mögen, weil sie irgendwo Reflexionen von mir sind. Ich will einfach wachsen als Songwriter und neue Ideen ausprobieren, statt immer nur über Gras, Bier und Frauen zu rappen.
Aber das sind nun Mal die Konstanten, mit denen du in Verbindung gebracht wirst.
Und das ist auch gut so. Diese Themen machen Sinn bei anderen Leuten. Wenn ich über die Probleme der Welt spreche, aber zu Bier und Frauen zurückkomme, macht das Sinn bei den Leuten. Aber wenn ich abdrehe und über Elefanten, die einen Fluss beim Regen überqueren, spreche, dann macht das keinen Sinn für sie. Rappe ich aber über Elefanten im Regen und komme dann zum Biertrinken zurück, dann denken sie sich: Ah, ok, den Typen kenne ich. Du kannst also diese weißes Collegekid-Perspektive zu deinem Vorteil nutzen, indem du andere Konzepte und Ideen damit verbindest.
Kannst du es nachvollziehen, wenn Künstler ihren großen Hit verteufeln, weil sie oftmals darauf reduziert werden? Mit „I Love College” geht es dir ja ähnlich.
So eine Einstellung kann ich nicht verstehen. Der Hit hat dir das ermöglicht, was du gerade tust. Es hat mir auch eine Identität gegeben. Auch wenn diese sehr polarisierend ist und mich für den Rest meines Lebens abstempeln könnte. So wie bei Macaulay Culkin in Kevin Allein zu Haus. Du bist jetzt für immer Kevin Allein zu Haus. Aber das ist auch die Herausforderung: Wie zeige ich den Leuten, wer ich wirklich bin?
Wie zeigst du das musikalisch auf deinem Album, das hoffentlich bald erscheint?
Es wird viele Dinge verknüpfen. Ich nehme das Asleep in the Bread Aisle-Publikum und das Pabst and Jazz-Publikum und verheirate die beiden. Es wird alternativer Pop und HipHop sein, mit Einflüssen von Rock’n’Roll, Jazz und Bebop. Die Qualität und die Frische der Musik stimmt einfach.
Wie viele Songs mit Pharrell Williams werden drauf sein?
Wir haben zwölf Songs in zehn Tagen gemacht. Wir werden sehen, ob sie veröffentlicht werden oder im Spinnennetz gefangen werden.
Dich scheint das Spinnennetz nicht loszulassen.
Alles ist einfach so verlockend und schön, du schwebst herum, und im nächsten Moment hängst du in diesem Spinnennetz fest und eine Riesenspinne saugt dein Blut aus.
Wann kannst du dich endlich davon befreien?
Es ist hart, Mann. Aber wir sind fast da. Es hat nur fast vier Jahre gedauert.
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